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Schwarzarbeit lohnt sich für Inder

Viswanathan Anand gewinnt zum siebten Mal in Folge Chess Classic

von FM Hartmut Metz, 26. August 2006

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   Spektakulärer als die Chess Classic Mainz kann man Schach kaum mehr präsentieren. Im Beiprogramm, etwa in fantastisch besetzten offenen Turnieren, können sich Amateure mit Weltklassespielern messen. So gewann Ex-Weltmeister Rustam Kasimdschanow (Usbekistan) das Ordix Open vor 631 Konkurrenten. Die Topveranstaltungen begeisterten die Zuschauer ebenso. Gleich sechs der acht Partien um die Grenke-Leasing Schnellschach-WM wurden entschieden. Dies war Herausforderer Teimour Radjabow zu verdanken, der aggressiv zu Werke ging. „Das war großes Kampfschach, das dem Publikum sicher gefallen hat“, befand der 19-Jährige.

   Letztlich setzte sich aber einmal mehr die Spielkunst des Schnellschach-Königs durch: Aus einem 2:3 machte Viswanathan Anand bei seinem Lieblingsturnier noch ein 5:3 gegen den Weltranglistenelften aus Aserbaidschan. Der 36-Jährige in Diensten des deutschen Meisters OSC Baden-Baden gewann damit zum neunten Mal die Chess Classic. Vor allem war es jedoch der siebte Erfolg des Inders in Serie im „Wimbledon des Schnellschachs“! Den Sieg verdankte der OSC-Spitzenspieler seinem im Juli überarbeiteten Schwarz-Repertoire. Lohn der „Schwarzarbeit“: Anand gewann trotz des Nachteils mit den schwarzen Steinen drei von vier Partien. Es hätten sogar alle sein können, verdarb der „Tiger von Madras“ doch die erste in den Verlust. Die guten Ergebnisse für Schwarz – auch Radjabow dominierte damit – empfand Anand als „extrem“. Nachstehend sein wichtiger Sieg in der siebten von acht Runden.

 










Radjabow,Teimour (2728) - Anand,Viswanathan (2779) [D43]
Schnellschach-WM Chess Classic Mainz (7), 20.08.2006

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sc3 Sf6 4.Sf3 e6 5.Lg5 h6 6.Lh4 dxc4 7.e4 g5 8.Lg3 b5 9.Le2 Lb7 10.0-0 Sbd7 11.Se5 Lg7 12.Sxd7 Sxd7 13.Ld6 a6 14.a4 [In der dritten Runde unterlag Radjabow nach 14.Lh5 Lf8!N 15.Lxf8 Txf8 16.e5 Db6! 17.Se4 0-0-0! 18.Sd6+ (18.Lxf7? Sxe5! ) 18...Kb8 19.Sxf7 Txf7! 20.Lxf7 Sxe5 Bietet gute Gegenchancen für die geopferte Qualität. Die Partie entwickelte sich entsprechend: 21.Dh5 Txd4 22.Lxe6 c5 23.Dxh6? Begibt sich freiwillig in eine tückische Fesselung. 23...Ka7! Nun kommt die Dame nicht mehr mit einem Schach aus der Läuferfesselung. 24.Tae1 Sd3 25.Te3 Td6 26.h4 Sf4 27.hxg5 Sxe6 28.f3 b4 29.Kh2 Dc7 30.Kg1 Sf4 31.Df8 Td2 32.Te7 Dd6 33.Df7 Se2+ 34.Kh1 Sg3+ 35.Kg1 Dd4+ 36.Kh2 Dh4+ 0:1.] 14...e5 15.Lg4N [Eine Neuerung. Bisher wurde 15.d5 gezogen.] 15...exd4 16.e5 c5! [Nur im ersten Moment wirkt 16...Sxe5? verlockend: 17.Dxd4! Sf3+ 18.gxf3 Lxd4 und Weiß gewinnt die Dame mit Zinseszins zurück. 19.Tfe1++- ] 17.Te1 Sxe5! [Nichts taugt dagegen 17...dxc3?! 18.e6-> Sf6 19.Lh5! Sxh5 20.Dxh5 Df6 (20...Dxd6 21.Dxf7+ Kd8 22.e7+ ) 21.exf7+ Kd7 22.Tad1 Kc6 23.Le5 Dxe5 24.Txe5 Lxe5 25.Dg6+ Kc7 26.De6 Ld4 27.bxc3 und Weiß gewinnt.] 18.Lxe5 0-0 19.Lxg7 Kxg7 20.Se2 f5! 21.Lh5 f4!~~ Schwarz steht passabel. Für die geopferte Figur besitzt Anand drei Bauern und enormen Raumvorteil. Der weiße Springer hat Schwierigkeiten, ins Spiel zu gelangen. Da dies nicht richtig gelingt, fällt der einzige Nachteil des Nachziehenden kaum ins Gewicht: die offene Königsstellung. 22.b4! Radjabow versucht die Bauernkette mit aller Gewalt zu sprengen. 22...cxb3 23.Dxb3 Dd5 [Fatal ist dagegen 23...c4?? 24.Db2 c3 25.Sxc3! dxc3 26.Dxc3+ Tf6 27.Tad1 Db6 28.Td7+ Kg8 29.Dd3 mit Mattangriff.] 24.Dh3 Weiß darf natürlich nicht die Damen tauschen. Danach rollen die Bauern, ohne dass Radjabow Gelegenheit erhält, dem schwarzen König an den Kragen zu gehen. 24...Lc8 25.Dd3 Lf5 26.Dd2 Dd7 27.Tac1?! Die Kommentatoren halten dies für die erste kleine Ungenauigkeit. [27.Lf3!? Tae8 28.axb5 axb5 29.h3 Tf6 (29...b4? 30.Ta5 Dd6 31.Tc1 Te5 32.Sxd4! cxd4 33.Tc6 Dxc6 34.Ta7+! Dd7 35.Txd7+ Lxd7 36.Dxd4 Tfe8 37.Dxd7+ und Weiß gewinnt.) 30.Tec1 Te5 mit besseren Aussichten für Schwarz.] 27...Tac8 28.h4 Kh8 29.axb5 axb5 30.Db2 b4 31.Ted1 [31.hxg5 hxg5 32.Tc4 Ld3! 33.Tcc1 (33.Sxd4? widerlegt der Nachziehende mit 33...Dg7!-+ und die Fesselung entscheidet.) ] 31...Dg7 Droht d3 mit Figurenrückgewinn. Radjabow entscheidet sich deshalb für ein Rückopfer. 32.Sxd4!? Tfd8 33.Txc5!? Txc5 34.Dxb4 Tcd5? [Eher Gewinnchancen bietet 34...De5! 35.Sxf5 Txd1+ 36.Lxd1 Dxf5 ] 35.Sxf5 Txd1+ 36.Lxd1 Txd1+ 37.Kh2 Df6 38.De4? [38.Sxh6!! hätte Radjabow einen halben Punkt gerettet: 38...Dxh6 (38...g4 39.Sf7+ /\Dxf7 40.Dc3+!= ändert nichts im Vergleich zur anderen Variante.) 39.Dc3+! Dg7 (39...Kg8 40.Db3+ ; 39...Kh7 40.Dc2+ ) 40.Dc8+ und Schwarz kann Dauerschach nicht mehr vermeiden, soll der Turm auf d1 nicht verloren gehen. 40...Dg8 41.Dc3+ Dg7 42.Dc8+ ] 38...Td8 39.hxg5 39...Dxg5 [39...hxg5 sieht natürlicher aus, aber dann könnte der weiße König heranmarschieren und versuchen, die Bauern von g4 aus zu attackieren. 40.Kh3!? ] 40.Kh3 [40.De5+ Kg8 41.De6+ Kh7 42.Df7+ Kh8 43.g3 fxg3+ 44.fxg3 gibt Weiß auch Remischancen.] 40...Tf8 41.Sh4 Tg8 42.Df5? Die bessere praktische Chance besteht wohl in [42.Df3 , um die Dame auf dem Brett zu belassen und den schwarzen Monarchen damit weiter zu beunruhigen.] 42...Dxf5+ 43.Sxf5 Kh7 44.g3 fxg3 45.fxg3 Ta8 46.Kg4 Ta5 47.Sh4 Kg7 48.Sg2 Kf6 49.Sf4 Tg5+ 50.Kh4 Kf5 51.Sh5 Tg4+ 52.Kh3 Ta4 53.Sf4 Ta1 54.Se2 Th1+ 55.Kg2 Te1 56.Kf3 Td1 Die Experten sind sich uneins, ob dieses Endspiel gehalten werden kann mit der Qualität weniger. 57.Kg2? Wenn das gelingen soll, dann aber nur mit [57.Sf4! Anschließend strebt der Springer nach f2. "Chess Today" hat die historische Partie Hanstein - von Heydebrand und der Lasa aus dem Jahre 1841 ausgegraben. Schwarz schaffte es in dieser nicht, die Verteidigung zu durchbrechen.] Jetzt hat Anand leichtes Spiel. 57...Kg4 58.Kf2 Td3 [58...Td3 59.Kg2 Tf3 und Weiß verliert Material: 60.Kg1 Kh3 61.Kh1 Tf2! (61...Tf1+ 62.Sg1+ Kxg3?? patt. (62...Kg4 ) ) 62.Sg1+ (62.Sf4+ Kxg3 63.Sh5+ Kh3 64.Kg1 Tf7 und der Springer ist gefangen.) 62...Kxg3 63.Sh3 Kxh3 64.Kg1 Tf8 65.Kh1 Tf1# ] 0-1

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