"Unheilbarer Geschmack für das Bizarre"Triumph der hypermodernen Schule vor 75 Jahren in Karlsbadvon FM Hartmut Metz, 4. September 2004 |
Unterhaltung, Schach, Bäder - im vorigen Jahrhundert, vor allem in den goldenen 20ern, organisierte jeder Kurort, der etwas auf sich hielt, ein Turnier. Ob im englischen Seebad Hastings, Marienbad, Baden-Baden mit dem legendären Wettbewerb 1925 oder Karlsbad - die Turniere waren gesellschaftliche Ereignisse. Im habsburgischen Karlsbad, dem heutigen tschechischen Karlovy Vary, wurde 1907 der Grundstein der Schach-Tradition gelegt. Akiba Rubinstein gewann vor Geza Maroczy. 1911 feierte Richard Teichmann seinen größten Erfolg vor Rubinstein und Carl Schlechter.
1923 teilten sich der spätere Weltmeister Alexander Aljechin, sein WM-Herausforderer Jefim Bogoljubow und wieder Maroczy den Sieg. Beim stärksten Turnier in Karlsbad, das vor 75 Jahren über die Bühne ging, triumphierte Aaron Nimzowitsch. Nach den Plätzen vier, fünf und sechs gewann der Stammgast im August 1929 das bedeutendste der Mammutturniere an der deutsch-tschechischen Grenze. Der gebürtige Rigaer hatte mit 15 Zählern aus 21 Partien die Nase vorn vor dem kubanischen Exweltmeister José Raoul Capablanca und Rudolf Spielmann (beide 14,5) sowie Rubinstein (13,5).
"Wir sehen nicht stinkende Tanks gegen Maulwürfe anwälzen, sondern singende Reiter zu offener Feldschlacht ziehen", schrieb der Wiener Hans Kmoch im Turnierbuch. Für Nimzowitsch war dies eine besondere Genugtuung: Nachdem er schon 1911 in Karlsbad nach eigener Anschauung gegen Salwe die erste "hypermoderne Partie" der Schach-Geschichte gespielt hatte, sah der Däne endgültig "Mein System" bestätigt. In diesem Buchtitel und in "Die Praxis meines Systems" postulierte Nimzowitsch die Beherrschung des Zentrums nicht durch Bauern, sondern durch Figuren. Dem Vorkämpfer der "hypermodernen Schule" im Schach bescheinigte Rivale Spielmann "einen unheilbaren Geschmack für das Bizarre". Nimzowitsch war bei seinen Kollegen nicht sonderlich beliebt, die ihn zu arrogant, griesgrämig, eingebildet und misstrauisch fanden.
In der nachstehenden Partie bezwang Nimzowitsch Vera Menchik, die einzige Frau, die vor dem Zweiten Weltkrieg mit den Männern mithalten konnte. Allerdings wurde sie in Karlsbad mit drei Punkten abgeschlagen Letzte.
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Nimzowitsch,A - Menchik,V [C02]
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