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Der Schreckliche ermüdet nicht

70-jähriger Viktor Kortschnoi gewinnt das Topturnier in Biel

von Hartmut Metz, 18. August 2001

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   „Ich war eigentlich nur darauf bedacht, meinen Weltranglistenplatz zu konsolidieren", bekannte Viktor Kortschnoi. Der 70-Jährige fiel im Juli mit 2 617 Elo-Punkten auf Rang 69 zurück. Damit bleibt der Schweizer zwar mit weitem Abstand der beste Senior rund um den Globus - aber „Viktor den Schrecklichen" stellt das natürlich nicht zufrieden. Objektiv betrachtet durfte sich der dreimalige Vizeweltmeister beim Topturnier in Biel, das mit einem Durchschnitt der sechs Teilnehmern von 2 648 Elo die Kategorie 17 aufwies, nicht einmal 50 Prozent der Punkte erhoffen.

Viktor Kortschnoi

Viktor Kortschnoi, der rüstige Schach-Opa, hält mit der heutigen Jugend noch sehr gut mit

 

   Doch Objektivität ist ohnehin Kortschnois Sache nicht. Entsprechend kampfeslüstern zog der Wohlener in die Schlacht - und gewann den Wettbewerb sensationell mit 6:4 Punkten. Der neue Baden-Ooser Spitzenspieler Peter Swidler hielt noch am ehesten Schritt und belegte mit einem halben Zähler dahinter Platz zwei. Dritter wurde Boris Gelfand (5) vor den punktgleichen Yannick Pelletier, Joel Lautier und Alexander Grischuk (alle 4,5). Den 53 Jahre jüngeren WM-Halbfinalisten wies Kortschnoi souverän in die Schranken. Nachstehend die Partie, in der der Opa des Schachs einem seiner Enkel eine Lektion erteilt.

 










W: Kortschnoi S: Grischuk



1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 c6 4.e3 f5 5.Ld3 Sf6 6.0-0 Ld6 7.b3 De7 8.Lb2 b6 9.Dc1 Lb7 10.La3
Die unangenehmste Fortsetzung für Schwarz. Weiß tauscht die schwarzfeldrigen Läufer, so dass dem Nachziehenden wenige aktive Pläne zur Verfügung stehen. Kortschnoi verfügt danach über ein kleines, aber dauerhaftes Plus. 10...Sbd7?! Eine kleine Ungenauigkeit. Eventuell steht der Springer später besser auf c6, weshalb sich Schwarz diese Option offen halten sollte und besser die kleine Rochade spielt. In Betracht kommt laut Ruslan Scherbakow, der die Partie in der täglich erscheinenden Internet-Zeitschrift „Chess Today" kommentierte, auch Lxa3. Das Endspiel sei etwas schlechter, aber haltbar für Schwarz. 11.cxd5! cxd5 12.Lxd6 Dxd6 13.Sc3 a6 14.Db2 Wegen des durch die eigenen Bauern eingesperrten Läufers und der Schwäche des Feldes e5, steht Kortschnoi überlegen. 14...0-0 15.b4 Tac8 16.a4 Se4 17.Se2 De7 18.Tfc1 Sd6 19.b5! Damit schnürt der Anziehende den feindlichen Läufer ein. Außerdem kann Grischuk danach nicht mit b5 einen Springer auf c4 etablieren. 19...a5 20.Da3 Txc1+ [20...e5!? 21.dxe5 Sxe5 ist eine interessante Idee, um die Umklammerung zu lösen.] 21.Txc1 Tc8 22.Txc8+ Sxc8 23.Dc3 Dd6 24.Sf4 Se7 25.h4! Über den Umweg e8 könnte der schwarze Läufer mühsam nach h5 gelangen und dort belebt werden - aber auch das schließt Kortschnoi konsequent mit den nächsten Zügen aus. 25...Sf8 26.h5 Lc8 27.Se5 Ld7 28.f3 Le8 29.g4 Überdeckt h5 und verhindert den Ausbruch des Läufers, der eine zentrale Rolle in der weißen Strategie spielt. 29...g5?! Mit g6 konnte Grischuk versuchen, den Bauernwall des Gegners aufzubrechen. Nun sieht es ganz schlecht für ihn aus. 30.Se2 Sd7 31.Kg2 h6 32.Sg3 fxg4 33.fxg4 Sxe5 34.dxe5 Dc5 Auf den ersten Blick scheint die schwarze Dame das Brett zu dominieren. Jedoch mangelt es ihr an Unterstützung durch die beiden Leichtfiguren. Weder der Springer noch der Läufer gelangen vernünftig ins Spiel. 35.Dd2 Dc7 36.Db2 Kg7 37.Se2 Kg8 38.Kf2 Lf7 39.Dd4 Kg7 40.Dc3 Db8 [40...Dc5 ist jetzt ein Fehler, weil Kortschnoi diesmal abtauschen würde: 41.Dxc5 bxc5 42.b6 Sc6 43.b7 c4 44.Sd4! Sb8 45.Lc2 Kf8 46.e4 und das Zentrum wird aufgeknackt.] 41.Sd4 Dd8 42.Ke2 Lg8 43.Lb1 Kh8 44.Da3 Sc8 45.Lg6 Kg7 46.Lb1 Kh8 47.Dc1 Se7?! Das verliert sofort, indes verspricht 47...Sa7 48.Df1 Kg7 49.Sc6 Sxc6 50.bxc6 Lf7 51.Df6+ Dxf6 52.exf6+ Kxf6 53.c7 auch keine Rettung mehr. 48.Df1! Sc8 49.Sc6 Nach 49...Dd7 50.Df8 ist h6 nicht mehr zu überdecken. Eine starke Leistung von Kortschnoi! 1:0

 

   Vier Großmeister aus den Top 25 saßen in Biel am Brett, Kortschnoi war lediglich die Nummer fünf der Setzliste - und siegte trotzdem. „Ich werde weiter Schach spielen, so lange ich den Jungen meine Stärke beweisen kann", drohte der Ausnahmekönner und sieht seine Karriere noch lange nicht am Ende, „warum soll ich nicht sogar bis 80 spielen?" „Und mit 90 stellt er den Antrag, in Jugendturnieren mitspielen zu dürfen", scherzte ein Journalist, nachdem Kortschnoi einmal mehr Schach-Geschichte geschrieben hatte.


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