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Für drei Rubel gibt's keinen Angriff auf Smyslow

"Zauberlehrling" David Bronstein feiert 80. Geburtstag

von FM Hartmut Metz, 28. Februar 2004

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   David Bronstein war so nah am Weltmeister-Titel wie nur wenige Herausforderer. Noch zwei Partien waren 1951 zu spielen und der Ukrainer führte gegen Michail Botwinnik mit 11,5:10,5. Doch in der 23. Partie verdarb der große Kombinationskünstler ein ausgeglichenes Endspiel, so dass sein Erzrivale letztlich mit einem 12:12 den WM-Titel verteidigen konnte. Bronstein widersprach in seiner 1997 bei Edition Olms veröffentlichten Autobiographie "Der Zauberlehrling" dem über Jahrzehnte schwelenden Gerücht, er habe 1951 "auf Befehl von oben" die 23. Partie gegen den Vorzeigekommunisten Botwinnik verlieren müssen. Eher habe er dem gewaltigen Druck nicht standgehalten.

   Im Rückblick zeigte sich der 80-Jährige, der vor acht Tagen seinen runden Geburtstag feierte, sogar froh, dass ihm die höchste Würde verwehrt geblieben war. So wurde er nicht Teil der sowjetischen Nomenklatura, die den Schach-Weltmeister allzu häufig dazu benutzte, die geistige Überlegenheit des Sozialismus zu betonen. Dass ihm alles Politische ein Gräuel war, zeigte sich vor allem 1976 bei seiner standhaften Weigerung, ein gegen den geflüchteten Viktor Kortschnoi gerichtetes Pamphlet der sowjetischen Großmeister zu unterzeichnen. Das wurde ihm besonders übel genommen und kostete ihn zahlreiche Reisen zu Auslandsturnieren.

   Auch zuvor hatte es sich Bronstein immer wieder mit der Führung verscherzt. So einigte er sich einmal mit dem späteren Weltmeister Wassili Smyslow nach nur zwölf Zügen auf ein Remis. Ein hoher Funktionär stellte ihn wütend zur Rede. Sie hätten weiterspielen sollen, schließlich erhielten sie Zahlungen vom Sowjetischen Schachverband! Bronsteins Konter wurde zu einem Klassiker der sowjetischen Schachszene: "Glauben Sie wirklich, dass ich für nur drei Rubel am Tag Smyslow angreifen werde?"

   Der stets um Originalität bemühte Freund von Fußball-Torhüterlegende Lew Jaschin machte trotz nachlassender guter Resultate in den 60er Jahren immer wieder durch geniale Partien auf sich aufmerksam. Er regte schon in den 70er Jahren zahlreiche Innovationen wie Schnellschach an oder verfasste brillante Bücher. Als das beste Schachbuch aller Zeiten gilt Bronsteins Werk über "Zürich 1953". Lesenswert ist auch der bereits erwähnte "Zauberlehrling". Gewohnt launisch dementierte der 80-Jährige, dass in seiner Autobiographie seine besten Partien zu finden seien: "Nein, es ist eine Sammlung der schlechtesten Partien meiner Gegner!" Das hätte Jefim Geller sicher bestätigt, der in der nachstehenden Begegnung in der sowjetischen Meisterschaft 1961 sang- und klanglos in 20 Zügen unterging.

 










W: Bronstein S: Geller

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 Das nach Aaron Nimzowitsch benannte Nimzo-Indisch. 4.a3 Lxc3+ 5.bxc3 0-0?! Als dynamischer Spieler hält David Bronstein diesen Verteidigungszug, wie er die Rochade nennt, zunächst für Zeitverschwendung. Stattdessen plädiert der Ukrainer für Nimzowitschs Idee, mit c5, d6 und e5 die weißen Bauern festzulegen. 6.f3 d5 7.cxd5 exd5 8.e3 Lf5 9.Se2 Sbd7 10.Sf4 c5 11.Ld3 Lxd3 12.Dxd3 Te8 13.0-0 Tc8 14.Tb1 Da5? Stellt die Dame ins Abseits, was Bronstein vor allem auch deswegen tadelt, weil dadurch der weiße Turm auf die siebte Reihe gelangt. 15.Txb7 Sb6 16.g4! Dieser Zug scheint vor allem die weiße Königsstellung zu lockern - doch leitet der Bauernvorstoß einen erstaunlich starken Angriff ein! 16...h6?! Im Nachhinein ein ernster Fehler, der das Feld g6 schwächt. Richtig ist [ 16...Tb8 um den Eindringling rigoros zu beseitigen. Nach 17.Txb8 Txb8 besitzt der Anziehende nur leichten Vorteil.] 17.h4 cxd4 18.g5! dxe3? [ 18...Txc3 19.Ld2 Txd3 20.Lxa5 Txa3 21.Lxb6 axb6 22.gxf6 Texe3 23.Kg2 d3 24.Txb6 Ta2+ 25.Kg3 ( Nicht 25.Tf2?? d2! 26.Tb1 Te1 und der d-Bauer entscheidet.) 25...d2 26.Sxd5 Te1 27.Tb1 und Weiß hat den d-Bauern unter Kontrolle. Die Mehrfigur setzt sich hernach leicht durch.; Nur mit 18...Sfd7 19.cxd4 kann Schwarz den Kampf noch fortsetzen, auch wenn Bronstein deutlich überlegen steht.] 19.gxf6 Txc3 20.Dg6!! Das war Geller entgangen. Ein Matt in zwei Zügen ist unausweichlich: [ 20.Dg6 fxg6 21.Txg7+ Kf8 22.Sxg6# ; Drei Züge länger hätte 20.Txf7 Tc7 21.Txc7 Te4 22.Txg7+ Kf8 23.Dxe4 dxe4 24.Se6+ Ke8 25.Te7# gedauert.] 1-0

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