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McShane besitzt Energie für weitere 12 Stunden

Vorteil für Online-Spieler beim Kuppenheimer 12-Stunden-Blitz-Turnier

von Hartmut Metz, Juli 2002

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   1965 spielte Bobby Fischer beim Capablanca-Memorial in Havanna per Telex mit, nachdem er kein Visum erhalten hatte. Was das Medium Internet anlangt, kam es am 21. Juni zu einer Weltpremiere: Luke McShane hatte keine Visa-Probleme wie einst Fischer auf Kuba - aber die Anreise von London aus nach Südbaden wäre dem englischen Nachwuchsstar doch zu aufwändig gewesen. So "mischte" er sich über den Fritz-7-Server von Chessbase unters gemeine Volk des Zwölf-Stunden-Blitzturniers der Rochade Kuppenheim. Mit Erfolg! Der 18-Jährige setzte sich mit phänomenalen 50,5:2,5 Punkten souverän vor Robert Rabiega (König Tegel/48,5) sowie den Großmeister-Kollegen Wladimir Epischin (Russland/47), Klaus Bischoff (König Plauen/46,5) und Andrej Schchekatschew (Russland/45,5) durch. Das ehemalige Wunderkind, das derzeit die Schule abschließt und nach 15 Monaten als Schachprofi im Herbst 2003 in Oxford Mathematik und Philosophie zu studieren gedenkt, unterlag nur Rabiega und dessen Fahrer aus Berlin, dem sechstplatzierten Alexander Naumann (SG Solingen/44,5). Der Plauener Bundesligaspieler Michael Kuraszkiewicz knöpfte überdies McShane in der letzten Runde ein Remis ab.

 

Luke McShane

Diesmal nicht am realen Brett, sondern am PC: Luke McShane spielte auf dem Fritz-Server

  

   "Ich muss jetzt nur noch hoffen, dass es keine Dopingprobe auf Koffein gibt", scherzte der Gewinner von 1.000 Euro (inklusive eines Chessbase-Megapakets) angesichts seines enormen Kaffee-Konsums die Nacht hindurch im Online-Chat auf www.Schach.de. An dem nahm auch Internet-Weltmeister Roland Schmaltz rege teil. Der Stammgast beim Sparkassen-Cup weilte diesmal beim New York Open, ließ es sich aber nicht nehmen, die auf dem Server ausgefochtenen Duelle - neben der Live-Übertragung auf der obigen Adresse ergänzte die Webseite www.RochadeKuppenheim.de das Angebot mit regelmäßig aktualisierten Berichten - zu kommentieren. So wies der im Internet unter dem Pseudonym gefürchtete "Hawkeye" (Habichtauge) blitzschnell auf eine verpasste Siegchance von IM Srdjan Panzalovic (Lampertheim) hin.

   Mancher Akteur beklagte den Vorteil, den der Großmeister durch das Spielen im Internet besaß. Nicht nur, dass die Temperaturen in seinem Zimmer zu Hause angenehmer waren als in der Wörtelhalle - auch mancher Teilnehmer hatte Probleme mit dem Umgang mit der Maus. Selbst in der Finalrunde strich McShane ein paar Zähler mehr oder minder kampflos ein. "Wenn er hier in Kuppenheim vor Ort gespielt hätte, wäre es für ihn weit schwer geworden", betonte der sechsfache Rekordsieger Bischoff. Der Schwabe sah aber auch ein, dass der Preisfonds ohne das Co-Sponsoring von Chessbase die 4.000 Euro nicht überschritte. Bei Startgeld-Einnahmen von knapp 2.300 Euro lägen die Verdienstmöglichkeiten der Profis ansonsten deutlich darunter. Im Interview mit Hartmut Metz räumte Luke McShane offen den Vorteil für den Online-Spieler ein.

 

Frage: Herr McShane, welchen Eindruck gewannen Sie bei Ihrer ersten Teilnahme in Kuppenheim?

Luke McShane: Ich habe das Turnier sehr genossen. Von zu Hause aus zu spielen, empfand ich als angenehm - und ich spielte ordentlich, deshalb fühlte ich mich gut.

 

Frage: War es nicht zu anstrengend, erstmals zwölf Stunden zu blitzen?

McShane: Ja, es war hart. Bei einem Blitzturnier in Dordrecht (Anmerkung: bei den niederländischen Mannschafts-Blitzmeisterschaften) spielte ich einmal rund acht Stunden am Stück, aber zwölf Stunden ist viel, viel länger! Nach einer Weile konnte ich jedoch damit umgehen. Am Schluss verfügte ich noch über genügend Energie. Ich hätte weitere zwölf Stunden spielen können!

 

Frage: Einige Ihrer starken Gegner beklagten den Vorteil für den einzigen Online-Spieler unter 136 Teilnehmern. Selbst mancher Akteur in der Finalrunde konnte nicht richtig im Internet spielen, geschweige denn mit der Maus umgehen ...

McShane: Ich pflichte bei, dass ich im Vorteil war. Ich spielte jede Partie im Internet, während meine Kontrahenten sich für eine einzige Begegnung auf eine neue Situation einstellen mussten. Aber so war das eben vorgesehen. Vor Turnierbeginn fürchtete ich, das ständige Online-Spielen führe womöglich zu mehr Patzern meinerseits. Sicher, es gab einige Vorwürfe, weil ich mehrere Partien auf Zeit gewann, anstatt Unentschieden zu akzeptieren. Doch meine Einstellung lautete: Wenn die Partie tot remis ist, werde ich fraglos die Punkteteilung akzeptieren.

 

Frage: Klaus Bischoff stand auf Gewinn, als er bei zwölf gegen 40 Sekunden Bedenkzeit resignierte und nicht mehr zog. Das Endspiel war nicht mehr schnell genug zu gewinnen.

McShane: Bischoff hatte zunächst minimalen Vorteil. In meinen Augen investierte er einige Zeit dafür, um seine Stellung zu verbessern. Dann wurde ihm klar, dass er zeitlich deutlich in Rückstand geriet und bot ein Remis. Ich lehnte ab und versuchte Gegenchancen zu finden. Vielleicht war die Schlussstellung verloren, keinesfalls jedoch handelte es sich aber hierbei um ein eindeutiges Remis.

 

Frage: Wladimir Epischin besaß im Endspiel Dame sowie Springer gegen Läufer und konnte Sie in einem Zug matt setzen. Indes reklamierte er lautstark bei nur noch zwei Sekunden auf der Uhr ein Remis, ohne jedoch den auf dem Fritz-Server vorgesehenen Button zu drücken.

McShane: Gegen Epischin lag der Fall ganz anders als bei Bischoff. Ich stand auf Verlust. Hätte er das Remis früher angeboten, hätte ich es zweifellos angenommen. Bei weiterem Spiel auf Gewinn trägt er das natürliche Risiko, auf Zeit zu verlieren. Es stimmt, dass er in der Schlussstellung die Möglichkeit zu einem Matt in einem Zug besaß. Für mich sah es jedoch in London so aus, als ob er das Unentschieden erst nach der Zeitüberschreitung offerierte. Stellen Sie sich vor, dieselbe Situation würde am realen Brett vorkommen … Ich erinnere mich auch an eine weitere Partie, die ich mit zwei Minusbauern auf Zeit gewann. Ich denke, der Grund für diesen Sieg bestand darin, dass ich im Mittelspiel über riesigen Vorteil verfügte, meinen Gegner zu schwerem Brüten zwang, was ihn Zeit kostete. Die Zeit ist in Vier-Minuten-Partien ein gewichtiger Faktor (Anmerkung: Da die Übertragungszeiten auch als Bedenkzeit genutzt und die Figuren "gedroppt" werden können sowie um Zeitverzögerungen im gesamten Turnierverlauf zu vermeiden, erhielten die Online-Akteure eine Minute weniger auf der Computer-Uhr). Es beweist doch viel, dass ich kein einziges Remis anbot. Lediglich die letzte Partie gegen Michael Kuraszkiewicz bildete eine Ausnahme, da ein offensichtliches Dauerschach auf dem Brett stand. Das musste ich geben, nachdem ich einen Turm einbüßte. Ich nahm auch keine Remisofferte an, selbst wenn ich damit den Verlust riskierte. Ich spielte in jedem Duell von Beginn an auf Gewinn. Außerdem bedenken Sie: Ich gewann mit mehr als einem halben Punkt Vorsprung. Selbst wenn ich gegen Bischoff und Epischin remisiert hätte, hätte sich das kaum auf den Endstand ausgewirkt. Wenige Partien ausgenommen spielte ich bessere Züge als meine Widersacher. In den anderen Begegnungen besaß ich ein bisschen mehr Glück mit der Uhr. Aber es hätte nicht zwangsläufig so kommen müssen.

 

Frage: Wollen Sie nächstes Jahr beim Sparkassen-Cup Ihren Titel verteidigen? Oder haben Sie erst einmal die Schnauze voll von Zwölf-Stunden-Blitzturnieren?

McShane: Mir gefiel das Turnier. Ich verteidige gerne meinen Titel im nächsten Jahr, wenn ich wieder gefragt werde.

Frage: Verteidigen Sie Ihren Titel dann lieber am Brett als online?

McShane: Nein. Online zu spielen gewährt mir einen Vorteil - dafür kann ich keine Entschuldigungen anführen.

 

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