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"Schach muss sexy werden"

Damen-Turniere erleben einen regelrechten Boom

von FM Hartmut Metz, 11. September 2004

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Judit Polgar

Judit Polgar

 

   Während den weltbesten Schachspielern nur noch wenige Top-Turniere verbleiben, bei denen sie ihr Können beweisen können, blüht Damen-Schach derzeit regelrecht auf. Fast wie Pilze schießen Wettbewerbe für die Spitzenspielerinnen aus dem Boden. Die Gründe liegen auf der Hand: Zum einen sind die Großmeisterinnen finanziell weit genügsamer. Ihre Saläre betragen oft nur ein paar hundert Euro, bei Bundesliga-Einsätzen sind sie damit schon sehr gut bezahlt. Allein Judit Polgar, die vor einem Monat Mutter eines Sohnes wurde, kann fünfstellige Honorare verlangen. Die überragende Ungarin spielt allerdings nur gegen Männer, in deren Weltrangliste die 28-Jährige Platz acht einnimmt.

 

Antoaneta Stefanowa   Carmen Kass

Antoaneta Stefanowa

Carmen Kass

 

   Weltmeisterin Antoaneta Stefanowa verkörpert den zweiten Grund, warum Organisatoren neuerdings zu Frauenturnieren bitten: Die 25- Jährige ist hübsch. Zusammen mit dem estnischen Top-Model Carmen Kass sorgte die Bulgarin bei den Chess Classic Mainz für Aufsehen, vor ein paar Tagen gewann Stefanowa sogar in Marokko ein Herrenturnier. An Einladungen mangelt es ihr nicht, seit sie Weltmeisterin ist.

 

Alexandra Kostenjuk

Alexandra Kostenjuk

 

   Von Beginn ihrer Karriere an setzte Alexandra Kostenjuk auf die Karte "Aussehen". Die Russin spielte sogar in einem Film mit und hat Werbeverträge. Momentan steht die Europameisterin, die beim SC Baden-Oos anheuerte, auf Platz vier der Weltrangliste. Ihre Mannschaftskameradin beim deutschen Meister, Almira Skriptschenko, zählt ebenfalls zu den Stammgästen der Elitewettbewerbe. Die französische Meisterschaft gewann die in Paris lebende gebürtige Moldawierin erwartungsgemäß, zuvor hatte die 28-Jährige auch beim Nord-Ural-Cup in Krasnoturinsk den Platz an der Sonne belegt.

 

Natalia Schukowa

Natalia Schukowa

 

   Dort mit von der Partie war eine weitere Vertreterin, der "neuen Schule", die Ukrainerin Natalia Schukowa. Auf Einladungen muss momentan lediglich noch Maria Manakowa warten. Die Russin sorgte mit Nacktfotos in einem russischen Magazin für Aufsehen und forderte unverblümt: "Schach muss sexy werden." Dahin scheint sich das königliche Spiel jetzt zu bewegen. Auch wenn die für Serbien spielende 30-jährige Manakowa nicht die spielerische Klasse der anderen genannten Großmeisterinnen hat, dürfte sie alsbald auch häufiger bei den großen Turnieren zu bewundern sein.

   Bleibt noch der dritte Grund für das Hoch im Frauen-Schach: Die Damen begehen zwar mehr Fehler auf den 64 Feldern - die Partien verlaufen aber deshalb viel spannender. Offener Schlagabtausch statt steriles Remis wie bei vielen Herrenturnieren lautet das Motto. Ein Beispiel aus Krasnoturinsk, wo die US-Amerikanerin Irina Krush Stefanowa schlug.

 










Krush,I (2459) - Stefanowa,A (2527) [D11]
Nord-Ural Cup Krasnoturinsk (9), 01.08.2004

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.e3 Lg4 5.Db3 Dc7 6.Se5 Le6 7.Sc3 Sbd7 8.Sxd7!N Eine Neuerung. Andere Fortsetzungen brachten Weiß bisher keinen Vorteil. 8...Dxd7 9.cxd5 Sxd5 10.e4 Sxc3 11.Dxc3 f5!? Ein interessanter Versuch, um die Entwicklungsprobleme zu lösen. Ein natürlich anmutender Zug wie [ 11...g6 scheitert an 12.d5 und sowohl der Läufer auf e6 wie der Turm auf h8 hängen.] 12.f3 Lf7 13.Lc4 Lxc4 14.Dxc4 fxe4 15.fxe4 Td8 Der irische Großmeister Alexander Baburin empfiehlt stattdessen [ 15...0-0-0 16.Le3 e6 17.0-0 Ld6 18.d5! exd5 19.exd5 De8! 20.Lxa7 De5 21.g3 Dxd5 22.Dxd5 cxd5 23.Tac1+ Lc7 24.Lb6 Td7 25.Tc5!? ( 25.Txc7+ Txc7 26.Lxc7 Kxc7 27.Tf7+ Kc6 28.Txg7 d4 29.Kf2 Te8!= sollte zum Remis reichen.) 25...Kb8 26.Lxc7+ Txc7 27.Txd5 Aber auch hier besitzt Weiß einen Mehrbauern.] 16.Le3 Dg4 17.Dc2 [ 17.0-0?! Dxe4 18.Df7+ Kd7 gibt ohne Not einen Bauern für ein "lumpiges" Schach.] 17...e5 18.0-0! Jetzt erweist sich das Bauernopfer als stark. 18...exd4 19.Dc4 19...Dd7? [ Durch 19...Le7! 20.Lxd4 Td6! 21.Df7+ Kd8 22.Lc5 Tf8 23.Db3 Txf1+ 24.Txf1 Td7 25.Dg8+ Kc7 26.Lxa7 Td8 27.Db3 Td2 erhält Schwarz Gegenspiel, das zum Remis ausreichen könnte, auch wenn Weiß nach 28.Lf2 Lc5 29.h3 Dg5 30.Df7+ Kb8 31.b4 Lxf2+ 32.Txf2 Txf2 33.Dxf2 De5 seinen Mehrbauern ins Damenendspiel rettet.] 20.Lg5! Tc8 [ 20...Le7 scheitert nun am einzügigen Matt 21.Df7# ] 21.Tf5 Ld6 22.Taf1 b5 [ Schwarz steht auf verlorenem Posten, da der zweite Turm nicht ins Spiel kommt: 22...Tf8? 23.Txf8+ Lxf8 24.Dg8 ] 23.Db3 h6 24.Lh4 g5 25.Tf7 gxh4 Ein Verzweiflungsopfer, das den weißen Angriff aber auch nicht stoppen kann. [ 25...Le7 26.Th7! Tf8 ( 26...Txh7 27.Dg8+ Lf8 28.Dxf8# ) 27.Txf8+ Kxf8 28.Df7# ] 26.Txd7 Kxd7 27.Tf7+ Le7 28.Db4 c5 29.Dxb5+ Kd8 30.e5 Te8 31.e6 Tc7 Erlaubt ein herrliches Mattfinale in drei Zügen. 32.Db8+ Tc8 33.Dd6+! [ 33.Dd6+ Lxd6 34.Td7# ] 1-0

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