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Teufelswerk in Iran

Anand gewinnt spektakuläre vierte WM-Partie

von Hartmut Metz, 5. Januar 2001

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   Vor ein paar Monaten verbrannten islamische Fundamentalisten in Iran noch öffentlich Schachspiele. Nach der islamischen Revolution hatte Ayatollah Khomeini 1979 das königliche Spiel an seiner zweiten Geburtsstätte neben Indien verboten. Außer dass es zum Teufelswerk wie alle Glücksspiele erklärt wurde, störten sich die religiösen Eiferer gewiss auch an der Erinnerung an den zuvor vertriebenen Schah - obwohl das Ziel einer jeder Partie, das Schachmatt, „der König ist tot" bedeutet.

   1997 ließ der liberaler eingestellte Präsident Ayatollah Chatami den Denksport wieder zu. Bei der U12 stellt der Iran sogar mit einem Mädchen namens Atusapourkashi die amtierende Weltmeisterin. Dass Kirsan Iljumschinow das WM-Finale nach Persien vergab, sollte aber nicht nur dem Schach an seinem Ursprung helfen. Der Präsident des Weltverbandes FIDE verfolgte auch eigene politische Ziele damit. Das Oberhaupt Kalmückiens sucht die wirtschaftliche Annäherung. So soll vor allem künftig iranisches Öl über das Kaspische Meer gen Russland verschifft werden. Den dafür erforderlichen Hafen will Iljumschinow natürlich in Kalmückien bauen.

   In der dramatischen vierten Partie konterte Viswanathan Anand seinen Kontrahenten Alexej Schirow eiskalt aus. Der Inder sicherte sich durch das 3,5:0,5 vorzeitig den WM-Titel.

W: Anand S: Schirow









Stellung nach:

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.Sce2 c5 6.f4 Sc6 7.c3 Db6 8.Sf3 f6 9.a3 Le7 10.h4 0-0 11.Th3 a5 Schirow folgt einer Empfehlung von Jewgeni Barejew. Bei den Frankfurt Chess Classic hatte Schirow Sa5 (was Anand im soeben erschienenen Turnierbuch „Premiere der Top Ten" als Fehler brandmarkte) versucht und erlebte nach nur 28 Zügen Schiffbruch. 12.b3! Ein starker Zug, der die schwarzen Möglichkeiten am Damenflügel einschränkt. 12...Dc7 13.Seg1!? Feit sich mit dem ungewöhnlichen Springermanöver gegen ein Qualitätsopfer auf f3, nach dem Schwarz leichter das weiße Zentrum zerstören könnte. 13...a4 14.b4 Erzwingt die Klärung im Zentrum. 14...fxe5 15.fxe5 Sdxe5!? Schirow sieht sich zum Handeln gezwungen. Bliebe Weiß Zeit zur Entwicklung, laborierte das Spiel des Nachziehenden an eklatantem Raumnachteil. 16.dxe5 Sxe5 17.Sxe5 Dxe5+ 18.De2 Lxh4+! Gewinnt noch einen dritten Bauern für die Figur. 19.Kd1 19.Txh4 Dxc3+ nebst Dxa1 wäre höchst unerquicklich. 19...Df6? Damentausch ist besser. Einziges Problem: Nach Dxe2+ 20.Lxe2 Lf2 21.Le3 e5 22.Lxf2 Txf2 23.Tg3 ist die Stellung ungefähr ausgeglichen - doch bei zwei Punkten Rückstand half Schirow ein Remis wenig. Deshalb hielt er die Stellung kompliziert. 20.Sf3 Dxc3 Schlecht ist hingegen e5 wegen 21.Txh4 e4 22.Tf4 Dxc3 23.Txf8+ Kxf8 24.Sg5! Dxa1 25.Df2+ mit entscheidendem Angriff. 21.Lb2 Db3+ 22.Kc1! 22.Dc2? Le7 23.Ld3 g6 mit guten schwarzen Chancen. 22...e5 23.Txh4 Eine Alternative stellt 23.Sd2 dar, wonach Schirow zeigen muss, was er für das geopferte Material hat. 23...Lf5 24.Dd1! e4 De3+ 25.Dd2 ist schwächer. 25.Dxb3 axb3 26.Sd2 e3 27.Sf3 Bei 27.Sxb3 dringt der Turm nach Lg6 28.Le2 auf der zweiten Reihe ein und vertilgt den Bauern auf g2. Tae8 Der letzte Wendepunkt der Partie. An dieser Stelle hätte Schirow 27...Tac8 versuchen sollen, um auf der c-Linie zu drücken. 28.Kd1 c4 29.Le2 Le4 Der schwarzfeldrige Läufer des Anziehenden hält die bedrohlich wirkende Bauernschar sicher in Schach. 30.Kc1 Te6 31.Lc3 Tg6 32.Th2 Ld3 33.Lxd3 cxd3 34.Kb2 d2 35.Kxb3 Tg3 36.Kb2 g5 37.Kc2 Tc8 38.Kd3 g4 39.Le5! Tc1 40.Th1 Txg2 41.Sh4 Die Bauern fallen nun wie reife Früchte. Daher:

1:0

Schachlektüre

Arno Nickel/Stefan Löffler, „Schachkalender 2001",
Edition Marco, 18 Mark (mit Plastik-Schutzeinband 20 Mark)

   Seit Stefan Löffler für die Texte im „Schachkalender" verantwortlich ist, beinhaltet er exzellente exklusive Texte. Zum Beispiel über den einzigen türkischen Großmeister Suat Atalik. Anekdoten, kleine Kombinationen, die Geburtstage der Großen der Zunft (an jedem Tag sind zwei oder drei genannt) sowie allerlei Ranglisten runden das Angebot auf den 320 Seiten ab. Überflüssig sind nur die Bundesliga-Spieltage des vergangenen Jahres. Die könnte man getrost weglassen - außer der Schachkalender erschiene wie andere Publikationen dieser Art bereits im Herbst. Leider kam er auch diesmal erst drei Tage vor Weihnachten auf den Markt. Der einzige Mangel des sehr gelungenen Taschenkalenders.


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