Der Tiger schleicht um alle Fallen
Anand gewinnt als erster Weltmeister seit 1886 drei Partien in Folge/
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Der Hexer von Riga" brannte ein letztes Feuerwerk ab. Doch am Ende erstrahlte erneut nur Viswanathan Anand im Lichterglanz. Als erster Weltmeister seit Emanuel Lasker, der 1907 die letzten vier Partien gegen den US-Amerikaner Frank Marshall gewann, gelang dem Inder in einem Finale wieder ein "Hattrick" und sicherte sich mit dem 3,5:0,5 über Alexej Schirow (Spanien) vorzeitig in Teheran die höchste Krone. Der 31-Jährige ist der erste Asiate auf dem Thron des Schach-Weltverbandes FIDE und nach dem zweiten Weltkrieg der erst zweite Champion nach Bobby Fischer (1972), der nicht aus der Sowjetunion beziehungsweise Russland stammt.
Bei seiner Rückkehr am Freitag nach Neu Delhi erwarten den Tiger von Madras" zahlreiche Ehrungen: Seine Heimatstadt, die mittlerweile Chennai heißt, versprach ihm eine große Parade. Nach dem Gewinn des Grand Slams" 2000 mit Siegen bei der Blitzschach-WM in Warschau, im Schnellschach-Wimbledon" in Frankfurt, dem Erfolg beim Worldcup in China sowie als 15. Schach-Weltmeister der FIDE wird Anand auch zweifellos zum zweiten Mal zum Sportler des Jahres auf dem Subkontinent gewählt. Der indische FIDE-Vizepräsident Ummer Koya sieht durch Anands Titel eine neue goldene Ära" eingeleitet, die an der Geburtsstätte des königlichen Spiels zu einer großen Explosion" bei abermillionen Talenten und künftigen Weltmeistern führe. Schach hängte bereits Hockey in der Gunst des Milliarden-Volkes ab, nun dürften die letzten beiden Hürden, Cricket und Tennis, genommen werden.
Auf dem Brett in der iranischen Hauptstadt schien jedoch nur einer zu explodieren: Alexej Schirow. Nachdem der für Spanien spielende Lette die zweite von maximal sechs Partien verloren hatte, spielte der Weltranglistensechste bereits in der dritten Begegnung Harakiri. Doch auch dort perlte nach 41 Zügen seine Attacke an Anand ab wie im letzten Duell. Der 28-Jährige versuchte eine Variante, mit der ihn der zweifache Vizeweltmeister in Frankfurt auseinander genommen hatte, zu verbessern. Wagemutig opferte er zwei Figuren für vier Furcht einflößende Bauern und Drohungen gegen den weißen König - aber der Tiger von Madras" entkam allen Fallen und biss am Schluss entscheidend zu. Schirow bleibt als Trost seine bisher höchste Börse, rund 700.000 Mark Preisgeld.
Anand, der 1,1 Millionen Mark erhält, gestand erleichtert, das Match, zumindest eine Partie, hätte auch anders ausgehen können. Alexej pflegt einen sehr, sehr scharfen Stil". Für Schirow war nach der zweiten Partie das Duell vorbei", in der der Unterlegene ein Remis verpasste. Wegen der 16 Spieltage hintereinander in Neu Delhi klagte der Spitzenspieler von Bundesliga-Tabellenführer Lübecker SV über eine zu kurze Erholungsphase von lediglich vier Ruhetagen". Kontrahent Anand hatte hingegen in den fünf K.o.-Runden zuvor in Indien nur im Viertelfinale gegen Titelverteidiger Alexander Chalifman (Russland) einen Tag Pause wegen des Schnellschach-Tiebreaks eingebüßt. Dass der 31-Jährige, der in 20 Partien ungeschlagen blieb und acht davon gewann, verdient Weltmeister wurde, steht für Schirow außer Frage. Anand ist ein Spieler, gegen den man auch ohne Müdigkeit verlieren kann. Er befand sich in sehr guter Form."
In der Januar-Weltrangliste rückt Anand Garri Kasparow und Wladimir Kramnik (beide Russland) auf die Pelle. Über ein Vereinigungsmatch gegen den Braingames-Weltmeister Kramnik, der im Oktober den seit 1993 abtrünnigen Kasparow entthront hatte, verschwendete der Inder nach seinem Triumph vorerst keinen Gedanken. Damit plage ich mich später", ulkte der FIDE-Champion. Sein Trainer Elisbar Ubilawa stellte klar: Dass Kramnik die Nummer eins, Kasparow, schlug, bedeutet einen gewaltigen Fortschritt. Ein WM-Match war das jedoch keines."
In dieselbe Kerbe schlug Kirsan Iljumschinow. Während Kasparow ins Abseits geriet, bekommt der FIDE-Präsident Oberwasser. Kramnik habe sich nie selbst als Weltmeister bezeichnet. Folglich könne es auch kein Vereinigungsmatch geben. Höchstens eines ums Prestige". Schließlich könne ansonsten jeder der FIDE, die 159 nationale Verbände vertrete, die WM streitig machen. Morgen organisiert Pizza Hut eine WM, dann McDonald's und am Schluss wirft Bill Gates mit seinem Geld um sich", tönte das Staatsoberhaupt Kalmückiens vollmundig.
Die FIDE will nicht nur ab Januar die Bedenkzeit in Turnierpartien weiter verkürzen, sondern erwägt auch einen neuen WM-Modus. Anstatt der 100 Teilnehmer sollen künftig in vier Wettbewerben die acht Besten ermittelt werden, die dann um den Titel denken. Kramnik erhält dafür selbstverständlich eine Einladung", jubiliert Iljumschinow - und würdigt den isolierten Kasparow keines Wortes. Der lechzt derweil in Moskau auf Revanche. Ab 12. Januar treffen sich alle Protagonisten beim Topturnier im niederländischen Wijk aan Zee wieder.
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Schirow - Anand
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Anand - Schirow
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Schirow - Anand
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Anand - Schirow
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1886 | - | 1894 | Wilhelm Steinitz |
Österreich |
1894 | - | 1921 | Emanuel Lasker |
Deutschland |
1921 | - | 1927 | José Raul Capablanca |
Kuba |
1927 | - | 1935 | Alexander Aljechin |
Frankreich |
1935 | - | 1937 | Max Euwe |
Niederlande |
1937 | - | 1946 | Alexander Aljechin |
Frankreich |
1946 | - | 1948 | Titel nach Aljechins Tod vakant |
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1948 | - | 1957 | Michail Botwinnik |
UdSSR |
1957 | - | 1958 | Wassili Smyslow |
UdSSR |
1958 | - | 1960 | Michail Botwinnik |
UdSSR |
1960 | - | 1961 | Michail Tal |
UdSSR |
1961 | - | 1963 | Michail Botwinnik |
UdSSR |
1963 | - | 1969 | Tigran Petrosjan |
UdSSR |
1969 | - | 1972 | Boris Spasski |
UdSSR |
1972 | - | 1975 | Robert Fischer |
USA |
1975 | - | 1985 | Anatoli Karpow |
UdSSR |
1985 | - | 1993 | Garri Kasparow |
UdSSR/Russland |
1993 | - | 1999 | Anatoli Karpow |
Russland |
1999 | - | 2000 | Alexander Chalifman |
Russland |
seit 2000 |
Viswanathan Anand |
Indien |
1993 trennte sich der damalige Weltmeister Kasparow vom Weltverband FIDE. Er vermarktete danach seinen WM-Titel selbst bis zu seiner Niederlage gegen Wladimir Kramnik (Russland) im Oktober 2000.
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