Startseite Rochade Kuppenheim

Gwaze stiehlt Kasparow die Schau

Spitzenspieler von Simbabwe gewinnt bei der Olympiade alle Partien

von Hartmut Metz, 23. November 2002

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

   Schach-Olympiaden besitzen ihren eigenen Reiz. Ähnlich den Olympischen Spielen versammeln sich bei diesen Großveranstaltungen Ausnahmekönner und Amateure. Gegeneinander können sie aber nur in der ersten Runde kommen, bevor sich mit 4:0-Siegen gleich die Spreu vom Weizen trennt. Gewinnen können aber auch die Kleinen etwas, was den Charme der Veranstaltung ausmacht: die Einzelwertungen.

   Bei der XXXV. Olympiade im slowenischen Bled stahl Robert Gwaze dem Weltranglistenersten die Schau. Garri Kasparow erspielte zwar mit 2 933 Elo eine phänomenale Turnierrating, aber die beachtlichen 7,5:1,5 Zähler gegen starke Gegner genügten dem Russen nicht zu Einzel-Gold. Hier zählen die Prozentpunkte, die Gwaze vorne sahen. Der passable Spieler, dessen Ratingzahl von 2 280 Elo der eines deutschen Oberliga-Spielers entspricht, gewann alle neun Partien. Vorsichtshalber nahm der Afrikaner nach sieben Auftaktsiegen eine "taktische" Auszeit, bis seine Mannschaftskollegen aus Simbabwe nach mehreren Niederlagen wieder auf zwei schlagbare Gegner trafen. Dabei heimste Gwaze nochmals zwei Punkte ein, um die Zahl der Pflichtspiele für die Brettwertung bestritten zu haben. Danach meldete er sich endgültig ab. Simbabwe belegte nach 14 Runden mit 25:31 Zählern den 102. Platz unter 135 Teilnehmern - feierte indes mit dem Goldmedaillen-Gewinn seines Spitzenspielers den größten Erfolg seiner Geschichte ...

  

Garri Kasparow

Garri Kasparow

 

   Sogar bei der Performance liegt Gwaze theoretisch über Kasparow. Da seine 100 Prozent gegen einen Gegnerdurchschnitt von 2 265 Elo allerdings nicht in eine Leistungszahl umgerechnet werden können, verlieh man dem Afrikaner kurzerhand einen Sonderpreis. Kasparow darf sich nach seinem Comeback im Team des Seriensiegers über andere Bestleistungen freuen: Der 39-Jährige heimste seine siebte Mannschafts-Goldmedaille ein (drei mit der UdSSR, vier mit Russland). Damit liegt der gebürtige Aserbaidschaner jetzt vor Michail Botwinnik und Boris Spasski (beide 6). Auf ebenfalls sieben Olympiade-Siege kommen Paul Keres und Jefim Geller. Einen ersten Platz mehr auf dem Konto hat Michail Tal, Rekordhalter bleibt Tigran Petrosjan mit neun Erfolgen.

   Der Weltmeister von 1963 bis 1969 ist auch unübertroffener Topscorer der Sowjets. Bei zehn Olympiaden von 1958 bis 1978 erhielt Petrosjan sechsmal die Auszeichnung für den besten Score! Von seinen 130 Partien gewann der Armenier 79, remisierte 50 Begegnungen und verlor lediglich eine! Das war 1972 in Skopje gegen einen damals aufstrebenden jungen Deutschen namens Robert Hübner. Der spielte sensationell gut am ersten Brett: Von 18 Partien gewann er zwölf und remisierte nur sechs. Die Niederlage brachte Petrosjan in Rage. In Remisstellung (W: Kg2, Te5, a2, f4, g4, h2; S: Kf7, Td6, a5, b4, g6, h7) überschritt der Sowjet die Zeit - weil die in Skopje verwendeten Uhren offenbar eine Minute vor Ablauf der Zeit fielen. Als der Schiedsrichter den Protest ablehnte und auf Hübners Sieg entschied, warf Petrosjan die Uhr wutentbrannt aufs Brett. Die Szene übertrug das jugoslawische Fernsehen live!

   Während der Baden-Ooser Bundesligaspieler wegen der erstmals durchgeführten Dopingproben auf eine Teilnahme in Slowenien verzichtete, zeigte ein alter Kontrahent einmal mehr eine fantastische Leistung: Der 71-jährige Viktor Kortschnoi führte die Schweiz mit 8,5:3,5 Punkten, die der Performance des Weltranglistensechsten (2 743) entsprechen, auf Platz zwölf. Sein Mannschaftskamerad Joe Gallagher profitierte einmal von einem kuriosen Fehler.

   Selbst den Besten unterlaufen Schnitzer. In einem simplen Endspiel bot sich Peter Leko die einmalige Chance, Kasparow zu schlagen.

 










W: Leko S: Kasparow

 

53.Sf8+! In der Partie spielte Leko 53.Se5? Ld8 54.Sc4 Kd5 mit Remis. 53...Kd6 54.c7! Kxc7 55.Se6+ und Weiß gewinnt. Ein Beispiel: 55...Kc6 56.Sxg5 Kc5 57.Kd3 Kb4 58.Kd4 Ka4 59.Kc4 Ka5 60.Kb3 Kb5 61.Sf3 Kc5 62.Kxa3 Kc4 63.Ka4 Kc5 64.Kb3 Kb5 65.a4+ Ka5 66.Sd4 Ka6 67.Kb4 Kb6 68.a5+ Ka6 69.Ka4 Kb7 70.Kb5 Ka7 71.a6 Kb8 72.Kb6 f3 73.a7+ Ka8 74.Se6 f2 75.Sc7# 1/2-1/2

 

 










W: Gallagher S: Turpanow

 

32...Sf4?? Schwarz hat sich sicher überlegt, was auf Lxf7+ passiert - doch Gallaghers Fortsetzung ist etwas simpler ... 33.Dxg7# 1-0

vorherige Meko Meko-Übersicht nächste Meko