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Short vertreibt zwei Dämonen

Brite feiert mit Turniersieg in Budapest Comeback

von FM Hartmut Metz, 24. Mai 2003

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   Zehn Jahre nach seinem größten Erfolg ist Nigel Short zurück. Der Engländer hatte 1993 das WM-Finale erreicht, das er allerdings in London gegen Garri Kasparow mit 7,5:12,5 verlor. Danach wurde es still um den stärksten britischen Spieler aller Zeiten. Auf Grund der Millionen-Börse bei der WM stand Short nicht mehr so unter Druck wie viele andere Kollegen aus der Weltspitze - und eilte deswegen nicht mehr von Turnier zu Turnier. Der in Griechenland lebende Globetrotter spielte lieber nur dort, wo es entweder ein ordentliches Startgeld gab oder ihn auch aus touristischen Gesichtspunkten hinzog: nach China oder in die Dominikanische Republik beispielsweise. Sicher auch mangels Praxis rutschte Short so von seinem einst 1988 gehaltenen dritten Weltranglistenplatz deutlich ab. Derzeit befindet er sich mit 2685 Elo auf Platz 18.

   Das wird sich jedoch im nächsten Ranking ändern. Der für seinen schwarzen Humor bekannte Großmeister, der in acht Tagen seinen 38. Geburtstag feiert, verbessert durch seinen Turniersieg in Budapest nicht nur seine eigene Bestmarke von 2686 Elo - sondern wird auch erstmals die 2.700er-Schallmauer durchbrechen. Damit erfüllte sich sein sehnlichster Wunsch auf den 64 Feldern. Short vertrieb in der ungarischen Hauptstadt überdies einen zweiten Dämon. Das Schandmaul von der Insel wies gegen seine Angstgegnerin Judit Polgar zwischenzeitlich eine Bilanz von unglaublichen 0:11 auf, die er danach auf 2:13 "verbessern" konnte! Die Jüngste der Polgar-Schwestern legt sich gegen Short immer besonders ins Zeug, weil der einst gelästert hatte, das ungarische Mädchen-Trio seien "trainierte Affen". Zudem würden Frauen niemals große Schachspieler werden, weil ihnen "der Killerinstinkt" fehle.

   In der entscheidenden Partie des Wettbewerbs schlug Short diesmal die weltbeste Dame nach einem siebenstündigen Marathon in 75 Zügen. Mit 6,5 Punkten lag die englische Nummer eins somit am Ende einen ganzen Zähler vor Judit Polgar (5,5) und WM-Finalist Peter Leko (5). Christopher Lutz schloss nach einem völlig verkorksten Start noch mit 4,5 Punkten zu Boris Gelfand (Israel) und Junioren-Weltmeister Peter Acs (Ungarn) auf. Der vierte Rang ist mehr als achtbar für den Spitzenspieler des deutschen Vizemeisters SG Köln-Porz.

   Judit Polgar bewies nach ihrer zweiten Niederlage (sie verlor auch noch gegen ihren Landsmann Leko) Nehmerqualitäten. Die Fans in ihrem Heimatland, die das Topturnier mit den eigenen Stars aufmerksam verfolgten, versöhnte die Weltranglistenzehnte der Herren sogleich mit einer brillanten Angriffspartie gegen U18-Weltmeister Ferenc Berkes. Da musste selbst Short ehrfurchtsvoll anerkennen: "In solchen Positionen ist Judit ein Killer, weil sie die Mattmöglichkeiten schlicht und ergreifend riecht!"










W: Polgar S: Berkes
Budapest, 18.04.2003

 

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 dxe4 5.Sxe4 Le7 6.Lxf6 Lxf6 7.Sf3 0-0 8.Dd2 Sd7 9.0-0-0 Le7 10.Ld3 b6 [ Wenig erbaulich war in Monaco zwischen Wesselin Topalow und Jewgeni Barejew 10...c5 11.Sxc5 Sxc5 12.dxc5 Dd5 13.Kb1 Dxc5 14.h4 b6 15.Sg5 h6 16.Lh7+! Kh8 17.Le4 Tb8 18.Df4! Lb7 19.Lxb7 Txb7 20.De4 Die Pointe. Weiß droht Matt und der Turm auf b7 hängt. 20...Lxg5 21.Dxb7 Lf6 22.Df3 Tc8 23.c3 b5 24.Tc1 a5 25.g4 und die Partie endete nach 23 weiteren Zügen siegreich für den materiell überlegenen Anziehenden.]

11.Seg5 h6
12.Lh7+!N Ein neuer Zug, der der Idee von Topalow ähnelt. Üblich war bisher der Standardangriff mit [ 12.h4 , auf den sich Berkes sicher vorbereitet hatte.]

12...Kh8 13.Le4 hxg5!?
Nach [ 13...Tb8 14.h4+/- verfügt Weiß erneut über prächtige Angriffsmöglichkeiten, da nun auch noch der schwarze König auf der h-Linie die Attacke erleichtert.]

14.g4!!
Eine glänzende Idee! Polgar blockiert den g5-Bauern und droht hernach mit h4 die h-Linie für einen tödlichen Angriff aufzureißen. [ Ein Schnitzer wäre indes 14.Lxa8?? g4 und der Springer muss auf f3 verharren, weil 15.Se5?? Lg5 die Dame kostet.]

14...Tb8 15.h4 g6
[ 15...gxh4 rettet nicht: 16.g5 Kg8 17.Df4 f5 18.Dxh4 fxe4 19.Dh7+ Kf7 20.Dh5+ g6 21.Dh7+ Ke8 22.Dxg6+ Tf7 23.Th7 Lxg5+ 24.Sxg5 Dxg5+ 25.Dxg5 Txh7 26.Dg6+ ( 26.Dg8+? Sf8 ) 26...Tf7 27.Dxe6+ Te7 28.Dg6+ Kd8 29.Th1 und Weiß gewinnt dank der unkoordinierten schwarzen Figuren.; Nicht besser ergeht es dem U18-Weltmeister nach 15...Kg8 16.hxg5 g6 Erlaubt die gemächliche Verdoppelung der Türme auf der h-Linie. 17.Th6 Te8 18.Tdh1 Sf8 19.Th8+ Kg7 20.Df4 Ld6 21.Se5 De7 22.Lxg6! fxg6 23.Dxf8+!! Dxf8 24.T1h7# ]

16.hxg5+ Kg7 17.Df4 Lb7
Der Zug wurde später getadelt. Doch Schwarz hat keine ausreichende Verteidigung mehr: [ 17...Ld6 18.Se5 Lb7 19.Lxb7 Txb7 20.Th6 und die Drohungen nach 21.Tdh1 sind auf der h- und f-Linie nicht mehr sinnvoll zu parieren.; 17...Th8 18.Txh8 Dxh8 19.Se5 De8 ( 19...Dg8 20.Th1 Sf8 21.Sc6 ) 20.Th1 Lb7 21.Lxb7 Txb7 22.Sxd7 Dxd7 23.De5+! f6 24.Dh2 Kf7 25.Dh7+ Ke8 26.Dxg6+ Kd8 27.Th8+ verliert ebenso.]

18.Th7+!!
Ein hübsches Turmopfer als Krönung, durch das Polgar das entscheidende Tempo auf der h-Linie gewinnt.

18...Kxh7 19.Dh2+ Kg8 20.Th1 Lxg5+ 21.Sxg5 Dxg5+ 22.f4 Dxf4+
Nur so ist das umgehende Matt noch abzuwenden.

23.Dxf4 Lxe4 24.Dxe4
Angesichts des Materialnachteils und der noch immer gefährdeten Königsstellung - Weiß kann mit g5 oder Th3 nebst Dh1 neue Drohungen schaffen - streckte Berkes die Waffen.
1-0

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