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Ohne Kontrolle in der Wohnstube wird betrogen

Schachturniere im Internet sind ein zweischneidiges Schwert

von Hartmut Metz, 8. Dezember 2001

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   Gleich zum Auftakt hatte die Schach-WM im Moskauer Kreml ihre erste Sensation: Titelverteidiger Viswanathan Anand unterlag nach einer völlig missratenen Partie dem französischen Amateur Olivier Touzane. In der zweiten Begegnung besaß der Inder allerdings wenig Mühe, den Schnitzer auszubügeln. Der Internet-Qualifikant war anschließend auch im Schnellschach-Tiebreak chancenlos. Trotzdem frohlockte der Weltverband Fide auf seiner Homepage (www.fide.com), zogen doch immerhin drei der acht über das weltweite Web ausgespielten Teilnehmer in Runde zwei ein. Waren doch nicht nur Betrüger am Werk, die sich wenigstens 10.000 Mark Preisgeld erschwindeln wollten?

   Den in den Top 100 stehenden Großmeistern Peter Heine Nielsen (Dänemark), der Anand unterlag, und dem Russen Sergej Schipow trauten die Experten durchaus zu, dass sie sich in dem erstmals durchgeführten Internet-Wettbewerb durchsetzen. Aber schon bei Igor Nataf tauchten Zweifel auf, ob er sich die rund 20.000 Mark wirklich verdient hat. Es gilt laut der Zeitschrift "Schach" als "offenes Geheimnis", dass sein Freund, der Weltranglistenzehnte Loek van Wely, unter dem Pseudonym "gogor" für den Franzosen das WM-Ticket erkämpfte.

   Die fehlenden Kontrollen in den Wohnstuben verleiteten manchen Teilnehmer zum Einsatz eines Schachprogramms. Der Lübecker Bundesligaspieler Wladimir Epischin glaubt, dass er nur deshalb keinen Qualifikationsplatz erreichte, weil "90 Prozent der Teilnehmer einen Computer benutzten". Die Fide schloss nach Überprüfung einiger Partien drei Qualifikanten aus. So rückte wiederum ein Akteur nach, der mit zweifelhaften Mitteln gearbeitet haben dürfte: Nugzar Zeliakow. Der St. Petersburger gab sich als persönlicher Trainer Epischins aus - wovon der aber gar nichts wissen will. Sein alter Kamerad in der Armee sei selbst zu schwach, um mit Computer-Unterstützung einen Blumentopf zu gewinnen. Deshalb vermutet der in Wismar lebende ehemalige Weltranglistenzehnte, dass womöglich Ex-Weltmeister Alexander Khalifman die Züge für seinen Bürokollegen ersann.

   Bei der WM löste sich das Problem im Handumdrehen. Zeliakow unterlag zum Beispiel mit Weiß in nur 17 Zügen dem Weltklassespieler Alexander Morosewitsch. Im Internet, wo sich Millionen von Spielern auf Schachservern tummeln, bleibt hingegen Schummelei Tür und Tor geöffnet. Allein zur Verbesserung der eigenen Ratingzahl nehmen Stümper Programme zur Hilfe - nur um gegenüber Dritten Eindruck zu schinden.

   Und Geld lässt sich mit Internet-Schach auch keines verdienen. Die Fide lockte 109 Spieler an, die für die WM-Chance 39 Dollar berappten. Von illusorischen 100.000 Teilnehmern, die jeweils 32,50 Dollar entrichten, träumte www.onlinechess.com. Dafür versprach der Anbieter den Siegern eine Turnierteilnahme mit den weltbesten Großmeistern. Für die 1,4 Millionen Dollar Preisgeld wird mit Sicherheit keiner im Internet betrügen - aber nur, weil Online World Chess das Turnier jetzt absagte.

 










W: Zeliakow S: Morosewitsch

 

1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.c4 c6 4.e3 a6 5.Sbd2 Lf5 6.Db3 Dc7 7.Ld3 Lg6 8.0-0 e6 9.Te1 Le7 10.e4 0-0 11.Se5 dxc4 12.Dxc4 c5 13.Sxg6 hxg6 14.a4 Sc6 15.dxc5? [15.Sf3 ist Pflicht, um nicht das Feld e5 dem Gegner zu überlassen. 15...Se5 16.Dc3 Lxc5 Weil Drohungen wie Seg4 mit Angriff gegen f2 und h2 bestehen, ist Weiß bereits im höheren Sinne verloren. Zeliakow übersieht sogar die einfachste Gewinnvariante Morosewitschs. 17.Sf1? 17...Lxf2+! [17...Lxf2+ 18.Kxf2 Dxc3 19.bxc3 Sxd3+ 20.Ke2 Sxe1 21.Kxe1 Sxe4 wollte sich der Anziehende dann doch nicht mehr ansehen.] 0-1

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