„Betonschach" wirft man ihm zuweilen vor. „Beton" stimmt insofern, weil Wladimir Kramnik kaum eine Partie verliert. Um genau zu sein: seit Januar 1999 überhaupt keine mehr. Dem 24-Jährigen fehlen zwar jetzt spektakuläre Siegesserien, die ihn mit 18, 19 auszeichneten, aber mit steter Regelmäßigkeit ist Kramnik dafür unter den ersten Drei eines jeden Turniers zu finden. Nur Garri Kasparow weist noch stabilere Ergebnisse auf: Der Weltranglistenerste gewinnt seit 16 Monaten ein Turnier nach dem anderen. In Linares schloss Kramnik jedoch auf, da die dort anwesende Weltelite 23 von 30 Partien remisierte. Deshalb genügten dem Weltranglistendritten zwei Erfolge und acht Unentschieden, um mit Kasparow (beide 6:4 Zähler) gleichzuziehen. Dass Punkteteilungen durchaus spannend sein können, bewiesen die Kosieger in der achten Runde.

W: Kramnik S: Kasparow

1.Sf3 Sf6 2.c4 c5 3.g3 d5 4.d4

Ein interessanter Zug, den Weselin Topalow in die Praxis einführte.

dxc4 5.Da4+ Ld7 6.Dxc4

6...Lc6 7.dxc5 Ld5 8.Da4+ Lc6 9.Dc4 Ld5

Ein indirektes Remisangebot, doch Kramnik weicht der dritten Zugwiederholung aus.

10.Dc2 e6 11.Lg2 Le4

Erstaunlicherweise besaß der so eröffnungstheoretisch bewanderte Kasparow nun nur noch 46 Minuten seiner zwei Stunden Bedenkzeit.

12.Dc4 Ld5 13.Dh4 Lxc5 14.Sc3 Lc6 15.0-0 Le7?

Den Zug kritisierte Kasparow später harsch. Besser ist Sbd7.

16.Td1 Da5 17.Ld2 Sbd7 18.g4!?

Mutig vorgetragen, wagen doch die Fianchettospieler selten solche Bauernvorstöße. Kasparow empfiehlt stattdessen Tac1 nebst baldigem e4.

18...h6 19.Dg3 Da6 20.h4 Dc4 21.Lf4 Db4 22.a3 Dxb2

23.Sd4

Damengewinn droht mittels Tdb1.

23...g5!

Obwohl er nur noch zehn Minuten für 17 Züge auf der Uhr hatte, spazierte Kasparow zufrieden durch den Turniersaal.

[23...Lxg2? verschafft Weiß ein Übergewicht: 24.Tdb1 Se4 25.Txb2 Sxg3 26.Kxg2 Lf6 27.Td1 e5 28.Lxg3 exd4 29.Sd5]

24.Sxc6 gxf4 25.Dd3 bxc6 26.Lxc6 0-0 27.Lxa8 Se5 28.Dd4 Txa8 29.Dxe5 Tc8 30.Tac1

Beide Seiten befanden sich inzwischen in Zeitnot. Mit zweieinhalb Minuten auf der Uhr treibt Schwarz die Stellung auf die Spitze.

30...Sd5 31.Sxd5 Dxe5 32.Sxe7+ Kg7 33.Txc8 Dxe2 34.Tg8+ Kf6 35.Td7 De1+ 36.Kg2 De4+ 37.Kh2 Dc2 38.Kg2 De4+ 39.Kh2

39...Dc2

Dank der unkoordinierten weißen Figurenstellung genügt Weiß sein materielles Übergewicht mit zwei Türmen und Springer gegen Dame nicht. Der König steht zu ungesichert, so dass ständig Dauerschach droht.

40.g5+ hxg5 41.Txg5 Dxf2+ remis

Nach 42.Tg2 Dxh4+ 43.Kg1 De1+ ist das Dauerschach endgültig nicht mehr zu vereiteln.

Schachlektüre

Edmar Mednis, „Praktische Endspieltipps", Edition Olms, 34,80 Mark.

   Edmar Mednis versteht es, instruktive Beispiele auszuwählen und dem Leser nahe zu bringen. Mit „Praktische Endspieltipps" richtet sich der amerikanische Großmeister diesmal aber nicht an den erfahrenen Spieler, der seine vorhandenen Endspielkenntnisse weiter vertiefen möchte. Eher beinhaltet das Buch aus dem renommierten schweizerischen Verlag Edition Olms grundlegende Erkenntnisse für noch nicht ganz fertige Schachspieler. Sie können großen Nutzen aus dem Lehrbuch ziehen.