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Schirow hintergangen

Kasparow erkor Kramnik zum WM-Gegner

von Hartmut Metz

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   Den im Vorjahr vom Weltverband Fide gekrönten Alexander Chalifman (Russland) als 14. Weltmeister der Schach-Geschichte zu bezeichnen, wertet Garri Kasparow als Beleidigung seiner Person sowie der zwölf Champions zuvor. Tatsächlich verbindet den Russen, der am Donnerstag 37 Jahre alt wird, mit seinen Vorgängern aus dem 19. Jahrhundert vor allem eines: Die Weltmeisterschaft setzten sie nur selten und gegen genehme Kontrahenten aufs Spiel. Jetzt hat sich der Ausnahme-Großmeister über sein eigenes Wort hinweggesetzt, bootete den Lübecker Bundesligaspieler Alexej Schirow aus und tritt stattdessen gegen seinen Landsmann Wladimir Kramnik an.

   Nach dem Bruch mit der Fide 1993 verteidigte die Nummer eins den für sich beanspruchten WM-Titel letztmals vor fünf Jahren gegen den Inder Viswanathan Anand. Das Schachvolk murrte ob der seltenen Duelle, auch wenn die vielen Turniersiege des Moskauers jeden Zweifel an seiner deutlichen Überlegenheit vertrieben. Deshalb sollten 1998 seine Kronprinzen Anand und Kramnik den Herausforderer ausspielen. Anand mochte nicht, weshalb der Weltranglistenvierte Schirow nachrückte. Dummerweise bezwang der Wahl-Spanier Kramnik locker mit 5,5:3,5.

   Weil er sich mit Schirow nicht handelseinig wurde, reaktivierte Kasparow Anand als WM-Gegner. Der geprellte „Hexer von Riga" durfte sich jedoch bald darüber freuen, dass die vielen Versprechungen des Weltranglistenersten gegenüber dem „Strolch" Anand nicht das Papier wert waren, auf dem sie gedruckt standen. Aus Schaden klug geworden, forderte der „Tiger von Madras" bei einer neuen Offerte eine Vorauszahlung von 300 000 Dollar. Weder auf dem Brett noch anderswo lässt sich Kasparow etwas freiwillig diktieren - und zauberte kurzerhand Kramnik als neuen Herausforderer aus dem Hut.

   Vom 9. Oktober bis 9. November sitzen sich die Kosieger von Linares (Spanien), dem Wimbledon des Schachs, in 16 Partien gegenüber. Endete der mit zwei Millionen Dollar dotierte Wettkampf in London 8:8, behielte Kasparow „seinen" WM-Titel. Den will er dank einer Geldspritze der Braingames Network PLC für dieselbe Summe bis 2004 weitere zweimal aufs Spiel setzen. Im nächsten Zyklus sollen die 24 besten Großmeister und ein Qualifikant aus einem weltweit offenen Internet-Wettbewerb seinen Kontrahenten ermitteln.

   Natürlich fühlt sich der Kramnik-Bezwinger durch die neue Entwicklung noch mehr hintergangen. „Ich werde um meine Rechte betrogen. Das WM-Duell gehört eindeutig mir. Kramnik kassierte das Preisgeld für den Verlierer - und erhält jetzt auch den Preis für den Sieger, das WM-Match", empört sich Schirow, „unglaublich, aber leider wahr." Kasparow giftet: „Gegen Schirow gewänne ich leicht. Danach hieße es wieder, ich suchte mir nur Opfer als Gegner aus." Schirow nennt die Aussage schlicht „Blödsinn. Ich habe seit 1991 alle Zweikämpfe gewonnen!"

   Die Statistik spricht dennoch für einen Vergleich Kasparows mit Kramnik. Allein der 24-Jährige bot dem „Ungeheuer aus Baku" Paroli. Insgesamt steht es in den klassischen Partien 3:3. Anands 3:14 beziehungsweise Schirows 0:9 Niederlagen wirken dagegen jämmerlich. Am moralischen Recht des Letten auf das WM-Finale ändern die Zahlen indes nichts, auch wenn Kasparow verbreitet: „1998 wollte Schirow nicht für eine Million Dollar in Kalifornien spielen. Er war krank, abzulehnen. Jetzt herrscht eine andere Situation mit einer neuen Kontrollinstanz." Der Geprellte stellt die Situation auch hier völlig anders dar. „Das waren nur Scheinangebote, um mich als Sündenbock darzustellen." Und an eine „neue Kontrollinstanz" glaubt Schirow schon zweimal nicht. Seit 1985 gibt es nämlich nur einen Diktator auf den 64 Feldern.

   Beim Schnell- und Blindschachturnier in Monaco siegte Schirow in der Gesamtwertung mit 15:7 Punkten vor Wassili Iwantschuk, Weselin Topalow und Kramnik (alle 13,5) sowie Anand (12,5).

W: Karpow S: Schirow








In obiger Diagrammstellung unterlief Ex-Weltmeister Anatoli Karpow ein schlimmer Patzer.

50.Dc5??

Richtig ist 50.Kf6, wonach sich Df3+ wegen 51.Ke7 Dxf2 52.Kf8! nebst Dg7 matt verbietet. Nun gewinnt Schirow die remisträchtige Position.

50...Df3! 51.De5 f6+

0:1

52.Dxf6 Dg4 matt wollte sich Karpow nicht mehr zeigen lassen.


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