Die Welt setzt Russland erstmals mattAusgerechnet Kasparow und Kramnik Schwachpunktevon Hartmut Metz, 16. September 2002 |
Erstmals hat der "Rest der Welt" die größte Schachnation matt gesetzt: Nach 100 Schnellschach-Partien unterlag Russland mit 48:52. Die Niederlage des Nachfolgestaats der Sowjetunion kam umso überraschender, weil beim "Rest der Welt" die zwei besten Spieler hinter dem Inder Viswanathan Anand abgesagt hatten. "Wir sind favorisiert. Würden Michael Adams und Weselin Topalow mitspielen, wäre es umgekehrt", tönte der Weltranglistenerste Garri Kasparow. Ausgerechnet er selbst mit drei Schlappen und nur einem Sieg, und Weltmeister Wladimir Kramnik (4:5 Punkte) erwiesen sich in Moskau überraschend als russische Schwachpunkte. Emsiger punktete dagegen Peter Swidler für die Gastgeber. Der Baden-Ooser Bundesligaspieler ließ sich auch nicht durch einen Beinbruch, den er direkt vor dem Match in einem Fußballspiel erlitten hatte, aus der Ruhe bringen. Der St. Petersburger überzeugte mit 5:4 Punkten sogar noch mehr als sein neuer Ooser Mannschaftskamerad Viswanathan Anand, der als Spitzenspieler der Welt auf dieselbe Punktzahl kam.
Während das zweite Duell zwischen der UdSSR und dem "Rest der Welt" anno 1984 (Endstand 21:19) nur wenigen Schachspielern in Erinnerung blieb, gilt der erste Vergleich 1970 als "Match des Jahrhunderts". Der Hauptverantwortliche dafür war einmal mehr Bobby Fischer. Der exzentrische Amerikaner trieb die Organisatoren in Belgrad zur Weißglut. Begnügten sich alle anderen Teilnehmer mit einem Honorar von 500 US-Dollar, verlangte Fischer das Zehnfache. Nachdem dieses bewilligt war, beharrte der 27- Jährige darauf, dass die Spieler nicht miteinander reden dürfen. Außerdem verbat sich das Genie aus Brooklyn jegliche Film- und Fotoaufnahmen während der Partien, ja sogar Zeichnungen wurden auf sein Betreiben hin untersagt.
Zudem wollte Fischer am prestigeträchtigen ersten Brett Platz nehmen. Indes pochte auch Bent Larsen darauf. Der Däne war im Gegensatz zu dem seit 1968 nahezu inaktiven Rivalen aus dem Westen von Erfolg zu Erfolg geeilt. Fischer scherte es zunächst wenig - und lenkte dann doch ein, am zweiten Brett zu sitzen. Dort zertrümmerte er Ex-Weltmeister Tigran Petrosjan in den beiden Auftakt-Partien, obwohl der zäh verteidigende Armenier auch schon manches Jahr ohne einzige Niederlage überstanden hatte. Mit zwei anschließenden Remis sorgte Fischer für den einzigen 3:1-Erfolg der Welt in den zehn Einzel-Duellen.
Larsen verdiente sich ebenso ein "Luxus-Automobil" der Marke "Moskwitsch", die für die Sieger an den beiden Spitzenbrettern ausgesetzt worden waren. Nachdem Larsen die Schlappe aus der zweiten Runde gegen Boris Spasski ausgeglichen hatte (die legendäre Partie finden Sie nachstehend), wollten die Sowjets keine Blamage ihres Weltmeisters riskieren und wechselten Leonid Stein als Ersatz ein, der prompt auch unterlag. Trotz der Überlegenheit der Welt auf den Positionen eins bis vier - der Ungar Lajos Portisch und der Tscheche Vlastimil Hort hatten Viktor Kortschnoi und Lew Polugajewski mit 2,5:1,5 das Nachsehen gegeben - setzte sich die UdSSR dank der Stärke an den hinteren Brettern mit 20,5:19,5 hauchdünn durch.
Diesmal wurde in Moskau die Hegemonie der seit dem Zweiten Weltkrieg herrschenden Schach-Zaren beendet. Ein Trost bleibt den alten russischen Kadern allerdings: Bis auf Anand, die Ungarn Peter Leko und Judit Polgar sowie den Engländer Nigel Short entstammen die restlichen 20 Stamm- und Ersatzspieler ausnahmslos der sowjetischen Schachschule, die in der Ukraine, Israel und anderen Staaten nachwirkt.
vorherige Meko | Meko-Übersicht | nächste Meko |