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Sarazene Buzecca beeindruckte schon 1265

Pillsbury Meister des Blindspiels

von Hartmut Metz, 21. April 2001

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   Schach ohne Ansicht des Brettes beeindruckt Gelegenheitsspieler besonders, plagen sie doch Orientierungsschwierigkeiten selbst bei Blickkontakt auf die 64 Felder. Die Gedächtnisleistung ist dabei weniger enorm, als sich der Amateur vorstellt. Der starke Spieler rekapituliert nicht Figur für Figur, wo die 32 Steine platziert sind. Mit so genannten „Chunks" erleichtert er sich die Aufgabe. Die Rochade-Stellung mit dem Turm auf f1, dem König auf g1 sowie Bauern auf f2, g2 und h2 fasst er zum Beispiel automatisch zusammen zu einer Art „Rochade-Bild". Ist die Situation auf gegnerischer Seite ähnlich, merkt man sich ein Drittel der Figuren ganz leicht. Hinzu kommen oft bestimmte Bauernformationen im Zentrum, die der gute Spieler ebenfalls einfach abspeichert.

   Ohne diese typischen Stellungsbilder fiele ihm allerdings eine Blindpartie ebenfalls sehr schwer. Bei ohne Sinn auf das Brett verteilten Figuren (zum Beispiel mit Bauern auf der ersten Reihe) prägt sich der Meister die Stellung kaum besser ein als ein Patzer.

   Von zwei gleichzeitig ausgetragenen Blindpartien künden Schriften, laut denen der Sarazene Buzecca im Jahre 1265 auf seiner Europa-Tournee die Florentiner erstaunte. Über ein halbes Jahrtausend später, 1783, tat es ihm der geniale Schachmeister wie Musiker Philidor gleich. Sein Freund Diderot bat ihn jedoch, für solcherlei nicht die Gesundheit zu riskieren. Eine Ansicht, die später in der Sowjetunion geteilt wurde. Weil Koryphäen wie Harry Pillsbury umnachtet starben, wurde das Blindspiel bei der Schach-Macht Nummer eins verboten. Pillsbury gab von 1898 bis 1904 40 Blindvorstellungen und gewann von den 666 Partien 456, bei 135 Remis und 75 Niederlagen. Bei seinem Weltrekord an 22 Brettern in Moskau (1902) siegte er in 17 Begegnungen und verlor nur eine!

   Rekordhalter ist der Ungar Janos Flesch, der 1960 an 52 Brettern gleichzeitig spielte, dabei aber 18 remisierte und drei Niederlagen kassierte. Höher ist deshalb Miguel Najdorfs Bestleistung in São Paulo einzuordnen, der 1947 von 45 Blindpartien 39 gewann, vier friedlich beendete und nur zwei verlor.

Wesselin Topalow

Wesselin Topalow

   Beim alljährlichen Amber-Turnier in Monaco tragen die Teilnehmer gegen jeden Kontrahenten eine Schnell- und Blindpartie aus. In Letzteren unterliefen den Großmeistern ungewohnt viele krasse Fehler. Sehenswert schlug hingegen Wesselin Topalow im Vergleich der beiden Turniersieger Wladimir Kramnik.









Stellung nach:

W: Topalow S: Kramnik

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 Le7 5.Lf4 0-0 6.e3 c5 7.dxc5 Lxc5 8.a3 Sc6 9.Dc2 Da5 10.Sd2 Lb4!? 11.cxd5 exd5 12.Ld3 d4 13.0-0 Lxc3 14.Sc4 Dh5 15.bxc3 Sd5 16.Lg3 dxe3 17.Tae1!? Eine überraschende Fortsetzung. 17...Le6 Auf das dubiose exf2+?! 18.Txf2 lässt sich Kramnik lieber nicht ein, da hernach Te4 nebst Th4 unangenehmen Druck auf h7 entfaltet. 18.fxe3 Tad8 19.Sd6 Se5 20.Lxh7+!? Die Neuerung. Viktor Kortschnoi versuchte 1999 in Zürich gegen Christopher Lutz 20.Sxb7 und erreichte nach Sxd3 21.Dxd3 Td7 22.Sd6 eine bessere Stellung. 20...Dxh7 21.Dxh7+ Kxh7 22.Lxe5 Der Mehrbauer ist noch nicht entscheidend, weil die weißen Bauerinseln Kramnik Kompensation versprechen. 22...f6?! Td7 wirkt im Nachhinein stärker, um auf den weißen Feldern Gegenspiel aufzuziehen. 23.e4! Die Pointe. 23...Sb6 24.Lg3 Sa4 25.e5 f5 Bei fxe5 26.Txf8 Txf8 27.Sxb7 wird Topalow all seine schwachen Bauern los. 26.Lh4 Td7 27.Te3 f4 15 Minuten investierte Kramnik in diesen Zug, was sicher Ausdruck seiner Unzufriedenheit mit der Stellung war. Als Alternative bot sich Tc7!? an. 28.Tef3 Ld5 29.Th3 Le6 30.Le7+! Lxh3 31.Lxf8 Le6 32.Se4 Kg8 33.Sg5 Kxf8 34.Sxe6+ Ke7 35.Sxf4 Td2 Sxc3? verliert wegen 36.Sg6+ Kd8 37.Tf8+ Kc7 38.e6. 36.Tf3 Sc5 37.h4 Se6 38.Kh2 Ta2 39.Sxe6 Kxe6 40.Tg3 Kf7 41.e6+ Kxe6 42.Txg7 Txa3 43.Txb7 Kf5 44.Tb5+ Kg4 45.Tb4+ Kh5 46.g3 Ta1 Txc3 47.Ta4 ist hoffnungslos, weil der a-Bauer blockiert wird. 47.Kh3 a5 48.g4+ Kh6 49.Tb6+ Kg7 50.h5 a4 51.Ta6 a3 52.Kh4 a2 53.Kg5 Kh7 54.Ta7+ Kg8 55.Kg6 Kf8 56.g5

1:0

Wassili Iwantschuk

Wassili Iwantschuk

   Abschließend noch eine herrliche Rettung, die Wassili Iwantschuk gegen Anatoli Karpow gelang.

 

W: Iwantschuk S: Karpow








53.h3-h4! Lxh4 Oder Kb6 54.Td5 Lxh4 55.Td6+ Kc5 56.Tg6 Lf6 57.Txf6! patt. 54.Ta7 Lf6 55.Ta6+ Kd5 56.Txf6! patt.


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