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Die schönste Schach-Weltmeisterin der Geschichte

Antoaneta Stefanowa deklassiert im Finale Jekaterina Kowalewskaja; beschämende Betreuung durch Deutschen Schachbund

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, 13. Juni 2004

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Antoaneta Stefanowa

Antoaneta Stefanowa

 

   "Ich wusste bisher nicht, dass ich so viele Bewunderer habe", kokettierte Antoaneta Stefanowa nach ihrem WM-Sieg auf die Frage nach den vielen männlichen Schachspielern, die dem "hübschen Mädchen" im Finale gegen die Russin Jekaterina Kowalewskaja die Daumen drückten. Zweifellos ist die zehnte Weltmeisterin der Schach-Geschichte auch die mit Abstand attraktivste - ganz zu schweigen von ihrem Lächeln, das die Männer bezaubert. Im Gegensatz zu anderen Großmeisterinnen hat Stefanowa aber nicht die Ambition, sich als Schach-Model zu vermarkten. Lieber besticht sie durch ihr Können auf dem Brett.

 

Jekaterina Kowalewskaja

Jekaterina Kowalewskaja

 

   Nachdem die Bulgarin bis zum Viertelfinale im kalmückischen Elista gewisse Schwierigkeiten hatte und mehrfach in den Tiebreak musste, lief die 25-Jährige ab der Vorschlussrunde zu Hochform auf. Erst bezwang Stefanowa die georgische Ex-Weltmeisterin Maja Tschiburdanidse mit 1,5:0,5, dann machte sie im Endspiel gegen Kowalewskaja kurzen Prozess. Die Weltranglisten-16., die in der vergangenen Saison der Damen-Bundesliga die herausragende Spielerin bei Meister SC Baden-Oos war, schaffte es nicht einmal in die vierte Partie. Nach zwei Niederlagen und einem Remis im dritten Duell war das Match vorzeitig mit 0,5:2,5 entschieden.

   Stefanowa, die in der nächsten Saison bei Turm Emsdetten in der zweiten Bundesliga der Herren ans Brett geht, setzte damit ihren Aufwärtstrend fort. Nachdem die 25-Jährige bis zum Aufstieg zur souveränen Weltranglistenzweiten immer nur Fortschritte erzielt hatte, ging es im vergangenen Jahr wieder nach unten. Nur auf Platz zehn wird sie bis zur neuen Weltrangliste Anfang Juli geführt. Indes kündigte das Naturtalent bei ihrem Turnier auf Curaçao im November 2003 an, künftig intensiver mit Trainern zusammenarbeiten zu wollen. In Elista war Großmeister Wladimir Georgiew als Trainer dabei. Das zahlte sich aus.

   Beschämend in diesem Zusammenhang das Verhalten des Deutschen Schachbundes: Als wohl einziger deutscher Sportverband hält er es nicht für nötig, seine Aushängeschilder bei einer WM mit Betreuern zu unterstützen! Stattdessen werden Ressourcen bei einem drittklassigen Herren-Turnier wie dem gleichzeitig ausgetragenen Mitropa-Cup vergeudet, der keinerlei Außenwirkung besitzt. Die Muggensturmerin Ketino Kachiani-Gersinska mochte sich als erfahrene "Einzelkämpferin" nicht darüber beklagen, aber mit einem guten Trainer an ihrer Seite hätte sie es vielleicht weiter als bis ins Viertelfinale gegen Kowalewskaja gebracht. Dort war sie nach ihrem Auftaktsieg und dem anschließenden Ausgleich zum 1:1 im Schnellschach-Tiebreak unterlegen.

   Wie das fünfte Rad am Wagen musste sich auch Achtelfinalistin Elisabeth Pähtz vorkommen. Der Vater des 19-jährigen Toptalents, der Erfurter Großmeister Thomas Pähtz, reiste deswegen auf eigene Faust als Sekundant mit nach Russland. Schach soll populär werden - aber Chancen auf eine zugkräftige Weltmeisterin verschenkt der träge wie in Sachen Leistungssport buchstäblich amateurhafte Deutsche Schachbund leichtfertig! Das bisherige Konzept des Verbandes sollte schleunigst überarbeitet werden.

   Nachstehend die erste Partie des Endspiels. Furchtlos fraß Stefanowa alles sich in den Weg stellende Material und verwertete mit einem Königsmarsch nach h4 den Vorteil.

 










Kowalewskaja,J (2467) - Stefanowa,A (2490) [C78]
FIDE -WM, Finale Elista RUS (6.1), 03.06.2004

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 b5 6.Lb3 Lc5 7.a4 Lb7 8.d3 d6 9.Sc3 b4 10.Se2 0-0 11.Sg3 h6 12.Sf5?! [ 12.Le3 erscheint logischer, um die Entwicklung abzuschließen.] 12...Lc8! Der Läuferrückzug auf sein Ausgangsfeld sieht nur im ersten Moment wie ein Tempoverlust aus - da er aber momentan auf der langen Diagonalen von b7 noch keine Perspektiven hat, kommt diese Fortsetzung durchaus in Betracht. 13.S3h4 Befestigt zwar den Springer auf f5, bringt jedoch den Nachteil mit sich, dass das zentrale Feld d4 nun Schwarz überlassen wird. 13...Sd4 14.Sxd4 Lxd4 15.Df3 Lg4 16.Dg3 Kh7 17.Le3? [ 17.Sf3 oder; 17.Tb1 ergeben gleiches Spiel.] 17...Lxb2 Schwarz zögert nicht lange, den Bauern zu verspeisen. 18.Tab1 Lc3! [ Bei 18...Ld4 19.Lxd4 exd4 20.f4 Ld7 21.e5!? Sh5 22.De1 c5 steht Weiß nicht viel schlechter.] 19.f3 [ 19.f4!? ist einen Versuch wert, da der vermeintliche Figurengewinn nach hinten losgeht: 19...exf4 20.Lxf4 g5? 21.Le3 gxh4 22.Df4 Kh8 23.d4 h5 24.Dxf6+ Dxf6 25.Txf6 Tae8 26.Tf4 mit weißen Gegenchancen.] 19...Ld7 20.Df2 a5 21.g4 De8 22.Sf5 Lxa4 Nimmt ganz im Computer-Stil keck jeden angebotenen Bauern. 23.g5 Sh5 24.Dh4 g6 25.Sxh6 Lxb3 26.Sg4?! Erstaunlicherweise ist der Zwischenzug, der Damengewinn durch ein Springerschach auf f6 droht (der Rappe auf h5 ist gefesselt), ungenau! 26...De6 [ 26...Lxc2!! 27.Sf6+ Kg7 28.Sxe8+ ( 28.Sxh5+ gxh5 29.Dxh5 Th8 bringt nichts)) 28...Tfxe8 29.Tbc1 Lxd3 30.Txc3 Lxf1 ( Ebenso reicht 30...bxc3 31.Tc1 c2 32.De1 c5 33.Dc3 c4 ) 31.Txc7 Ld3 32.De1 Tec8 33.Dc1 Txc7 34.Dxc7 Ta6 35.Db7 a4! 36.Dxb4 a3 37.Dc3 a2 38.Da1 Lc4 39.Kf2 Ta5 40.f4 Tb5 41.fxe5 Tb1 42.exd6+ Txa1 43.Ld4+ Kf8 44.Lxa1 Sf4 und Schwarz gewinnt.] 27.Sf6+ Kg7 [ Diesmal ist das Damenopfer weniger durchschlagskräftig, weil Weiß Angriffschancen bekäme: 27...Dxf6!? 28.gxf6 Lxc2 29.Tbc1 Lxd3 30.Tf2 a4 31.Tg2 Ld4 ( 31...a3? 32.Dg5 Sf4 33.Lxf4 exf4 34.Dh4+ Kg8 35.Dh6 Lxf6 36.Txg6+ fxg6 37.Dxg6+ Lg7 38.Txc7 ) 32.Lxd4 exd4 33.Tg5 Beabsichtigt ein Turmopfer auf h5 nebst Mattangriff. 33...Kh6 34.Kf2! Tg8 ( 34...Ta7 35.Txh5+ gxh5 36.Df4+ Kh7 37.Dg5 mit undeckbarem Matt.) 35.Txc7 Taf8 36.Ta7 a3 37.Taa5! und gegen den Einschlag auf h5 ist nichts mehr zu erfinden.] 28.Sxh5+ gxh5 29.cxb3 a4 30.bxa4 Txa4 31.Kh1 Ta2 32.Tg1 Te2 33.Lf2 Ta8 Während Kowalewskajas Drohungen nicht der Rede wert sind, werden die der Nachziehenden auf der zweiten Reihe zunehmend konkreter. Schwarz steht auf Gewinn. 34.f4 exf4 35.Dxf4 Taa2 36.Tg2 Kg6! Marschiert mit dem König furchtlos mitten ins Kampfgetümmel! 37.Df3 Tac2 38.Tf1 b3 39.e5 Lxe5 40.d4 Lg7 41.Lg1 Txg2 42.Dd3+ Kxg5! Stefanowa lässt sich weiter nicht beirren und nimmt mit dem König alles in Computer-Manier weg, was sich ihr grundlos in den Weg stellt. 43.Le3+ Kh4 44.Tf4+ Tg4 45.d5 Tc1+ [ 45...De5 ist noch klarer.] 46.Lxc1 De1+ 47.Tf1 De4+ 48.Dxe4 Txe4 49.Kg2 b2 50.Lf4 Tb4 51.Lg3+ Kg5 52.h4+ Kg6 53.Tb1 Ta4 und da die Bauernumwandlung nach 54...Ta1 lediglich noch unter Turmopfer verhindert werden kann, gab die Russin auf. 0-1

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