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Blindlings zum Sieg

In Monaco wird ohne Figuren gespielt

von Hartmut Metz

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   Die Tradition reicht bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück: Diderot und Alambert zeigten sich in ihrer „Enzyklopädie" beeindruckt von der Leistung ihres Landsmannes Philidor. Der französische Komponist und Schachmeister konnte gleichzeitig drei Partien „blind", sprich ohne Ansicht des Brettes, spielen. Diese Leistung imponiert auch heute noch jedem Laien, hat er doch schon bei voller Sicht auf die 64 Felder und die 32 Figuren mit allerlei Unübersichtlichkeiten zu kämpfen. Indes hat ein guter Vereinsspieler genügend Vorstellungskraft, eine Partie im Kopf zu behalten. Erfahrungswerte dienen dabei der leichteren Orientierung. Bei einer typischen Rochade-Stellung merkt er sich nicht „König auf dem Feld g1, Turm auf f1, Bauern auf f2, g2 und h2 sowie auf h1 steht nichts". Solch ein „Chunk" wird einfach als „kleine Rochade" abgespeichert. Ein paar Chunks reichen somit, um sich auf dem gesamten Brett zu orientieren. Sollen sich Spieler hingegen eine unsinnige Stellung auf dem Brett (zum Beispiel mit Bauern auf der achten Reihe) einprägen, unterscheidet sich die Merkfähigkeit von versierten Spielern gegenüber schwächeren kaum.

   Berühmtester Blindspieler ist Harry Pillsbury. Der Gedächtnisakrobat gab zu Beginn des Jahrhunderts rund 150 Blindsimultans. Bei seinem Rekord an 22 Brettern in Moskau gewann Pillsbury 17 Partien, remisierte vier und verlor nur ein Duell. 1947 in Sao Paulo erhöhte Miguel Najdorf die Bestmarke auf 45 Partien (41:4 Punkte). Der Weltrekord des Ungarn Janos Flesch von 1960 ist etwas zweifelhaft, weil viele seiner 52 Partien sehr kurz waren. So endeten 18 mit Remis. 31 gewann Flesch, vier verlor er. Insgesamt besitzt die Sparte einen zweifelhaften Ruf. In der Sowjetunion war das Blindspiel verpönt, da es als gesundheitsschädigend galt. Blindschach ist nicht mit Blindenschach zu verwechseln. Sehgestörte Spieler dürfen ein Steckschach zur Hilfe nehmen, auf dem sie mit den Fingern die Stellung ertasten können. Ein Zug gilt erst dann als gespielt, wenn die Figur aus dem Loch des betreffenden Feldes gezogen wird.

   Beim Blind- und Schnellschachturnier in Monaco siegte Alexej Schirow. Erst in der letzten Doppelrunde büßte Schirow seinen Nimbus gegen Wassili Iwantschuk ein und verlor. Hier die „sehenswerte" Blindpartie, bei der der letzte gegnerische Zug immer auf einem leeren Brett eines Computer-Bildschirms zu sehen war.

W: Iwantschuk S: Schirow

1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sxe5 d6 4.Sf3 Sxe4 5.d4 d5 6.Ld3 Ld6 7.0-0 0-0 8.c4 c6 9.Te1 Lf5 10.Db3 Sa6 11.cxd5 cxd5








12.Sc3 Le6 13.Sb5 Sb4 14.Sxd6 Dxd6 15.Lb1 Tac8 16.Le3 f5 17.g3








17...f4!? 18.Lxf4 Txf4

Das Qualitätsopfer scheint einen fulminanten Angriff zu versprechen. Doch Iwantschuk pariert gekonnt.

19.gxf4 Dxf4








20.Txe4! Lh3

[20...Tc1+ 21.Kg2 dxe4 22.Dxe6+ Kf8 23.Lxe4! Txa1 24.Dc8+ ändert nichts]

21.Ld3!

[21.Txf4?? Tc1+ mit Matt] 21...Dh6 [21...Dxf3? 22.Te8+! Txe8 23.Lxh7+ Kxh7 24.Dxf3]

22.Th4 Tc1+








23.Dd1! Txd1+ 24.Txd1 De6 25.Lxh7+ Kf8 26.Tf4+








Ke7 verliert die Dame zurück.

1-0


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