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Tim Krabbé hinterlässt Spuren

Bekannter Romanautor mit einem Faible fürs Schach

von FM Hartmut Metz, 26. April 2003

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

Tim Krabbe

Die Getränke sind bereitet: Tim Krabbé harrt der Gäste, die zu seinem 60. Geburtstag kommen.

 

   Tim Krabbé ist nicht nur ein äußerst geistreicher Schachkolumnist. Der 60-Jährige, der vor wenigen Tagen seinen runden Geburtstag feierte, sorgt auch als erfolgreicher Schriftsteller und Drehbuchautor für Aufsehen. Der neueste Roman des Holländers heißt in Deutschland "Die Grotte" und wurde vor zwei Jahren von Martin Koolhoven verfilmt. Tim Krabbé schrieb auch das Drehbuch dazu.

 

Tim Krabbe

Der Schriftsteller vor einem Plakat, das für seine Bücher wirbt.

 

   Weltweit für das größte Aufsehen sorgte Krabbés Werk "Spurlos". Das liegt sicher auch an der zweifachen Verfilmung: "Spurlos verschwunden" nannte Regisseur George Sluizer 1988 die niederländisch-französisch Produktion, die mehrere Auszeichnungen erhielt. Die Geschichte eines Mannes, der seine an einer Tankstelle spurlos verschwundene Freundin sucht und später ihr Schicksal erleidet, rückte vier Jahre später noch mehr in den Fokus der Cineasten: Sluizer produzierte 1992 für Hollywood ein Remake mit Kiefer Sutherland, Jeff Bridges und Sandra Bullock in den Hauptrollen. Die Popularität von Bullock erreichte ein anderer Krabbé nie - aber Jeroen, der Bruder von Tim, mimte immerhin im James-Bond-Film "Der Hauch des Todes" (1987) den Gegenspieler von Timothy Dalton, General Georgi Koskow.

 

Tim Krabbe

In der B-Gruppe in Wijk aan Zee spielte Tim Krabbé zwei prächtige Partien.

 

   Als Schachspieler rückte Tim Krabbé in den 60er Jahren in den Mittelpunkt. So bezwang er bei den niederländischen Meisterschaften 1967 Großmeister Jan Hein Donner. 1971 sagte sich Krabbé vom Turnierschach los. Lediglich bei Computer-Turnieren und Show-Veranstaltungen ließ er noch ab und an sein Können aufblitzen. So remisierte er im Simultan gegen Viswanathan Anand und schlug gar Anatoli Karpow.

 

Tim Krabbe

Tim Krabbé bei seiner letzten Teilnahme an den niederländischen Meisterschafften anno 1971.

 

   Erstmals mit dem königlichen Spiel beschäftigte sich der Amsterdamer 1972 in Buchform, als er eine Biographie über den legendären Bobby Fischer verfasste. Als Schachautor der besonderen Art machte der Schriftsteller anno 1974 mit dem Werk "Schaakkuriosa" auf sich aufmerksam. Drei Jahre später folgte "Nieuwe schaakkuriosa". Die beiden brillanten Bände erschienen über zehn Jahre später als Übersetzung im Econ-Verlag unter den Titeln "Schach-Besonderheiten 1" (1987) und "Schach-Besonderheiten 2" (1988). Dabei befasst sich Krabbé mit allen erdenklichen Kuriositäten, die in Partien entstanden. Früheste Rochade, späteste Rochade, Begegnungen, in denen möglichst lange kein Schlagfall eintrat und so fort.

   Diesem Hobby frönt der Niederländer bis heute auf seiner englischsprachigen Webseite (www.xs4all.nl/~timkr/chess/chess.html). Wer ungewöhnliche Partien zu Themen wie "Die Mutter aller Gabeln" sucht, findet keine bessere Quelle. Eine Fundgrube stellt auch seine Zusammenstellung der "110 herausragendsten Züge der Schachgeschichte" (bis 1998) dar. Aus dieser sind die folgenden zwei Beispiele entnommen. Auf Platz 15 führt Krabbé eine 1981 in London ausgetragene Partie - angesichts seines Humors und der verbreiteten Anekdoten mag es sein, dass der Platz nicht nur zufällig gewählt ist. Ausgerechnet im 15. Zug brilliert Jon Tisdall.

 










W: Tisdall S: Lee

 

1.d4 e6 2.e4 c5 3.Sf3 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 Lb4 6.e5 Se4 7.Dg4 Sxc3 8.Dxg7 Tf8 9.a3 Sb5+ 10.axb4 Sxd4 11.Ld3 Db6 12.Lg5 Sf5 13.Lxf5 exf5 14.0-0-0 Dg6 15.e6!! Wie sich Schwarz nun dreht und wendet - er ist verloren. 15...d5 Die Dame ist wegen baldigen Matts tabu: 15...Dxg7 16.exd7+ Sxd7 17.The1+ De5 18.Txe5+ Sxe5 19.Td8# ] 16.Txd5 Sc6 [ 16...fxe6 17.Td8# ] 17.e7 Sxe7 18.Td8+ [ 18.Td8+ Kxd8 19.Dxf8+ Kc7 20.Dxe7+ Ld7 21.Lf4+ Kb6 ( 21...Kc8 22.Df8+ Le8 23.Dxe8# ) 22.Dc5+ Ka6 23.Da5# führt auch wieder in allen Varianten zum Matt. 1-0

 

   Ein Klassiker unter den spektakulärsten Partien ist ein Sieg von Frank Marshall 1912 in Breslau. Der Schlusszug des US-Amerikaners ist unglaublich. Krabbé führt ihn auf Platz drei seiner Top 110.

 










W: Lewitzki S: Marshall

 

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 c5 4.Sf3 Sc6 5.exd5 exd5 6.Le2 Sf6 7.0-0 Le7 8.Lg5 0-0 9.dxc5 Le6 10.Sd4 Lxc5 11.Sxe6 fxe6 12.Lg4 Dd6 13.Lh3 Tae8 14.Dd2 Lb4 15.Lxf6 Txf6 16.Tad1 Dc5 17.De2 Lxc3 18.bxc3 Dxc3 19.Txd5 Sd4 20.Dh5 Tef8 21.Te5 Th6 22.Dg5 Txh3 23.Tc5 Dg3!! Schwarz zieht seine Dame auf ein Feld, auf dem sie auf drei verschiedene Weisen geschlagen werden kann: 23...Dg3 24.Dxg3 ( 24.fxg3 Se2+ 25.Kh1 Txf1# ; 24.hxg3 Se2# ) 24...Se2+ 25.Kh1 Sxg3+ 26.Kg1 Se2+ 27.Kh1 Ta3-+ ] 0-1

 

   Auf den beiden Spitzenplätzen führt der erfolgreiche Drehbuchautor ein völlig unerwartetes Springeropfer von Boris Spasski gegen Juri Awerbach in der Eröffnung. Rang zwei nimmt ein berühmter Läuferzug von Alexej Schirow gegen Weselin Topalow ein. Das Opfer der Figur im Endspiel auf dem Feld h3 erschien auch 1998 in der BT-Schachspalte. Seinen 60. Geburtstag feierte Krabbé passend mit einem Wettbewerb für Studien- und Problemkomponisten.


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