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Ponomarjow furcht- aber nicht humorlos

FIDE-Weltmeister schlägt sich wacker im "Wimbledon" des Schachs

von Hartmut Metz, 9. März 2002

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   Die ersten fünf Wochen als jüngster Schach-Weltmeister aller Zeiten verliefen turbulent für Ruslan Ponomarjow. Kaum hatte der 18-Jährige im WM-Finale des Weltverbandes FIDE seinen ukrainischen Landsmann Wassili Iwantschuk mit 4,5:2,5 geschlagen, begann der Ärger. Vor der WM in Moskau hatte Ponomarjow gerne für das Turnier im spanischen Linares zugesagt. Doch plötzlich sollte der Vertrag über die Teilnahme im "Wimbledon des Schach" nicht einmal mehr das Papier wert sein, auf dem er stand.

   Die Konkurrenz schüchterte den jungen Burschen aus Kramatorsk schnell ein. Dass das gelang, mag an den FIDE-Oberen gelegen haben, die plötzlich vorsichtig wurden und fürchteten, der frische Lorbeer des neuen Weltmeisters könne in Linares rasch welken. Eine angedrohte Schadensersatzklage in Millionen-Höhe und die Garantie auf einen weiteren Einsatz im nächsten Jahr brachten Ponomarjow aber zur Räson. Wacker, wie ausgemacht, flog er gen Andalusien.

 

Ruslan Ponomarjow

Der neue Fide-Weltmeister: Ruslan Ponomarjow
 

   Schließlich ist Angst eher untypisch für den zähen Verteidiger. Das nehmen ihm die Widersacher allerdings auch übel - vor allem wenn sie dadurch den vermeintlich sicheren Gewinn gegen ihn verpassen. Selbst der sonst so beliebte, weil gutmütige Iwantschuk fing nach seiner unerwarteten Endspiel-Schlappe ob seiner verpassten Siegeschancen zu geifern an. Seine Niederlage sei ein "Mysterium" und Ponomarjow müsse vor allem zeitiges Aufgeben lernen! "Ruslan hat bisher noch kein Superturnier gespielt. Deshalb weiß er nicht, dass es sich nicht lohnt, hoffnungslose Stellungen zu verteidigen. Es ist besser aufzugeben und seine Nerven und Kräfte zu schonen", behauptete Iwantschuk und gedachte ihm diese Lektion in Linares persönlich einzubläuen.

   Vor dem Wettbewerb verschoss auch Garri Kasparow Giftpfeile. Der die Konkurrenz stets mit Argusaugen beobachtende Weltranglistenerste hatte gehöhnt, er wisse nicht einmal, wie dieser Schwächling, der nur von der kürzeren Bedenkzeitregelung bei der FIDE-WM und den schwachen Nerven Iwantschuks profitiert habe, in natura aussehe. Bei der Eröffnungsfeier in Linares setzte der russische Ex-Weltmeister seine Psychotricks fort und würdigte den direkt neben ihm sitzenden Ponomarjow keines Blickes.

   Gleich in der ersten Runde traf er wieder auf Iwantschuk - und schlug seinen ukrainischen Landsmann erneut. Nach acht der zwölf Partien lag Ponomarjow allen Unkenrufen zum Trotz mit 4,5:3,5 nur hinter Tabellenführer Kasparow (4,5:2,5 Punkte). Inzwischen weiß auch dieser ziemlich genau, wie der Ukrainer, der ihn als jüngster Schach-Weltmeister aller Zeiten abgelöst hatte, aussieht: Im direkten Vergleich saßen sich die beiden Großmeister über vier Stunden gegenüber. Mutig versuchte Ponomarjow, seinen leichten Vorteil in einen ganzen Zähler umzumünzen. Das ging schief, allerdings nicht so schief, dass der 18-Jährige das Remis aus der Hand gab. Missmutig zog Kasparow im 43. Zug die Augenbrauen nach oben, ehe er im Zug darauf das Unentschieden vorschlug.

   Selbst bei seiner einzigen Niederlage gegen Michael Adams lernte Ponomarjow nicht das Aufgeben. Stattdessen platzierte der FIDE-Weltmeister seinen Turm nach sechseinhalbstündigem Kampf absichtlich dermaßen ungeschickt, dass sein König in einem Zug matt zu setzen war. Angesichts solcher Selbstironie, die einem Kasparow völlig fremd ist, konnte sich der Engländer ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen, ehe er zur Tat schritt und die Partie mit dem humorvollen Matt beendete.

 










W: Adams S: Ponomarjow

 

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 d6 8.c3 0-0 9.h3 Te8 10.d4 Lb7 11.Sbd2 Lf8 12.d5 Sb8 13.Sf1 Sbd7 14.S3h2 Sc5 15.Lc2 c6 16.b4 Scd7 17.dxc6 Lxc6 18.Lg5 h6 19.Lxf6 Sxf6 20.Sg4 Sxg4 21.Dxg4 d5 22.exd5 Dxd5 23.Lb3 Dd8 24.Dh5 Ta7 25.Txe5 Txe5 26.Dxe5 Dg5 27.Dxg5 hxg5 28.Se3 g6 29.Td1 Tc7 30.Kf1 Kg7 31.Ke2 Le7 32.Ld5 Ld7 33.Td3 Lf6 34.c4 bxc4 35.Lxc4 Lc8 36.a3 Lb2 37.Kd2 f5 38.Kc2 Lxa3 39.Txa3 f4 40.Kb3 fxe3 41.fxe3 Te7 42.Ka4 Te5 43.Td3 Lf5 44.Td2 Txe3 45.Lxa6 Le4 46.Tf2 Kh6 47.Lf1 g4 48.hxg4 Te1 49.Le2 Ta1+ 50.Kb3 Tb1+ 51.Kc3 Tc1+ 52.Kd4 Lb7 53.Lf3 La6 54.Tb2 Lb5 55.Le2 Lc6 56.Lf3 Lb5 57.Le2 Lc6 58.La6 Tg1 59.b5 Lxg2 60.b6 Kg5 61.Lc8 Kf4 62.Kc5 Le4 63.Tb4 Ke5 64.b7 Tc1+ 65.Kb5 Lxb7 66.Lxb7 Kf6 67.Tc4 Tb1+ 68.Kc6 Kg5 69.Lc8 Td1 70.Ld7 Kh4 71.Kc7 Td2 72.Kd8 Te2 73.Tc6 g5 74.Lf5 Te3 75.Te6 Tg3 76.Th6# 1-0

 

   Einmal mehr in Topform zeigte sich Kasparow, der in Runde acht dem 19-jährigen Francisco Vallejo Pons die erste Niederlage beibrachte.

 










W: Kasparow S: Vallejo Pons

 

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.c4 Sf6 6.Sc3 Dc7 7.a3 b6 8.Le3 Lb7 9.f3 Sc6 10.Le2 Tb8 11.b4 Le7 12.0-0 0-0 13.Tc1 Se5 14.f4 Sg6 15.Ld3 La8 16.De2 Kh8 17.e5 Sg8 18.Dh5 a5 19.Sdb5 Dc6 20.Tc2 axb4 21.axb4 Lxb4 22.Se4 f5 23.Sg5 Sh6 24.Kh1 Lc5 25.Lc1 Dc8 26.h3 Kg8 27.Kh2 Se7 28.Sd6 Lxd6 29.exd6 Sc6 30.Lb2 Sb4 31.Td2 b5 32.Tc1 De8 33.De2 Sxd3 34.Txd3 Sf7 35.Tg3 Sxg5 36.Txg5 Tf7 37.De5 Df8 38.cxb5 h6 39.Tg3 Kh7 40.Ld4 Ld5 41.b6 Tf6 42.Tcc3 Tf7 43.Tc7 Le4 44.Tb3 Ld5 45.Tb5 Lb7 46.Ta5 Dd8 47.Ta7 Le4 48.Dxe6! Dh4 Oder 48...dxe6 49.Txf7 Kg8 50.Txg7+ Kf8 51.Taf7+ Ke8 52.Lc5 und das Matt in spätestens fünf Zügen ist nicht mehr zu verhindern. Ein schnelleres Beispiel ist 52...Txb6 53.d7+ Dxd7 54.Tf8# 49.Dxf7 Dxf4+ 50.Kg1 1-0

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