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Kommunistisches Herz für Profis

Trotzdem "nur" 678 Spieler beim Kult-Open in Cappelle la Grande

von Hartmut Metz, 2. März 2002

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   Das Turnier in Cappelle la Grande ist das größte Open der Welt. Im Februar pilgern die Schachspieler allzu gerne an die französische Atlantikküste, wo der kommunistische Bürgermeister der 9 000-Seelen-Gemeinde die Anhänger des königlichen Spiels nach Leibeskräften unterstützt. Vor allem die Profis aus der zweiten Reihe dürfen sich dort noch besonderer Wertschätzung erfreuen, kassieren sie doch in der Normandie weiter ein kleines Startgeld. Bei anderen Open ist es mittlerweile längst Usus, dem Gros der Titelträger nur Kost und Logis zu offerieren.

   Erstmals ging trotzdem die Zahl der Teilnehmer in Cappelle la Grande zurück. Bei der 18. Auflage kamen "nur" 678 Spieler aus 56 Nationen, darunter 66 Großmeister und 70 Internationale Meister. Dabei setzte sich der Litauer Eduardas Rozentalis durch, der als einziger Akteur auf 7,5:1,5 Punkte kam. Im Pulk der elf Verfolger mit 7:2 Zählern finden sich auch der Erfurter Nationalspieler Thomas Luther und das Kölner Talent Jan Sprenger.

   Für den Rückgang bei dem Kult-Open in der Nähe von Dünkirchen sorgten zwei weitere Turniere, die sich im Februar mit Cappelle la Grande überschnitten: Beim Aeroflot Open in Moskau ging es weniger kommunistisch zu, mehr kapitalistisch. Die Großmeister mussten sich selbst versorgen - dafür lockten beachtliche 150 000 Dollar Preisgeld. Nach Wertung setzte sich Gregory Kaidanow - in die USA emigrierter Sowjet - vor Alexander Grischuk (Russland), dem Bulgaren Aleksej Aleksandrow, dem ebenfalls in die USA ausgewanderten Alexander Schabalow und dem Schweizer Vadim Milov durch. Angesichts des hochkarätigen Feldes genügten dem Quintett 6,5:2,5 Punkte zum in fünfstelliger Höhe dotierten Spitzenplatz.

   Drittes Topturnier im Bunde mit mehreren Dutzend Großmeistern am Start war das Open in Saint Vincent. Beim Abschluss des Europa-Grand-Prix im Aostatal hatten Wladimir Malachow, Wladimir Epischin (beide Russland), Sergej Tiwjakow (Niederlande) und Andrej Wolotkin - das neue 15-jährige Supertalent aus der Ukraine - mit 7:2 Punkten die Nase vorne. Nur auf sechs Zähler und Platz 19 kam der Kroate Ognjen Cvitan. Der originelle Angriffsspieler spielte jedoch zwei glanzvolle Partien, die nachstehend präsentiert werden.

 










W: Cvitan S: Estrada Nieto

 

1.c4 e5 2.g3 c6 3.d4 Lb4+ 4.Ld2 Lxd2+ 5.Dxd2 d6 6.Sc3 Sf6 7.Lg2 0-0 8.e3 De7 9.Sge2 e4?! Meist wird 9...Sa6 gespielt, um abzuwarten, ob Weiß auch tatsächlich kurz rochiert. Nach der Abriegelung im Zentrum mit e4 kann es sich der Anziehende anders überlegen, lang rochieren und am Königsflügel angreifen. 10.h3 h5 11.g4! hxg4 12.0-0-0 Sa6 13.Sg3 d5 14.cxd5 cxd5 15.Kb1 g6?! Ruslan Scherbakow schlägt in seiner Analyse für die Internet-Zeitschrift "Chess Today" 15...b5 vor, um ohne Rücksicht auf Verluste am Damenflügel Gegenspiel zu erlangen, oder wenigstens mit 15...Td8 Platz für den König auf f8 zu schaffen. 16.hxg4 Lxg4 17.f3!! Ein brillanter Zug, hinter dem eine tiefgründige Idee steckt.  17...exf3 18.Lxf3!! Opfert den Läufer und bietet auch damit gleichzeitig einen Turm zum Fraße an. 18...Lxf3 19.Dh2 Offenbart den weißen Hintergedanken: Mit Tempo räumte Cvitan die zweite Reihe, damit die Dame von h2 aus für einen tückischen Mattangriff sorgt.  19...Sh5 20.Sxh5 Tfd8 Nun scheitert 20...Lxh5 21.Dxh5 gxh5 22.Tdg1+ Kh7 23.Txh5# 21.Sf4 Lxh1 22.Txh1 Df6 Pariert das Matt, dafür fällt nun die weiße Kavallerie über Estrada Nieto her. 23.Scxd5 Dg7 24.Se7+ Kf8 25.Sexg6+! Ke8 [25...fxg6? 26.Se6+ kostet die Dame. 26.Se5 Df6 27.a3 Ke7 28.Dg2 Tab8 29.Tf1 Weiß hat es gar nicht nötig, seinen gefährlichen Springer für einen Turm nach 29.Sd5+ einzutauschen. 29...Df5+ 30.Ka1 Tg8 31.Sd5+ Ke6 32.Txf5! Txg2 33.e4 Ergibt ein weiteres herrliches Stellungsbild. Schwarz kann das Matt durch Tf6 nicht mehr vernünftig decken 33...Tg1+ 34.Ka2 Tg6 35.Sf4+ 1-0 wegen: 35.Sf4+ Ke7 36.Txf7+ Ke8 37.Sfxg6.

 

   Noch ohne Kommentar eine zweite Meisterleistung Cvitans gegen den Niederländer Danny de Vreugt.

 










W: Cvitan S: De Vreugt

 

1.c4 c6 2.e4 d5 3.exd5 cxd5 4.cxd5 Sf6 5.Sc3 Sxd5 6.Sf3 Sc6 7.Lb5 e6 8.0-0 Sxc3?! 9.bxc3 Dc7?! 10.d4 Le7 11.Te1 0-0 12.Ld3 b6 13.h4! Lb7 14.Sg5 g6 15.h5 Lf6 16.Dg4 Lxg5 17.Lxg5 f5 18.Dh4 Sd8 19.Te3! Dxc3 20.hxg6!! Dxa1+ 21.Kh2 Tf7 22.gxf7+ 1-0

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