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Allzeit Vabanque auf dem Brett und im Leben

Monumentales Werk über den Hasardeur Dawid Janowsky

von FM Hartmut Metz, 11. März 2006

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   "Vabanque. Dawid Janowsky" lautet der Titel eines monumentalen Schachwerks: Auf 723 Seiten porträtiert Daniel Ackermann einen Angriffsspieler, gegen den man „gewinnen oder verlieren, aber nur schwer remisieren konnte“. Vabanque spielte Janowsky außer auf dem Brett auch stets im richtigen Leben. Die blumigen Ausführungen des Pulitzer-Preisträgers Harold C. Schonberg in „Die Großmeister des Schach“ übernahm der weit tiefer schürfende und recherchierende Baden-Badener in seinem Vorwort als „kleinen Scherz“. Schonberg skizziert den 1868 geborenen Janowsky als einen „Exzentriker der Großmeisterriege – ein Hitzkopf, der andauernd mit seinen Kollegen in Fehde lag, ein psychopathischer Glücksspieler, ein schlechter Verlierer, aber allzeit ein aufregender, kampfeslustiger Gegner. ,Er folgt dem falschen Weg mit mehr Entschlossenheit als jeder andere, dem ich je begegnet bin’, äußerte Frank Marshall“.

   Ackermann verbindet mit dem Polen nur der eigene tollkühne Schachstil. Ansonsten gilt: „Er ist ein Typ, ein Hasardeur, der ich absolut nicht bin“, betont der Lehrbeauftragte für Griechisch und Latein an der Uni Heidelberg. Rund dreieinhalb Jahre beschäftigte sich der Gernsbacher Verbandsliga-Spitzenspieler mit dem Anfang des 20. Jahrhunderts zu den stärksten Meistern zählenden Janowsky. Außer wegen des „aggressiven Schachs“ entschied sich der Wissenschaftler auch deswegen für eine Janowsky-Biographie, weil bisher nur ein Werk über ihn, 1987 im Russischen, erschien.

   Das historisch wertvolle Buch aus dem Schachverlag Dreier (ISBN 3-929376-65-2; 58 Euro) beinhaltet ein prosaisches letztes Kapitel: Ende Januar 1927 wollte Janowsky beim Turnier in Hyères teilnehmen. Bereits am 19. Dezember 1926 kam er dort mit einer heftigen Erkältung an. Ein Arzt diagnostizierte das letzte Stadium der Tuberkulose. Am 15. Januar 1927 starb Janowsky ohne Freunde und völlig mittellos im Alter von 56 Jahren. Auf seinen Grabstein in Hyères ließen seine Förderer, die auch seinen letzten Klinikaufenthalt bezahlt hatten, die Worte des persischen Dichters Omar Khayyam aus dem elften Jahrhundert meißeln: „Hier die einzige Wahrheit: Wir sind Steine der geheimnisvollen Schachpartie, gespielt von Gott. Er stellt uns hin, hält uns an, treibt uns vor, dann wirft er uns einen nach dem anderen in den Kasten des Nichts.“

   Für seinen nachstehenden Erfolg in der ersten Runde der Siegergruppe beim Rice-Turnier 1916 in New York erhielt Janowsky den Schönheitspreis. Hinter dem überragenden Kubaner José Raoul Capablanca (12:1 Punkte) belegte der Pole im Endklassement den geteilten zweiten Platz mit 8,5:4,5 Zählern.

 










Janowsky,Dawid Markelowicz - Chajes,Oscar [D66]
New York Rice Finale (1), 1916

1.d4 Sf6 2.Sf3 d5 3.c4 e6 4.Lg5 Le7 5.e3 Sbd7 6.Sc3 c6 7.Ld3 dxc4 8.Lxc4 b5?! [8...Sd5 9.Lxe7 Dxe7 10.0-0 Sxc3 11.bxc3 0-0 12.e4 e5 13.Te1 exd4 mit nur leichtem Vorteil laut der Enzyklopädie der Schacheröffnungen.] 9.Ld3 a6 10.0-0 Nachdrücklicher ist [10.e4 . Nach 10...e5 11.dxe5 Sg4 12.Lf4 Lc5 13.0-0 hat Weiß Vorteil (Capablanca - Bernstein, St. Petersburg 1914).] 10...c5 11.Tc1 Lb7 12.De2 0-0 13.Tfd1 Db6 Die Deutsche Schachzeitung (DSZ) schlug als Verbesserung [13...c4 oder; 13...cxd4 vor.] 14.Se5! Ein starker Zug mit der Drohung 14.Sxd7 Sxd7 15.Lxe7 (DSZ). 14...Tfe8?! Auf [14...Sxe5 würde 15.dxe5 Sd5 16.Sxd5 Lxd5 17.Lxe7 die Folge sein, aber; 14...Tae8 deckte ebenfalls den Läufer - und auch der Bauer f7 behielte seinen Schutz.] 15.dxc5 Sxc5 Nach [15...Lxc5 16.Sxd7 Sxd7 ist das Läuferopfer 17.Lxh7+ durchschlagend: 17...Kxh7 18.Dh5+ (Die DSZ gibt 18.Txd7 Dc6 19.Dh5+ an mit der Folge 19...Kg8 20.Dxf7+ Kh7 21.Dxg7# ) 18...Kg8 19.Txd7 g6 20.Dh4 Lf8 oder (20...Dc6 21.Txb7 Dxb7 22.Lf6 ) 21.Se4 Lxe4 22.Tcc7 (La Stratégie).] 16.Lxf6 Lxf6 [16...Sxd3 wird gemäß der DSZ mit 17.Lxg7! Sxc1 18.Dg4 beantwortet. Eine mögliche Folge wäre 18...f5 19.Dg3 Lh4 20.Dxh4 Tad8 21.Txc1 Kxg7 22.Dg5+ Kf8 23.Df6+ Kg8 24.Sf7 h5 25.Dg6+ Kf8 26.Sh6 Ke7 27.Sxf5+ Kd7 28.Sd5! Lxd5 29.Df7+ Te7 30.Dxe7# ] 17.Lxh7+! Kxh7 18.Dh5+ Kg8 19.Dxf7+ Kh7? [Laut Ackermann soll 19...Kh8! zum Remis führen. Nach 20.b4! Lxe5 21.Dh5+ Kg8 22.Dxe5 Tac8 (22...Sa4 23.Td7 ) 23.bxc5 Dxc5 24.Dxc5 Txc5 25.f3 kann Weiß aber mit Mehrbauer auf Gewinn spielen. Eine erstaunliche Kopie bemerkte der Buchautor: Interessanterweise kam genau dieselbe Stellung 15 Jahre später ein zweites Mal auf das Brett und zwar bei der Olympiade 1931 in Prag zwischen Mikenas - Kashdan!! Auch der Amerikaner Kashdan zog Kh7, sein Gegner begnügte sich mit Dauerschach, dabei hatte Janowsky bereits eindrucksvoll vorexerziert, dass die Stellung für Weiß gewonnen ist.] 20.Sd7! Sxd7 Erzwungen, da neben 21.Sxb6 auch 21.Sxf6+ drohte. 21.Txd7 Lc6 [Auf 21...Tf8 folgt einfach 22.Txb7 (DSZ).] 22.Se4!! Der Schlüsselzug der weißen Kombination. 22...Lxb2 Auch andere Züge bieten keine Rettung: Auf [22...Lxe4 gewinnt 23.Dxf6 Tg8 24.Dh4+ Kg6 25.Dxe4+ Kh6 26.Tc6 ; und auf 22...Lxd7 23.Sxf6+ Kh8 24.Dh5# ] 23.Sg5+ Kh6 [23...Kh8 24.Dh5+ Kg8 25.Dh7+ Kf8 26.Dh8# ] 24.g4! g6 Auf [24...Kxg5 setzt 25.Dh5+ Kf6 26.Tf7# den Schlusspunkt.] 25.h4 Th8 26.Dh7+! [26.Dh7+! Txh7 27.Txh7# Ein hochverdienter Schönheitspreis!] 1-0

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