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Kreta lockt selbst Kasparow

Neuer Teilnehmerrekord bei den Europacups der Vereinsmannschaften für Männer und Frauen; Schachfreunde Neukölln vor Traumpaarung gegen NAO Paris

Europacup Kreta 2003

 

   Seit der Europacup für Vereinsmannschaften regelmäßig Ende September unter der Sonne Griechenlands Station macht, besitzt dieser Wettbewerb einen besonderen Stellenwert im internationalen Turnierkalender. 2001 trafen sich im Herrenwettbewerb 39 Teams erstmals auf Kreta, anno 2002 stiegt die Zahl in Halkidiki (auf dem Festland bei Thessaloniki) auf 43 Mannschaften. Für die 19. Austragung in der Nähe von Rethymnon haben 49 Herrenteams gemeldet, im erstmals orts- und zeitgleich ausgetragenen Frauenwettbewerb stehen derzeit 15 Mannschaften auf der Liste (Vorjahr elf Teams).

   Doch nicht nur quantitativ wird es der stärkste Wettbewerb des Jahres. Sechs Spieler aus den Top Ten der Weltrangliste haben zugesagt. Aus den Top 50 sind 33 Großmeister angekündigt. Besonderer Glanz wird vom Auftritt des Weltranglistenersten Garry Kasparow erwartet. Nach dem geplatzten WM-Kampf gegen Ruslan Ponomarjow stimmt sich der Moskauer mit einem Schnellschach- bzw. Blitzmatch (jeweils vier Partien) gegen Europameister Zurab Azmaiparashwili auf seine Teilnahme für Ladia Kazan ein. Ein kleines Fragezeichen steht allerdings noch dahinter. Die Regularien besagen, dass ein ausländischer Spieler in der Vorsaison mindestens zwei Partien für den Verein gespielt haben muss, während Inländer - wie Kasparow - zumindest bei der nationalen Mannschaftsmeisterschaft für den Verein startberechtigt sein musste. Über die Beziehung Kasparow zu Kazan war bisher "wenig" bekannt. Dort spielen sonst der Ex-Russe Ilja Smirn (jetzt Israel), Dortmund-Triumphator Viktor Bologan, die Großmeister Andrei Charlow und Artyom Timofeev sowie die Frauen-Großmeisterin Alisa Galliamova. Die Ex-Frau von Wassili Iwantschuk ist allerdings auch auf dem Meldebogen des Frauen-Teams von Ladia Kazan. Überhaupt steht der letzte Check der Aufstellungen durch den belgischen Turnierdirektor Dirk Jan de Ridder noch aus.

 

Garry Kasparow

Die ganze Schachwelt ist gespannt, ob der Weltranglistenerste Garry Kasparow Ladia Kazan zum Titel "Europäischer Vereinsmannschaftsmeister" führen kann. Aber wird er überhaupt zum Wettbewerb zugelassen? Foto: Harald Fietz

 

   Eine andere, übliche Unsicherheit ist, ob alle Mannschaften den Weg nach Kreta antreten. Hier drücken besonders die Schachfreunde Neukölln allen vor ihnen platzierten Mannschaften die Daumen, denn als Nummer 25 der Rangliste (Durchschnitts-Elowert der sechs besten Spieler) würde auf sie gleich in Runde eins eine Traumbegegnung warten. Sonst sind die Amateure untröstlich, weil man mit Startplatz 24 auf den Vorletzten, einen irischen Vertreter aus Dublin, treffen würde. Ganz oben auf der Startliste steht noch vor Kazan das von der französisch-syrischen Millionärin Nahed Ojjeh gesponserte Team von NAO Paris. In Bestbesetzung hieße es dann Alexander Grischuk - Rainer Polzin, Peter Swidler - Stephan Berndt, Michael Adams - Martin Borris, Joel Lautier - Dirk Poldauf, Francisco Vallejo Pons - Lars Thiede und Etienne Bacrot - Henrik Rudolf. Ersatzleute sind bei den Franzosen die einheimischen Großmeister Laurent Fressinet und Igor-Alexandre Nataf. Im Vorjahr schafften die Berliner gegen Kazan ein 3:3 und vor zwei Jahren remisierte Stephan Berndt gegen Swidler, als dieser noch für seine Heimatstadt St. Petersburg antrat. Eine winzig-kleine Hoffnung muss an dieser Stelle also erlaubt sein! Besser sind allerdings die Chancen, dass der Internationale Meister Lars Thiede einen Hattrick aufstellt. In den vergangenen zwei Jahren heimste er jeweils am fünften Brett den Preis für die beste Performance ein. Oder wird der Internationale Meister Rainer Polzin auf der Mittelmeerinsel erneut, wie bei der griechischen Mannschaftsmeisterschaft im Juli 2003, zu Höchstform auflaufen, als er eine GM-Norm schaffte?

   Der zweite deutsche Vertreter, Werder Bremen, setzt als Nr. 16 der Rangliste auf eine Mischung aus ausländischen und inländischen Recken. Vorne hoffen die Verantwortlichen auf den im letzten Halbjahr mächtig aufspielenden Engländer Luke McShane, das bewährte Tschechen-Duo Zbynek Hracek und Vlastimil Babula. Dahinter folgt das deutsche Quartett mit Rainer Knaak, Sven Joachim, Gerlef Meins, Jakob Heissler und C.D. Meyer. Da es bei diesem sieben Rundenwettbewerb mit Ausnahmeregelung die Möglichkeit gibt, Normen zu erzielen, bleibt abzuwarten, ob einer der deutschen Spieler die Gelegenheit erhalten wird, alle Partien durchzuspielen. Anno 2001 erzielte der in Braunschweig beheimatete Sven Joachim an Brett sechs eine Großmeisternorm! Warum nicht auch hier einen Erwartungsvorschuss geben?

   Überhaupt knüpft sich an dieses Gipfeltreffen der Weltelite, der Glaube, dass neben dem unerquicklichen Verband-Spieler-Gezänk bei der FIDE und der ECU, wieder ein Europa verbindendes Band die Atmosphäre für hochklassige Partien schafft. Der Aufmarsch, bei dem deutsche Spitzenteams leider seit Jahren durch Abwesenheit glänzen, sieht auch sonst unter den Super-Mannschaften gewaltig aus: Titelverteidiger Bosna Sarajewo baut vorne auf Alexei Shirov, Jewgeni Barejew, Ivan Sokolov und Rustan Kasimdzhanow und der Gewinner von 2001, Norilsk Nikel, ist mit acht Großmeistern über Elo 2600 präsent (Alexei Drejew, Wladimir Malachow, Alexander Onischuk, Vadim Swjaginzew, Alexander Rustemow, Sergei Dolmatow, Jewgeni Najer und Alexander Galkin). Auch die beiden anderen russischen Mannschafen sind zu beachten: Tomsk-400-YKOS bietet fünf Spieler mit über Elo 2600 auf (Alexander Morosewitsch, Alexander Chalifman, Valeri, Filippov, Mikhail Kobalia, und Konstantin Landa) und St.-Petersburg LTG hat vier Spieler dieser Kategorie (Konstantin Sakajew, Viktor Kortschnoi, Sergei Volkov und Pavel Smirnow). Auf der Rechnung muss man immer den polnischen Meister Polonia Warschau haben, wo die Super-Großmeister Wassili Iwantschuk und Boris Gelfand, der Europameister von 2002 Bartlomiej Macieja, der Landesmeister 2003 Tomasz Markowski zusammen mit Michal Krasenkow und Robert Kempinki eine kompakte Truppe formieren. Für Überraschung ist das bosnische Team von SK Kiseljak gut, wo Legionäre in der Mehrheit sind: der aktuelle Europameister Asmaiparashwili aus Georgien, Alexei Alexandrow und Alexei Fedorov aus Weißrussland, Zoltan Almasi aus Ungarn und der Kroate Mladen Palac scharren sich um den Bosnier Predrag Nikolic. Frankreichs zweiter Vertreter Clichy Echecs 92 ist nicht zu unterschätzen mit dem Holländer Loek van Wely, Russlands Pavel Tregubov, dem Engländer Stuart Conquest und den Franzosen Christian Bauer, Eloi Relange und Jean-Marc Degraeve. Auch in der Slovakei hat sich bei Korpora Martin Lipovec viel Erfahrung gesammelt mit Sergei Mowsesian, Emil Sutowski, David Navara, Lubomir Ftacnik, Igor Stohl und Gennadi Timoschenko. Das stärkste ukrainische Team stellt Karpaty Galychyna Lwow mit Alexander Beljawski, Andrei Volokitin und Oleg Romanischin in der vorderen Mannschaftshälfte. Die georgischen Farben führt bei Tiblissi die Ex-Weltmeisterin Maja Tschiburdanize an.

   Im Frauen-Wettbewerb, wo Vierer-Mannschaften gegenüber Sechser-Mannschaften bei den Herren antreten, ist ebenfalls kein Favorit auszumachen, wenngleich einige Beobachter das moldawische Team von ULIM Chisinau mit Almira Skripchenko, Antoneta Stefanova und Svetlana Petrenko als Gewinner tippen. Titelverteidiger BAS Belgrad setzt auf das Team von 2002. Zu den Serbinnen Natasha Bojkovic, Svetlana Prudnikova und Maria Manakova gesellt sich Inna Gaponeko. Serbiens zweite Abordnung von Internet CG Podgorica bietet an den beiden Spitzenbrettern die Russinnen Svetlana Mateeva und Alexandra Kostenjuk auf. Eine unberechenbare Größe ist - neben den georgischen und russischen Teams - vielleicht Cannes mit der früheren Chinesin Peng Zaoquin, Marie Sebag, Maria Leconte und der Deutschen Bettina Trabert.

   Ist bei den Frauen nur eine Deutsche in ausländischen Team engagiert, so sieht es bei den Herren anders aus: für Österreich kommen Karsten Müller und Michael Schwarz (Sparkasse Gleisdorf) und Mladen Muse (Austria Graz), der belgische Meister Eynatten hat gleich fünf Deutsche angeheuert (Arkadi Naiditsch, Mathias Röder, Thomas Pähtz, Klaus-Jürgen Schulz und Hans-Hubert Sonntag), während Rochade Eupen Stefan Balster und Klaus Petzold im kleinen Grenzverkehr beschäftigt. Gleiches gilt für die Luxemburger von CE "de Sprenger" Echternach mit Yuri Boidman, Ludgar Körholz, Michael Trauth und Peter Mosebach.

   Insgesamt werden fast 400 Spieler erwartet, darunter 150 Großmeister, 80 Internationale Meister, 35 FIDE-Meister. Die Berichterstattung in den Printmedien verspricht daher, üppig zu werden. Doch das Internet ist zunächst eine erste Quelle. Die offizielle Seite www.venizelia.gr/ecc2003 offeriert schon jetzt viele Einblicke in die Großveranstaltung, die - wie 2001 - in den Händen von Kydon Chania, dem amtierenden griechischen Mannschaftsmeister, liegt. Homepage-Besucher von www.schachbundesliga.de erhalten zusätzlich durch einen täglichen Nachrichtenticket Vor-Ort-Impressionen. Auch auf den Internet-Seiten der Schachfreunde Neukölln (www.sfr-neukoelln.de) und von Rochade Kuppenheim (www.rochadekuppenheim.de) werden regelmäßig Informationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu finden sein. Das europäisches Schachfest mit Weltklasse beginnt ab Sonntag, den 28. September.

 

Viele Favoritensiege zum Auftakt der Europacups für Vereinsmannschaften
Kasparow mischt sich unter das Schachvolk, deutsche Teams gewinnen
September 2003

Kortschnoi knockt Titelverteidiger aus
Deutsche Teams verlieren gegen Spitzenteams
September 2003

Neuköllner Dauerkämpfer ärgern Weltklassespieler
Favoriten beginnen sich abzusetzen
Oktober 2003

Spitze sortiert sich vor dem Gipfeltreffen
Beide deutsche Teams gewinnen hoch
Oktober 2003

Israelischer Außenseiter plötzlich im Rampenlicht
Deutsche Teams weiter auf dem Vormarsch
Oktober 2003

Sensationelle Niederlage Kasparows bietet NAO Paris Matchball
Huzman bezwingt Weltranglistenersten nach zwei Stunden * Deutsche Teams gebeutelt * Führungswechsel bei den Damen
Deutsche Teams weiter auf dem Vormarsch
Oktober 2003


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