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Männer fürchten "Vera Menchik Club"

Drohende Zwangsmitgliedschaft bei Niederlage gegen Schach-Weltmeisterin

von FM Hartmut Metz, 4. März 2006

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   Die Schach-Großmeister fürchteten in den 30er Jahren nichts mehr als ihre unfreiwillige Aufnahme in den imaginären „Vera Menchik Club“. Die geschlossene Gesellschaft der männlichen Denkstrategen ernannte jeden zum Zwangsmitglied, der gegen Vera Menchik am Brett „peinlicherweise“ unterlag. Zum „Präsidenten“ kürten die Lästermäuler Max Euwe. Der Weltmeister aus den Niederlanden hatte nämlich gleich zweimal gegen die neunfache Frauen-Weltmeisterin den Kürzeren gezogen. Der Inder Mir Sultan Khan soll nach seiner Schlappe gegen die Engländerin zwei Jahre lang seine Heimat gemieden haben, weil er dem Spott seiner Landsleute entgehen wollte.

   Vera Menchik wurde vor 100 Jahren, am 16. Februar 1906, in Moskau geboren. Als Neunjährige erlernte sie von ihrem Vater, einem Tschechen, das königliche Spiel. Nach dem Umzug mit 15 ins englische Seebad Hastings, das seit 1895 für seine Turniere berühmt ist, musste sich Menchik zunächst mit Männern messen. Als Ausländerin durfte sie nicht an englischen Damen-Meisterschaften teilnehmen. So gewöhnte sich das Mädchen an die Duelle mit dem starken Geschlecht – und wurde dank ihres Tutors Geza Maroczy als erste Frau sogar eine Gefahr für die besten Schach-Koryphäen. „Sie ist zweifellos eine Ausnahmeerscheinung und hat eine riesige Befähigung“, lobte selbst Weltmeister Alexander Aljechin die Engländerin.

   Die 38-Jährige erwies sich bis zu ihrem frühen Tod am 27. Juni 1944 durch eine auf London abgeworfene deutsche Bombe der Konkurrenz weit überlegen. Ähnliches kann man heute nur von der Ungarin Judit Polgar sagen, die Frauenturniere gänzlich meidet und bei den Herren in die Top Ten der Weltrangliste vorstieß.

 

Judit Polgar

Judit Polgar. Foto: Metz

 

   Die erste Damen-Weltmeisterschaft 1927 in London gewann Menchik mit zehn Siegen und einem Unentschieden. Danach verteidigte sie sechsmal den Titel und gab in 83 Partien lediglich vier Remis ab und verlor nur ein Duell! Außerdem trug die Britin zwei WM-Kämpfe gegen Sonja Graf aus. 1934 schlug Menchik die Deutsche in Rotterdam mit 3:1, 1937 setzte sich die Weltmeisterin auf dem Semmering souverän mit 11,5:4,5 durch. Die nachstehende Partie stammt aus dem Wettkampf in Österreich.

Mit ihrem Landsmann Sir George Thomas lieferte sich Menchik zahllose Schlachten. Anfänglich zahlte sie einiges an Lehrgeld und verlor nach haarsträubenden Patzern. Später bekam die Weltmeisterin aber den Blaublütigen besser in den Griff und gewann mehr Partien.

W: Menchik S: Thomas

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.f3 0–0 6.Le3 e5 7.Sge2 b6 8.Dd2 Sc6 9.d5 Se7 10.g4 Sd7 11.Tg1 a5 12.0–0–0 Sc5 13.Sg3 Ld7 14.h4 a4 15.h5 Weiß steht schon im höheren Sinne auf Gewinn. Der Angriff von Menchik rollt, während Schwarz am Damenflügel zu lange benötigt, um Gegenchancen zu erhalten. Db8 16.Lh6 Da7 17.Lxg7 Kxg7 18.Sf5+! Sxf5 gxf5 19.Dg5+ Kh8 20.Df6+ Kg8 21.h6 führt zum Matt. 19.gxf5 a3?! Tg8 verzögert die Niederlage lediglich. 20.hxg6 hxg6 21.Dg5 Kf8 22.Df6 a3 23.b4 Sb3+ 24.Kb1 Sd4 25.fxg6 Tg7 26.Td2 Le8 27.Th2 nebst baldigem Matt. 20.f6+! Kh8 Kxf6 21.Dg5+ Kg7 22.h6+ Kg8 23.Df6. 21.Dh6 axb2+ 22.Kb1 Tg8 23.hxg6 fxg6 24.Dxh7+! 1:0, wegen Kxh7 25.Th1+ Lh3 26.Txh3 matt.










Menchik,Vera - Graf,Sonja [D46]
WM Semmering, 1937

1.c4 e6 2.Sc3 d5 3.d4 Sf6 4.Sf3 Sbd7 5.e3 c6 6.Ld3 Le7 7.0-0 0-0 8.e4 dxe4 9.Sxe4 Sxe4 10.Lxe4 Sf6 11.Lc2 c5 12.dxc5 Da5 13.Le3 Lxc5 14.Ld2 Dc7 15.Lc3 Le7 16.De2 b6 17.Sg5 g6 18.Df3 Lb7 19.Dh3 h5 20.Tad1 Sg4? 21.Td7!! Eine famose Ablenkung, um die folgende Mattkombination zu ermöglichen. [21.Td7 Dxd7 22.Dxh5! und das Matt ist nicht mehr zu parieren.; Hingegen hätte sofortiges 21.Dxh5? nur einen Bauern gewonnen: 21...Dxh2+ 22.Dxh2 Sxh2 23.Sxe6 Sxf1 24.Sxf8 Kxf8 25.Kxf1 ] 1-0

 

   Mit ihrem Landsmann Sir George Thomas lieferte sich Menchik zahllose Schlachten. Anfänglich zahlte sie einiges an Lehrgeld und verlor nach haarsträubenden Patzern. Später bekam die Weltmeisterin aber den Blaublütigen besser in den Griff und gewann mehr Partien.

 










Menchik,Vera - Thomas,George Alan [E85]
London London (4), 1932

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.f3 0-0 6.Le3 e5 7.Sge2 b6 8.Dd2 Sc6 9.d5 Se7 10.g4 Sd7 11.Tg1 a5 12.0-0-0 Sc5 13.Sg3 Ld7 14.h4 a4 15.h5 Weiß steht schon im höheren Sinne auf Gewinn. Der Angriff von Menchik rollt, während Schwarz am Damenflügel zu lange benötigt, um Gegenchancen zu erhalten. 15...Db8 16.Lh6 Da7 17.Lxg7 Kxg7 18.Sf5+! Sxf5 [18...gxf5 19.Dg5+ Kh8 20.Df6+ Kg8 21.h6 führt zum Matt.] 19.gxf5 a3?! [19...Tg8 verzögert die Niederlage lediglich. 20.hxg6 hxg6 21.Dg5 Kf8 22.Df6 a3 23.b4 Sb3+ 24.Kb1 Sd4 25.fxg6 Tg7 26.Td2 Le8 27.Th2 nebst baldigem Matt.] 20.f6+! Kh8 [20...Kxf6 21.Dg5+ Kg7 22.h6+ Kg8 23.Df6 ] 21.Dh6 axb2+ 22.Kb1 Tg8 23.hxg6 fxg6 Diagramm 24.Dxh7+! [24.Dxh7+ Kxh7 25.Th1+ Lh3 26.Txh3# ] 1-0

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