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Prager Titel-Sturz

Hoffnungen auf eine Vereinigung der Weltmeisterschaft keimen

von Hartmut Metz, 4. Mai 2002

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   In Prag hat sich nahezu alles versammelt, was im Weltschach Rang und Namen besitzt. Bis morgen läuft ein beeindruckendes Schnellschach-Turnier, bei dem nur FIDE-Weltmeister Ruslan Ponomarjow fehlt. Mit 500 000 Euro Preisfonds hat die Telefonfirma Eurotel eine bemerkenswerte Veranstaltung auf die Beine gestellt, bei der die 10 000 Eintrittskarten im Nu vergriffen waren! Die Zuschauer kamen auch gleich in den ersten Runden auf ihre Kosten. Anatoli Karpow sorgte im Achtelfinale für die erste faustdicke Überraschung und schlug seinen zweiten Nachfolger auf dem WM-Thron, Wladimir Kramnik. Im gestrigen Halbfinale (nach Redaktionsschluss dieser Seite beendet) traf der 50-jährige Altmeister auf Alexej Schirow.

   In der zweiten Hälfte des Tableaus spielte Ex-Weltmeister Viswanathan Anand gegen Wassili Iwantschuk. Der Ukrainer bestätigte einmal mehr, dass er zu den gefährlichsten Gegnern von Garri Kasparow zählt. Gegen den Weltranglistenersten ist der 33-Jährige stets besonders motiviert. In der fünften Partie eliminierte Iwantschuk Kasparow mit 3:2.

   Die Tage von Prag könnten aber nicht nur wegen des hochkarätigen Spektakel in die Schach-Geschichte eingehen. Viel wichtiger ist das Treffen der führenden Großmeister, um die Zukunft ihres Denksports zu debattieren. Außerdem legte die Pariser Sponsorin Nahed Ojjeh zusammen mit der Einstein Group, die die Rechte der Braingames-WM mit Kramnik übernahm, Vorschläge für eine Titelvereinigung vor. Die Chance, dass alle Parteien zustimmen, ist so groß wie schon lange nicht mehr seit dem Titel-Wirrwarr von 1993.

   Jede Seite befindet sich in Zugzwang. Turniere wie im kasachischen Astana fallen aus, die Vermarktungsfirma Octagon bringt dem Weltverband FIDE kein Geld und Kirsan Iljumschinow ist es auch langsam leid, immer wieder seine Moneten in den Schachzirkus zu pumpen. So vor kurzem in Dubai beim Schnellschach-Weltcup geschehen. Der FIDE-Präsident reist extra nach Prag, um sich mit Ojjeh und den Spielern zu beraten.

   Kramnik befindet sich in einer Krise. Er spielt selten und das auch noch mit wenig Erfolg, seit er Kasparow dessen Weltmeister-Titel abknöpfte. In Prag konnte er vor dem Aus gegen Karpow auch nur gegen Zbynek Hracek sein Können beweisen.

 










W: Hracek S: Kramnik

 

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.d3 Lc5 5.0-0 d6 6.c3 0-0 7.Sbd2 a6 8.Lxc6 bxc6 9.Sc4 h6 10.b4 La7 11.De2 c5 12.Sa5 cxb4 13.cxb4 Ld7 14.Ld2 Tb8 15.a3 c5 16.h3 cxb4 17.Lxb4 Sh5 18.Dd2? [18.Tfc1 Turm oder Damen müssen ziehen, da auch Sg3 (der weit entfernte Läufer auf a7 fesselt den f2-Bauern) droht! 18...Sf4 19.Df1 Lb5 20.Sc4 ] 18...Df6 Kramnik leitet nun mit einer Reihe von Drohungen eine hübsche Gewinnvariante ein: 19.Kh2?! [19.Sc4 ist hartnäckiger, verliert aber ebenso. 19...Sf4 20.Lxd6 Dg6 21.g4 (21.Se1 Sxg2! 22.Kh2 (22.Sxg2 Lxh3 23.Sce3 Dxd6 verliert.) 22...Sxe1 23.Taxe1 De6 24.Kg1 Dxh3 25.Sxe5 (25.Lxf8 Dg3+ 26.Kh1 Dh4+ 27.Kg1 Lh3 28.Se3 Txf8 ändert nichts am schwarzen Vorteil.) 25...Dg3+ 26.Kh1 Dh4+ 27.Kg1 Lh3 28.d4 Lxd4 und wieder befindet sich Kramnik auf der Siegerstraße.) 21...Sxh3+ 22.Kh2 Lxg4 23.Sfxe5 Dh5 24.Kg2 Tfd8! 25.Lxb8 Txd3! 26.Dxd3 Sf4+ 27.Kg1 Sxd3 28.Lxa7 Sxe5 29.Sxe5 Dxe5 30.f4 Ansonsten folgt Lf3 mit Mattangriff. 30...Dxe4 ] 19...Sf4 20.Sg1 Dg6 21.f3 Damit scheint das Schlimmste, die Mattdrohung auf g2 abgewendet, aber ... 21...Le3! 22.Dc2 [22.Da2 Sxd3 ; 22.Db2 Ld4 23.Dd2 Lxa1 ] 22...Tfc8 23.Sc4 d5! Ein schöner Kniff zum Abschluss. [23...d5 24.exd5 Txc4 erobert eine Figur, weil der d-Bauer gefesselt ist und die Dame den Turm wegen des Matts auf g2 nicht nehmen darf.] 0-1

 

Schachlektüre

Alexander Raetzki/Maxim Tschetwerik, "Die Katalanische Eröffnung", Schachverlag Kania, 17,50 Euro.

Das Werk ist nicht nur optisch gefällig aufgemacht, sondern bietet auch interessanten Diskussionsstoff über die zunehmend beliebte Katalanische Eröffnung, die nach den Zügen 1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.g3 entsteht. Der Internationale Meister Raetzki und FIDE-Meister Tschetwerik, haben keinen Variantenwust von über 500 Seiten produziert, sondern präsentieren auf rund 200 Seiten nur die Abspiele, die ihnen für Weiß günstig erscheinen und Schwarz zur Verteidigung benötigt. Zum einen offerieren die Autoren Analysen der Topspieler, zum anderen geben sie eigene Erfahrungen mit dem System weiter. Lediglich der zuweilen holprig formulierte und mit Fehlern versehene Text ist in dem ansonsten ansprechenden Werk hie und da zu bemängeln.


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