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Verkehrte Welt im Stichkampf

Schirow und Dautov tragische Figuren gegen Porz

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, 15. Mai 2004

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   Verkehrte Welt im Duell um die deutsche Schach-Meisterschaft: Mit einem Rumpfteam ertrotzte der SC Baden-Oos im Bundesliga-Spitzenspiel gegen die SG Köln-Porz ein 4:4 - um dann im Stichkampf der punktgleichen Rivalen mit allen Stars gegen einen ersatzgeschwächten Gegner aus der Domstadt 3,5:4,5 zu verlieren! "Die hatten beim ersten Mal so viel Glück, dass man es sich kaum vorstellen kann. Irgendwann kommt das Glück eben wieder als Ausgleich zurück", jubilierte Wilfried Hilgert, mit dessen Geld Porz zum zehnten Mal deutscher Meister wurde.

   Der Bundesliga-Rekordchampion und 13fache Vizemeister, der in den vergangenen drei Jahren jeweils Lübeck den Vortritt lassen musste, trat am vergangenen Sonntag ohne Curt Hansen und Alexander Beljawski an, weil die beiden Topscorer ihre Sonntags-Partie beim Sigeman-Turnier in Skandinavien nicht auf den spielfreien Mittwoch hatten vorziehen dürfen. Bei Baden-Oos erwies es sich als Manko, dass Philipp Schlosser wegen einer Grippe passen musste und Ersatzmann Rainer Buhmann Rafael Waganjan unterlag.

   Schlimmer jedoch war, dass mit Alexej Schirow eines der vier Trumpfasse, die im ersten Match fehlten, nicht stach. "Seine Bilanz gegen Loek van Wely stand doch vorher bei etwa 25:0", scherzte Viswanathan Anand, der am Spitzenbrett sein Soll mit dem Sieg über Christopher Lutz gewohnt souverän erfüllt hatte. Der zweite Ooser Sieg durch Francisco Vallejo Pons und die Remis von Peter Swidler, Robert Hübner und Ludger Keitlinghaus reichten nicht, weil Schirow einmal mehr eine Gewinnstellung überzog. Ein Remis zum 4:4 hätte den Gastgebern dank der Erfolge an den vorderen Brettern bereits zum Titelgewinn gereicht.

 

Die Entscheidung: Rustem Dautov gegen Alexander Graf

   Ausgerechnet Rustem Dautov kassierte im Stichkampf seine erste Saisonniederlage. Gegen den deutschen Einzelmeister Alexander Graf, der unberechenbar spielt, kam der Nationalspieler gut aus der Eröffnung. Ein schlechter Zug drehte jedoch das Blatt, und der Porzer ließ sich den Vorteil nicht mehr nehmen.

 

Alexander Graf

   

Rustem Dautov

Alexander Graf

 

Rustem Dautov

 










Graf,A - Dautov,R [D15]
Bundesliga, 09.05.2004

1.d4 Sf6 2.c4 c6 3.Sc3 d5 4.Sf3 a6 5.cxd5 Der Auftakt zu einer anspruchslosen Behandlung der Eröffnung von Weiß. [ 5.c5 erfreute sich im vergangenen Jahr der größten Beliebtheit im Spitzenschach.] 5...cxd5 6.Se5 Sc6 7.Lg5 Dort steht der Läufer selten gut im Slawisch. [ 7.Lf4 macht mehr Sinn, wenn der Läufer schon gleich entwickelt werden soll. So befestigt er den Springer auf e5 und wird nicht bei einem schwarzen Springerausfall nach e4 zur Zielscheibe.] 7...Db6! Legt sofort den Finger in die offene Wunde: den Punkt b2. 8.Sxc6 bxc6 9.Dd2 Tb8 10.b3 Muss schon die Schwächung der schwarzen Felder zulassen. 10...e5 Im Nachhinein war das Dautov zu forsch, und Graf hielt es gar für einen Fehler. Die Stellung dürfte danach aber in etwa ausgeglichen sein. [ 10...Se4 11.Sxe4 dxe4 12.Dc2 Lf5 13.Tc1 e5! 14.Dxc6+ Dxc6 15.Txc6 exd4 16.Txa6 Kd7 17.Ta7+ Ke6 18.Ta6+ Kd5 19.Ta5+ Ke6 20.Ta6+ ist auch remisig, da Schwarz für den geopferten Bauern zu aktives Spiel erhält.; Solide ist ebenso 10...e6 11.Lxf6 gxf6 12.e3 Lb4 13.Le2 c5 , das Dautov später am besten gefiel.] 11.dxe5 Se4?! [ 11...Sg4 stellt eine gute Alternative dar! 12.e3 Da5 13.Tc1 La3 14.Td1 ( 14.Tc2 Sxe5 15.Lf4 f6 16.Ld3 ( 16.Le2? Lf5 ) 16...0-0 17.0-0 Tb7= ) 14...Lb4 15.Tc1 La3 mit sofortigem Friedensschluss.] 12.Sxe4 Lb4 13.Sc3 d4 14.Tc1 14...Lf5? [ 14...h6?! 15.Lf4 Dc5 16.Dc2 Lxc3+ 17.Ld2 Lxd2+ 18.Dxd2 Dxe5 19.Txc6 Lb7 20.Tc4 Td8 21.e3 dxe3 22.Dxe3 Dxe3+ 23.fxe3 0-0 24.Tc7 Le4 25.Tg1 Tc8 26.Txc8 Txc8 27.Lc4 a5 28.Ke2 mit Bauernplus für den Anziehenden.; 14...Lxc3! 15.Txc3 dxc3 16.Dxc3 c5 17.Lf4 ( 17.e4? Dg6 18.Le3 Dxe4 ) 17...0-0 18.e4 Ld7 19.Lc4 Dg6 20.0-0 Dxe4 21.De3 Dxe3 22.Lxe3 Lb5 23.Tc1 Tfc8 führt indes zu einer ausgeglichenen Position.] 15.e4! Lg6 Traurige Pflicht, womit Schwarz ein wertvolles Tempo verschenkt hat. [ 15...Lxe4? verbietet sich wegen 16.Sxe4 Lxd2+ 17.Lxd2 0-0 18.Sd6 und die drei Figuren "beherrschen Ball und Gegner", wie man im Fußball so schön sagt. Die Dame wäre chancenlos, wenn Weiß seine Entwicklung mit Lc4 und Rochade abgeschlossen hätte.] 16.Lc4 Damit gelangte der Läufer mit freundlicher Unterstützung des Gegners rasch und spielentscheidend auf sein Idealfeld. 16...h6 17.Lf4 dxc3 Auch nicht besser als [ 17...Lxc3 18.Txc3 dxc3 19.Dxc3 Lxe4 20.0-0 0-0 ( 20...Tb7? 21.Dg3 g6 22.e6 fxe6 23.Lxe6 Te7 24.Le5 Tf8 25.Lc4 führt gleich zum Kollaps, weil gegen Ld6 kein Kraut mehr gewachsen ist. Der Turm darf von e7 nicht weichen, ansonsten folgt Te1 mit Läuferfesselung.) 21.e6 fxe6 22.Lxe6+ Kh8 23.Lxb8 Dxb8 24.Lc4 Db6 mit deutlichem weißen Übergewicht.] 18.De2 c2+?! [ 18...Dd4 19.e6 0-0 20.0-0 Tbe8 21.Tfd1 Df6 22.exf7+ Lxf7 23.Lg3 a5 sieht etwas zäher aus als die Partiefortsetzung, bei der Dautov mit zwei Bauern ins Hintertreffen gerät.] 19.Kf1 Td8 20.f3 0-0 21.Txc2 Tfe8 22.g3 a5 23.Kg2 Dd4 24.Tcc1 Dd7 25.Thd1 Graf hat seine Entwicklung abgeschlossen. Sein Vorteil ist nun eklatant, da der Läufer auf g6 auch noch eingekerkert wurde. 25...De7 26.Txd8 Txd8 27.Td1 Txd1 28.Dxd1 Lh5 29.g4 g5 30.Lg3 Lg6 31.Dd3 Lc5 32.Dd2 Lb4 33.Dd4 Lc5 34.Dd3 Lb4 35.h3 Lc5 36.Dd2 Lb4 37.Dd4 Lc5 38.Dd3 Weiß riskiert nichts bis zur Zeitkontrolle im 40. Zug. 38...Lb4 39.Kf1 Lc5 40.a4 Lb4 41.Dd4 Lc5 42.Db2 Lb4 43.Le1 Lxe1 44.Kxe1 Dc5 45.Kf1 De3 46.Kg2 Kh7 47.Df2 Dc3 48.e6 fxe6 49.Da7+ Kh8 50.Lxe6 Db2+ 51.Df2 Dc3 52.Lc4 Kg7 53.h4 De5 54.Dd2 gxh4 55.Dd7+ Kf8 56.Dd8+ Le8 57.Dxh4 Kg7 58.Dh2 Db2+ 59.Kh3 Dc3 60.Dc7+ Kh8 61.Df4 Kg7 62.e5 Die schwarze Dame ist von der Verteidigung des eigenen Königs abgeschnitten. Das simple Ende [ 62.e5 Db4 63.Df6+ Kh7 64.Ld3+ Kg8 65.Lf5 Db7 66.Le6+ Lf7 67.Dxf7+ Dxf7 68.Lxf7+ Kxf7 69.f4 ersparte sich Dautov.] 1-0

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