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Krieg oder Frieden?

Computer-Match: Kasparow und Iljumschinow treiben wieder unlautere Motive um

von Hartmut Metz, 17. August 2002

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   Ein Zeichen gegen den Terror will Garri Kasparow angeblich setzen. "Der Staat Israel" sei ihm immer wichtig gewesen, betonte der in Aserbaidschan geborene Weltranglistenerste, als er vorige Woche ein weiteres Match zwischen einem Computer-Programm und ihm selbst ankündigte. Ab dem 1. Oktober soll es in Jerusalem um eine Million Dollar Preisgeld gehen. 700.000 Dollar hat der Ex-Weltmeister bereits sicher, weitere 100.000 gesellen sich im Falle des Erfolgs über Deep Junior 7 hinzu. Das Programm der Israelis Amir Ban und Shay Bushinsky gewann vor knapp einem Monat in Maastricht zum dritten Mal die Computer-Weltmeisterschaft. Künftig wolle der Weltverband FIDE alljährlich einen Wettkampf zwischen dem besten Programm und dem stärksten Großmeister sponsern, kündigte FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow an.

   Kasparow stilisierte das Duell im Herbst natürlich gleich zu einem Revanche-Kampf für seine 2,5:3,5-Niederlage 1997 gegen den IBM-Großrechner Deep Blue hoch. Für seine damalige Schlappe führt der 39-Jährige bis heute billige Ausreden ins Feld. Fakt bleibt: Er spielte in der letzten Partie gegen Deep Blue jämmerlich und verlor deshalb sang- und klanglos. Historisch wird Kasparow nie mehr den Makel los, der erste Weltmeister gewesen zu sein, der einem Computer unterlag. "Seit diesem Zeitpunkt ist für die Allgemeinheit geklärt, dass Maschinen besser Schach spielen als Menschen", befindet Viswanathan Anand und trifft damit den Kern. Der indische Weltranglistendritte vom Bundesligisten SC Baden-Oos hält deshalb weitere Vergleiche dieser Art für "reizlos".

   Der Reiz für Kasparow und Iljumschinow, die sich nach jahrelanger Feindschaft zu einer unheiligen Allianz verbündeten, liegt nicht darin, Frieden in Israel zu stiften. Das Hauptmotiv für die sechs Partien gegen Deep Junior 7 ist eine Kriegserklärung an Wladimir Kramnik. Dem Konkurrenz-Weltmeister, der Kasparow vor zwei Jahren entthront hatte, soll die Schau gestohlen werden. Und das, obwohl er im Frühling in Prag in Sachen WM-Titelvereinigung mit der FIDE einlenkte - ein Entgegenkommen, das Kasparow als Weltmeister nie gezeigt hatte. Drei Tage nach dem Auftakt in Jerusalem beginnt in Bahrain das schon seit langem angekündigte Millionen-Match zwischen Kramnik und Fritz 7. Wie in Israel spielt somit der Weltmeister gegen den Weltranglistenersten - allerdings mit vertauschten Rollen, ist Fritz 7 doch im Computer-Ranking die Nummer eins und in Bahrain der Mensch der Weltmeister.

   Das weltweit beliebteste Schachprogramm fehlte bei der WM in Maastricht. So entwickelte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Deep Junior und Shredder. Der Ex-Champion von Stefan Meyer-Kahlen ließ das Programm von Ban und Bushinsky nach neun Runden aufschließen, obwohl Shredder das direkte Duell für sich entschieden hatte. Bei jeweils 7,5 Zählern kam es zum Stichkampf, den Deep Junior dank des nachstehenden Sieges mit 1,5:0,5 gewann.

 










W: Shredder S: Deep Junior 7

 

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sc3 Sf6 4.e3 e6 5.Sf3 Sbd7 6.Dc2 Ld6 7.Le2 0-0 8.0-0 dxc4 9.Lxc4 a6 10.e4 e5 11.Td1 De7 12.d5? Ein fragwürdiger Plan. Besser ist h3, um dem schwarzen Läufer später das Feld g4 zu nehmen. 12...Sb6 13.Ld3 [13.Lb3 cxd5 14.Sxd5 Sbxd5 15.Lxd5 Sxd5 16.exd5 e4-/+ ist bereits für Schwarz klar besser.] 13...cxd5 14.exd5 Lg4 15.Lg5 h6 16.Lxf6? [Nach 16.Lh4 g5 17.Lg3 Sh5 18.Lf5 Lxf5 19.Dxf5 Sg7 20.Dh3 h5 21.Se4 f6 22.Sfd2 h4 23.Lxh4 gxh4 24.Sxd6 Dxd6 25.Se4 De7 26.Dxh4 Sd7 27.Td3 Tac8 28.Th3 Kf7 29.Tg3 Tg8 30.Dh7 Df8 31.h4 Ke7 32.h5 Df7 33.d6+ Ke6 34.Tg6 Kd5 35.h6 Sf8 36.Txg7 Dxg7 37.Dxg7 Txg7 38.Sxf6+ gewann Weiß sogar in der Partie A. Tregubow - C. Balijew (Tomsk 1999).] 16...Dxf6 17.Lh7+?! [17.Le2 ist zäher] 17...Kh8 18.Le4 Dd8 19.h3 Lxf3! 20.Lxf3 f5-/+ Shredder kommt mit seinem d-Bauern nicht voran, während Deep Junior problemlos sein starkes Bauernpaar vorantreiben kann, um den weißen König bloßzulegen. 21.Le2 Dh4 22.a4 e4 23.a5 Sd7 24.Da4 Tad8 25.Dc2 Tc8 26.Te1 Tc7 27.Dd2 Te8 28.Dc2 Sf6 29.Lf1 e3! Damit schafft Deep Junior Einbruchsfelder. 30.g3 [Oder 30.Txe3 Txe3 31.fxe3 Dg3 32.Dxf5 Dxe3+ 33.Kh1 (33.Df2?? Lh2+ 34.Kxh2 Dxf2 ) 33...Dg3 34.Kg1 Tf7! 35.Ld3 Dh2+ 36.Kf2 (36.Kf1 Dh1+ 37.Ke2 Dxa1 ) 36...Sg4+ 37.hxg4 Dg3+ 38.Ke2 Dxg2+ 39.Kd1 Txf5 40.Lxf5 Df1+ 41.Kc2 Dxa1 ] 30...Dg5 31.Kh2 f4 In solchen Stellungen sind Programme in ihrem Element. Unerbittlich setzt Deep Junior nach. 32.Kh1 f3 33.h4 Dh5 34.Txe3 Andere Züge retten den Anziehenden auch nicht mehr. 34...Txe3 35.Kg1 [35.fxe3 Dg4 36.Ld3 Dxg3 37.Tf1 Dh3+ 38.Kg1 Sg4 39.Tf2 Dg3+ 40.Kf1 Sxe3+ 41.Ke1 Sxc2+ ] 35...Sg4 [35...Sg4 36.Dd2 Lxg3 37.fxg3 De5 lässt die weiße Stellung kollabieren.] 0-1

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