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Gefährliche Opas

Erstaunliches Comeback von Klaus Bischoff im Nationalteam

von Hartmut Metz

mehr Schachtexte von Hartmut Metz


   Vor der Schach-Olympiade in Istanbul verhöhnte eine Internet-Seite die deutsche Auswahl als „alte Säcke". Sicher, sie hätten ihre Meriten verdient, aber dem Nachwuchs gebe der zweitgrößte Schachverband der Welt offenbar keine Chance. Acht Runden lang brachte dieselbe Internet-Seite ihr Erstaunen zum Ausdruck, als die Auswahl von Uwe Bönsch von Sieg zu Sieg eilte. 3:1 über Ungarn, Israel und die USA oder 2:2 gegen Topfavorit Russland lauteten die beachtlichen Resultate der „Schach-Opas", bevor sie im neunten Spiel von der Ukraine mit 2,5:1,5 gestoppt wurden. Deutschland liegt aber dennoch nach zwölf von 14 Runden auf Platz zwei hinter Titelverteidiger Russland.

   Ausgerechnet der vieljährige deutsche Vorkämpfer Robert Hübner (52) kassierte gegen den vermeintlich künftigen Weltmeister aus der Ukraine, Ruslan Ponomarjow, die erste deutsche Null. Vor allem die beiden anderen Spitzenspieler, Artur Jussupow (40) und Rustem Dautov (35), brillieren. Aber auch die im Wechsel eingesetzten Christopher Lutz (29) - das „Nesthäkchen" ist auch schon über seinen Zenit hinaus -, Thomas Luther (31) und Klaus Bischoff (39) trugen ihr Scherflein zum unerwarteten Erfolg der an Nummer elf gesetzten Nationalmannschaft bei. Letzterer verpasste gegen die Ukraine den Ausgleich. Trotz eines Mehrbauern musste sich Bischoff nach langem Kampf mit einem Remis gegen Vadim Malaschatko bescheiden. Ähnlich war es beim 1,5:2,5 gegen Bulgarien, als Thomas Luther unterlag.

   Trotzdem darf der Ulmer Bischoff mit seinem bisherigen Abschneiden sehr zufrieden sein. Zwei Siege und fünf Unentschieden verbuchte er bisher bei der Schach-Olympiade. Dass er überhaupt mit nach Istanbul genommen wurde und die Zahl von 100 Länderspielen noch erreicht, hatte ihm vor einem Jahr keiner mehr zugetraut. Sicher, in Blitzpartien ist der 39-Jährige immer noch eine Klasse für sich. Ungezählte deutsche Meistertitel und Turniersiege sowie Platz drei bei der Europameisterschaft belegen die Kunst des „schnellen Brüters" in den Partien mit fünfminütiger Bedenkzeit. Und bei der WM im Schnellschach 1988 in Mexiko verpasste der Fünftplatzierte nur um einen halben Punkt den Sprung aufs Treppchen.

   Solche Resultate vom Talent des Post-SV Ulm hatte sich der Deutsche Schachbund (DSB) einst häufiger erhofft. Mit elf Jahren, 1972, trat der Junge der Schachabteilung bei. 1980 schien sich eine große Karriere abzuzeichnen, ja vielleicht konnte Bischoff in die Fußstapfen des WM-Kandidaten Hübner treten. Bei der Junioren-WM in Dortmund belegte der Deutsche schließlich Platz drei - nur geschlagenen von einem gewissen Garri Kasparow, bester Spieler aller Zeiten, und Nigel Short, englischer Vizeweltmeister von 1993 nach seiner Niederlage gegen Kasparow.

   Doch während die Konkurrenten vor 20 Jahren steil nach oben kletterten, stagnierte Bischoff. Der beste deutsche Blitz- und Schnellschachspieler gewann zwar einige Wettbewerbe im Turnierschach und wurde mit Bayern München 1992 Europapokalsieger, aber der ganz große Durchbruch blieb aus. Erst 1989 erkämpfte sich der 28-Jährige den Großmeister-Titel. Das lag an seinem verhaltenen Spielstil. Positionell sehr sauber, aber nicht aggressiv genug. Bischoff verliert zwar nur selten, gewinnt jedoch auch nicht viel häufiger gegen Seinesgleichen.

   „Wir wollten ihn schon aus dem Kader streichen", gesteht ein DSB-Funktionär und setzt süffisant lächelnd fort, „seit er allerdings mit Ingrid Lauterbach liiert ist, trumpft Klaus ganz anders auf." Lauterbach spielt auch Schach, sogar sehr gut, wie Einsätze für das deutsche, wie zuletzt englische Frauen-Nationalteam belegen. Im Mai teilte Bischoff, offenbar neu motiviert, den ersten Platz beim Großmeister-Turnier in Essen und kletterte auf 2556 Elo-Punkte in der Weltrangliste. Das reicht fast für die Top 100.

   In der Bundesliga geht der mehrfache deutsche Meister mittlerweile für den SK Plauen ans zweite Brett. Zwei Plätze dahinter spielt Nationaltrainer Uwe Bönsch. Als der Metzgers-Sohn Solingen verließ, war er auch beim Post-SV Ulm im Gespräch. „Er schaut ab und an dienstags im Café Wintergarten bei unseren Spielabenden vorbei", berichtet Abteilungsleiter Thomas Pieper und ergänzt, „Klaus ist bei uns immer ein Thema." Obwohl der Zweitligist mit Michal Krasenkow den Weltranglisten-Zehnten unter Vertrag hat, besäße der Klub auch die finanzielle Kapazität für ein Engagement des deutschen Nationalspielers. „Am Geld lag´s nicht, dass er uns die beiden vergangenen Jahre absagte. Klaus möchte in der ersten Liga spielen", erklärt Pieper, „das ist verständlich für einen Profi." Und offenbar auch richtig, um endlich anzugreifen. Mit einer Medaille bei der Schach-Olympiade würden sich Bischoff&Co. ein Denkmal innerhalb des DSB setzen. Zuletzt gewann eine deutsche Nationalmannschaft 1964 in Tel Aviv Bronze. Der einzige Sieg gelang 1939 in Argentinien, wonach die Sieger lieber in Südamerika blieben, anstatt ins kriegerische Nazi-Reich zurückzukehren.

   Reichlich unspektakulär holen die Deutschen die Punkte, allen voran Rustem Dautov. Nachstehend seine Partie beim 4:0 über Paraguay, bei der die Schlusspointe hinter den Kulissen blieb.









Stellung nach:

Dautov - Patriarca

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 Lb4+ 4.Ld2 a5 5.g3 Sc6 6.Lg2 0-0 7.0-0 Lxd2 8.Dxd2 d6 9.Td1 De7 10.Sc3 Ld7 11.Tac1 Tfc8 12.e4 e5?! Gibt die passive schwarze Haltung auf, weil 13.e5 unangenehm wirkt. Dafür entwickelt Weiß nun jedoch Druck auf der c-Linie. 13.Sd5! Sxd5 14.cxd5 Sxd4 15.Sxd4 exd4 16.Dxd4 a4 17.f4 Unterstreicht den enormen Raumvorteil des Anziehenden. 17...f6 Nur so kann Patriarca den drohenden Vorstoß e5 unterbinden. 18.Db4 b6 19.Te1 Df8 20.e5 dxe5 21.Dxf8+ Kxf8 22.fxe5 fxe5 23.Txe5 Mit der Absicht 24.Tf1+ nebst Te7. Dagegen ist guter Rat teuer. 23...Lb5?? Das erlaubt Dautov einen noch schnelleren Sieg. 24.d6! c6 25.d7

1:0

Schwarz streckte nicht zu früh die Waffen: Td8 26.Txb5! cxb5 27.Lxa8 Txa8 28.Tc8+ und Weiß gewinnt.

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