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Ruiniert Einstein den Denksport?

Peter Leko qualifiziert sich für WM-Kampf gegen Wladimir Kramnik

von Hartmut Metz, 27. Juli 2002

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   Peter Leko hat mit seinem 2,5:1,5-Sieg über Weselin Topalow seinen bisher größten Erfolg im Kampf um die Schach-Weltmeisterschaft gefeiert. Bei der WM-Qualifikation in Dortmund lief der als Remiskönig verschrieene Ungar nach missglücktem Vorrunden-Start mit drei Unentschieden und einer Niederlage zu Glanzform auf. Phänomenale sechs Siege und ein Remis verbuchte der 22-Jährige in Folge, ehe er nach der 2:0-Führung im Finale "Nervenflattern" bekam und die dritte Partie verlor. Eine Punkteteilung im entscheidenden vierten Duell bescherte Leko dann aber doch noch den ersehnten WM-Kampf gegen Wladimir Kramnik.

   Topalow schien von der ersten Begegnung an blendend aufgelegt. Mit 4:2 Punkten marschierte der Bulgare problemlos durch Gruppe 1 und ging auch gegen Jewgeni Barejew mit 1:0 in Führung. Doch der Russe drehte mit zwei Erfolgen den Spieß um - was aber den Weltranglistensechsten nicht sonderlich beeindruckte. Eiskalt glich Topalow zum 2:2 aus und machte im Schnellschach-Tiebreak nach einem Remis in der spektakulären zweiten Begegnung (siehe unten) kurzen Prozess. Erst Leko stoppte den favorisierten Weltranglistenfünften.

   Ob Leko mehr als die 100.000 Euro Preisgeld bei den Schachtagen in der Westfalen-Metropole einheimsen wird, steht in den Sternen. Der vor einem Vierteljahr in Prag geschmiedete WM-Vereinigungsplan sah vor, dass der Gewinner von Dortmund um eine Million Dollar gegen Kramnik antritt. Gleichzeitig wurde Garri Kasparow, der sich vor neun Jahren mit dem Weltverband FIDE überworfen und seinen WM-Titel bis zur Niederlage 2000 gegen Kramnik selbst vermarktet hatte, befriedet. Der Weltranglistenerste aus Russland will sich am vermeintlichen Bauernopfer, dem frisch gebackenen 18-jährigen FIDE-Weltmeister Ruslan Ponomarjow, gütlich tun. Die Sieger beider Duelle sollten dann den wieder einzigen Schach-Champion ausspielen.

   Auf dem Weg, die Verhältnisse wie im Boxen zu beseitigen, türmen sich allerdings Hindernisse auf. Der selbstherrliche FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow, seines Zeichens auch Präsident von Kalmückien, will inzwischen Ponomarjow, Kasparow und Kramnik möglichst rasch den Weltmeister ermitteln lassen. Leko muss aber auch aus einem zweiten Grund um das Finale der so genannten Einstein-WM im nächsten Frühjahr bangen. Die Einstein Group, die die Titelrechte besitzt, ist finanziell klamm. Die syrische Milliardärs-Witwe Nahed Ojjeh - ihr Ehemann Akram Ojjeh verdiente einen Teil seines Vermögens mit Waffenhandel - rettete mit einer Spende von 300.000 Euro den Preisfonds bei den Schachtagen. Ohne eine weitere milde Gabe der 41-Jährigen aus Frankreich, die in Paris einen mit ihren Initialen versehenen eigenen Schachklub namens NAO sponsert, kommt es kaum zu einem hoch dotierten Einstein-Finale.

   Als die Aktien der Einstein Group auf 0,5 Pence sackten, war der Handel Anfang Juli in London sogar ausgesetzt worden. Das Unternehmen hatte mit dreimonatiger Verspätung einen Jahresverlust von rund 4,5 Millionen Pfund bekannt gegeben. Just als Toby Murcott, Chef der Einstein-TV-Sparte, zur Eröffnungszeremonie in Dortmund weilte, setzte der Handel mit den Aktien wieder ein. Auch wenn das Wertpapier sogleich auf 1,3 Pence "kletterte", klang die Ankündigung von Dr. Murcott vor dem Turnier mehr nach Ruin als nach Aufbruchstimmung: "Wohin Einstein auch geht, Schach geht mit." Andererseits haben es selbst die Egomanen Kasparow und Iljumschinow nicht geschafft, den Denksport vollends nach unten zu reißen.

 










W: Topalow S: Barejew

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 dxe4 5.Sxe4 Sbd7 6.Sf3 Le7 7.Sxf6+ Lxf6 8.h4 Erstaunlicherweise zog Topalow im Schnell-, Blitz- und Blindschach den Bauern nach h4 vor - nie aber in einer Turnierpartie mit normaler Bedenkzeit! 8...c5 9.Dd2 cxd4 10.Sxd4 h6 [Alexej Schirow und Loek van Wely, der in Dortmund für Topalow als Sekundant arbeitete, bevorzugten gegen den Bulgaren 10...0-0 11.0-0-0 h6 ] 11.Lxf6 Sxf6 12.Db4! Eine logische Neuerung. Weiß möchte verhindern, dass der schwarze König aus der Gefahrenzone rochiert. Bekannt war bisher [12.0-0-0 ] 12...Sd5 13.Da3 De7 14.Lb5+ Ld7 [14...Kf8 ist eine Alternative.] 15.Lxd7+ Kxd7?! [Ohne Not begibt sich der schwarze Monarch in stürmische See. Das Nehmen mit der Dame ist durchaus spielbar und führt zum Ausgleich: 15...Dxd7 16.0-0-0 De7 17.Da4+ Dd7! 18.Dxd7+ Kxd7 19.c4 Thc8! 20.b3 Ke7 ] 16.Da4+ Kc7 17.Th3! Der Turm kommt über die dritte Reihe gefährlich ins Spiel. 17...a6 [17...Db4+ 18.Tc3+! Kb8 (18...Kd8?! 19.Dxb4 Sxb4 20.Td1 ; 18...Kb6?! 19.Dxb4+ Sxb4 20.Tb3 ; 18...Kd6 19.Dxb4+ Sxb4 20.Td1 Sd5 21.Tb3 ) 19.Dxb4 Sxb4 20.a3 Sd5 21.Tg3 g6 22.Td1 ] 18.Tb3 Dc5 Schwarz kommt mit seinem König nicht so leicht aus der Gefahrenzone: [18...Thc8 19.0-0-0 Kd8? 20.Sf5 ; oder 18...Tac8 19.0-0-0 Kb8? 20.Sc6+ ] 19.0-0-0 b5? [19...Sb6! zwingt Weiß zu einer Erklärung. Entweder muss Topalow in einen Damentausch auf a3 oder b4 einwilligen oder mit 20.Sxe6+ fxe6 21.Df4+ e5 22.Df7+ Kb8 ein fragwürdiges Opfer wagen. Richtig geht es danach aber nicht weiter. 23.Tc3 (23.Tdd3 Ka7 24.Tdc3 Df8 25.De6 Dxf2 ) 23...Tf8 24.Dxg7 Dxf2 25.Tc7 Df4+ 26.Kb1 Ta7 ] 20.Da5+ Db6 21.De1 Kb7 22.De2 Ka7 23.Sxb5+! Zertrümmert radikal den Schutzschild vor dem König. 23...axb5 24.Txb5 Dc6 [24...Da6 25.Tdxd5! exd5 26.De3+ Db6 27.Dxb6# ; und 24...Dc7 25.Tdxd5! exd5 26.De3+ Ka6 27.Tb4! Da5 28.De2+ Ka7 29.De7+ Ka6 30.Db7# führen jeweils zum Matt.] 25.Tdxd5! exd5 26.De7+ Ka6 27.Tb3! Gegen Da3 matt ist nichts Vernünftiges zu finden. [27.Tb3 Db6 28.Txb6+ Kxb6 29.Dd6+ Ka7 30.Dxd5 ] 1-0

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