Nicht wie ein Elefant ertrinkenDurmersheimer Hubert Weßbecher ist Deutschlands zweiter freiberuflicher Schachlehrervon Hartmut Metz, 23. Februar 2002 |
Schach ist ein See, in dem eine Mücke baden und ein Elefant ertrinken kann", behauptet ein indisches Sprichwort. Im Spiel auf den 64 Feldern zu ertrinken, das kann sich Hubert Weßbecher vielleicht vorstellen. Im richtigen Leben aber wollte der Vermessungsingenieur das auf keinen Fall. Um der Arbeitslosigkeit zu entrinnen, ulkt der Durmersheimer Verbandsligaspieler, sei er nun "Deutschlands schlechtester Schachprofi".
Dass auch ein Akademiker nicht gegen die Malaise in der Baubranche gefeit ist, musste der Vermessungsingenieur vor rund eineinhalb Jahren erkennen. Weil kaum Besserung in Sicht war, machte Weßbecher sein Hobby zum Beruf: selbständiger Schachlehrer. Dieses Beispiel exerzierte ihm der Dortmunder Babak Sohraby vor. Der Exil-Iraner war 1991 aus politischen Gründen aus seiner Heimat geflüchtet und lernte als erstes deutsches Wort "Schach" kennen - ausgerechnet das traditionsreiche Spiel, das bis vor kurzem bei den Ayatollahs verpönt war, obwohl es seinen Ursprung in Persien hat.
Sohraby wurde Deutschlands erster freiberuflicher Schachlehrer und unterrichtet zur Freude zahlreicher Kinder an über einem Dutzend Schulen. Die Nummer zwei in dem Gewerbe - Großmeister, die Nachwuchsspieler nebenher betreuen, nicht eingerechnet - startet ähnlich viel versprechend. Sein Angebot in Karlsruhe (Friedrich-Ebert- und Weinbrennerschule), Durmersheim (Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium, Hardt- und Friedrichschule) und Baden-Baden (Grundschulen in Lichtental, Neuweier, Steinbach, Gymnasium Hohenbaden und Markgraf-Ludwig-Gymnasium) lässt sich von den Voranmeldungen her mit bis zu vier Kursen an der Karlsruher Hebelschule sehr gut an.
Hubert Weßbecher bei seinem Schach-Kurs an der Grundschule Steinbach
Reich wird der diplomierte Trainer des Badischen Schachverbandes aber sicher nicht damit. 62 Euro kostet im Schulhalbjahr die Teilnahme pro Nase. Macht rund drei Euro pro Unterrichtseinheit. Recht günstig, sind doch Lehrmaterialien, Urkunden und Pokale für Turniere in dem Preis enthalten. Das geht nur, weil das Karpow-Schachzentrum den 46-Jährigen mit Spiel- und Unterrichtsmaterial unterstützt. Wolfgang Grenke, der die Initiative Schulschach Baden-Baden 1998 ins Leben gerufen hatte und seitdem mit seiner Grenke Leasing AG sponsert, erhofft sich durch den professionellen Schachlehrer künftig "mehr Kontinuität".
Viele junge AG-Leiter unterrichteten nur ein Jahr, weil sie danach zu studieren anfingen und wegzogen. Dabei herrschte durchaus Bedarf, wie alleine bis zu 200 Schachschüler in Baden-Baden belegten. Warum sollten die Kinder Weßbechers Schachkurse besuchen? Goethe befand einst schlicht, "Schach ist ein Probierstein des Gehirns". Weßbecher verweist umfassender auf psychologische und pädagogische Gutachten: "Die Konzentrationsfähigkeit erhöht sich deutlich. Logisches wie mathematische Denkvermögen wird spielerisch gefördert. Zudem entwickeln die Kinder selbständige Problemlösungsstrategien und das Spiel regt zum selbstkritischen Überdenken eigener Fehler an."
Dass seine neue berufliche Ausrichtung kein eigener Fehler ist, das wünscht sich Weßbecher natürlich selbst. Angesichts der soeben erwähnten Vorzüge des analytischen Schachspieler-Denkens müsste er es ohnehin irgendwann merken. Die eigene Bilanz im professionellen Umgang mit König, Dame und Springer will er übernächstes Jahr ziehen. "Bis 2004 verdiene ich vielleicht so viel, dass ich davon leben kann", hofft der Karlsruher.
Weßbecher ist nicht nur wegen seines Trainerscheins ein geeigneter Coach für die Kinder. Der 46-Jährige gilt als einfallsreicher wie starker Spieler. In rund drei Jahrzehnten feierte er mit dem Schachklub aus Durmersheim manchen Erfolg. Heuer sieht es allerdings weniger erbaulich für den Verein aus, droht ihm doch ebenso wie dem Bezirksrivalen Lichtental der Abstieg aus der Verbandsliga. Nachstehend eine hübsche Partie Weßbechers aus dem Durmersheimer Aufstiegsjahr in der Landesliga, in dem der ehemalige Vermessungsingenieur das Gernsbacher Talent Sven Lehmann in Schach hielt.
Schachlektüre
Valeri Bronznik, "Die Tschigorin-Verteidigung", Schachverlag Kania, 22,50 Euro.
Für Liebhaber von ungewöhnlichen Eröffnungsideen ist die Tschigorin-Verteidigung, die nach den Zügen 1.d4 d5 2.c4 Sc6 entsteht, eine Überraschungswaffe. Ja, sogar Weltklassespieler wie Alexander Morosewitsch bedienen sich der Verteidigung, die der erste große russische Spieler, Michail Tschigorin, im 19. Jahrhundert in die Praxis einführte. Das Werk bietet gute Anmerkungen und ist auf den über 300 Seiten sehr gefällig layoutet.
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