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Dresden auf dem Weg zum neuen Schachmekka

Titelverteidiger Alexander Graf gewinnt das ZMD-Open mit knappem Vorsprung * Große Schachpläne in der sächsischen Landeshauptstadt

von Harald Fietz, September 2003

mehr Schachtexte von Harald Fietz

 

   Wer sich mit der Bahn aus Richtung Berlin Dresden nähert, sieht als ersten städtebaulichen Höhepunkt nicht das vom italienischen Maler Canaletto im 18. Jahrhundert weltberühmt verewigte, klassische Ensemble mit Brühlscher Terrasse, Schloss, Hofkirche und Semperoper, sondern ein eigentümliches Gebäude mit orientalischem Einschlag. Die Yenidze wurde von dem Zigarettenfabrikanten Hugo Zietz 1907 in Auftrag gegeben und ist nach dem türkischen Hauptanbaugebiet des Tabaks benannt. Trotz heftiger Widerstände der Stadtverordneten gegen die Moschee-Silhouette konnte der 27-jährige Architekt Martin Hammitzsch seinen 50 Meter hohen Bau innerhalb von zwei Jahren vollenden. Die Drohung, 1000 Arbeitsplätze anderswo anzusiedeln, wirkte und die Presse reagierte euphorisch: "Ein Märchen aus 1001 Nacht" schwelgte die Sachsenpost.

   Ähnlich könnte im Jahr 2008 die Überschrift lauten, wenn die Macher des ZMD Schachfestival e.V. ihren Wunsch wahrmachen, die Schacholympiade nach Elbflorenz zu holen. Die politische Rückendeckung für die Bewerbung auf dem FIDE-Kongress 2004 haben sie, wie Oberbürgermeister Ingolf Roßberg auf der Eröffnungsveranstaltung bekundete. Mit dem Schaltkreis-Produzenten ZMD und dem Chip-Hersteller Infineon engagieren sich bereits zwei weltweit operierende Großunternehmen im Schach. Das königliche Spiel zählt in der sächsischen Landeshauptstadt zu den fünf Sportarten mit der höchsten staatlichen Förderkategorie. Die Olympiapläne von Leipzig 2012 schaffen zudem ein günstiges Klima, Großveranstaltungen in die Region zu holen. Neben den drei bisherigen Standbeinen - dem Porzellan-Cup im Januar, dem Schachfrühling im Februar/März und dem Schachfestival im Juli - soll jährlich ein prestigeträchtiges Schachevent zusätzlich abgehalten werden. Vom 20. März bis 3. April 2004 kommt die Frauen-Europameisterschaft in die 500.000-Einwohner-Stadt. Überlegungen, eine U-20-Weltmeisterschaft oder den Europacup für Vereinsmannschaften auszurichten, gibt es. Wer solche ambitionierten Projekte vorhat, muss nicht nur bei Entscheidungsträgern Lobby machen, sondern mit öffentlichkeitswirksamen Auftritten, den Normalbürger für Schach sensibilisieren. Ein Blindsimultan mit bekannten Sportlern anderer Disziplinen ist da passend, die Tagespresse zu aktivieren.

 

Ballsportler kontern

   Marco Bode, der früher Nationalstürmer des Fußballbundesligisten Werder Bremen, ist schon öfter durch seine Fähigkeiten am Schachbrett aufgefallen. Zusammen mit dem Volleyball-Paralympics-Sieger Jens Altmann, der Schach im Verein bei den SF Leipzig-Südost spielt, stellte er sich am Vorabend des Schachfestivals in den gotischen Räumen von Schloss Albrechtsberg der U-18-Weltmeisterin Elisabeth Pähtz. Anders als die Klitschko-Brüder vor zwei Jahren kämpften die Hobby-Spieler - nachdem ZMD-Vorstandsvorsitzender Thilo von Selchow den obligatorischen Eröffnungszug ausgeführt hatte - diesmal nicht chancenlos. Altmann vereinfachte bis ins Doppelturmendspiel, wo es keine offenen Linien gab. Der Fußball-Vizeweltmeister erhielt gar Gewinnchancen, nachdem er in einer französischen Verteidigung den Bauern auf a4 mit dem Läufer von d7 abholte. Die Oberschülerin des Dresdner Sportgymnasiums verhörte sich bei der mündlichen Zugübermittlung und wähnte den weißfeldrigen Läufer auf b7. Im anschließenden Acht-Bretter- Simultan gegen den deutschen Meister Thomas Luther blieben die Ballkünstler ebenso wie die Politprominenz chancenlos.

 

Das ZMD-Open wächst

   Das Dutzend ist voll! Was 1992 - anlässlich des 100-jährigen Gedenkens an den VII. Kongress des Deutschen Schachbundes von 1892 (Sieger Dr. Siegbert Tarrasch) - begann, gilt inzwischen als feine Adresse mit Tradition im deutschen Turnierkalender. Das Dresdner Schachfestival ist gewachsen, genau wie sich das königliches Spiel in der Elbestadt auf vielen Ebenen entwickelt. Intensive Jugendförderung bringt zahlreiche deutsche Meistertitel ein, das Sportgymnasium erfüllt einen in Deutschland noch einmaligen Bildungsauftrag. Dem Seniorenschach sind spezielle Veranstaltungen gewidmet und verschiedene offene Turniere bieten jedem etwas - vom Profi bis zu Hobbyspieler. Es spricht sich allmählich herum, dass die Landeshauptstadt des Freistaates Sachsen in Sachen Schach eine Reise wert ist. 334 Teilnehmer bedeuteten gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um über 10%. Neben vielen Amateuren reisten zum ZMD-Open 2003 innerhalb der 12. Auflage des Dresdner Schachfestivals vor allem deutsche Kaderspieler an, um sich mit auswärtigen Titelträgern an die Verteilung der über 25000 Euro Preisfond zu machen. Bei den Herren traten Alexander Graf (A-Kader); Thomas Luther, Jens-Uwe-Maiwald, Jan Gustafsson (alle B-Kader), David Baramidze, Lorenz Drabke, Volker Seifert, Jörg Wegerle (alle C-Kader), Marco Baldauf, Aljoscha Feuerstack und Felix Graf (alle D-Kader) an. Bei den Damen gingen Elisabeth Pähtz (A-Kader), Tina Mietzner (B-Kader), Anne Czäczine (C-Kader), Judit Fuchs, Maria Schöne, Stefanie Schulz und Elena Winkelmann (alle D-Kader) ins Rennen. Am Ende freuten sich die Sieger und die Organisatoren über einen deutschen Dreifacherfolg, der nach einer turbulenten Schlussrunde zustande kam: Graf, die deutsche Nummer eins, hatte - wie im Vorjahr - die Nase vorne. Der deutsche Meister Luther folgte und der einheimische GM Maiwald errangen Platz drei.

 

Außenseiter ohne Respekt

   Und Überraschungen gab es im ZMD-Open, dem Herzstück des Schachfestivals ebenfalls reichlich. Die 16 GMs, 2 WGMs, 8 IMs und 3 WIMs bekamen zu spüren, dass sich der Unterbau mit internationaler Wertungszahl nicht mehr so einfach überspielen lässt. Vier Beispiele aus der Auftaktrunde zeigen verschiedene Mittel, den halben Punkt abzuklammern:

   Und wenn die Titelträger zuviel wollten, konnte die Aktivität auch nach hinten losgehen. Der Bulgare Alexander Delchev ist mit Elo 2572 ein Handelsreisender in Sachen Schach. In der ersten Juli-Hälfte - wie Liviu-Dieter Nisipeanu, der Wertungsbeste in Dresden - noch in Andorra tätig, saß er ein paar Tage später am anderen Ende Europas im Einsatz. Gegen Hans-Joachim Waldmann (Elo 2351) hatte er im April beim Open in Bad Wildbad mit 1.e4 gewonnen. Diesmal klappte es mit 1.d4 weniger gut. Fürchtete er die Vorbereitung des Spitzenbretts vom Berliner Mannschaftsmeister Weiße Dame?

   Wie die Kandidaten auf den Großteil der Preisgelder von über 25.000 Euro den Tag eigentlich bilanzieren möchten, zeigte der in Erfurt beheimatete Thomas Luther. Gegen Dr. Peter Welz holte er bis zum Übergang von Mittelspiel ins Endspiel wenig heraus. Doch der Berliner, der im Jahr 2002 mit 144 DWZ-gewerteten Partien der aktivste Amateur Deutschlands war, verlor den Faden und öffnete die Stellung an der falschen Stelle.

 

Frauen an das Brett

   Neben dem Parolibieten der ambitionierten Freizeitspieler fiel ein anderes Phänomen angenehm auf. Von den 330 Teilnehmern, die alle Runden spielten, waren 33 Frauen oder weibliche Jugendspielerin. 10% sind eine überdurchschnittliche Quote, die insbesondere durch Juniorinnen unter 20 Jahren erreicht wurde. 23 Nachwuchsspielerinnen machten manchem männlichen Spieler das Leben schwer. Ein älterer Herr begrüßte vor der Schlussrunde seinen Kontrahenten: "Jetzt hatte ich drei Runden lang starke Mädchen gehabt, da ist es schön, heute mal wieder einem Gegner gleicher Kragenweite gegenüber zu sitzen." Dabei hatte er doch Glück gehabt, nicht die Klingen mit den beiden Frauengroßmeisterinnen Natalia Zhukova oder Elisabeth Pähtz kreuzen zu müssen. Diese erreichten einträchtig mit 6,5 Punkten vordere Platzierungen auf Platz 18 bzw. 23. Einen üblichen Damenpreis erhielten sie aber nicht und ihre Resultate kamen völlig unterschiedlich zustande.

   Die Lokalmatadorin blieb ungeschlagen, gab aber einige Remis zu viel ab, um - wie im vergangenen Jahr an gleicher Stelle - eine männliche IM zu realisieren. Ein Titelträger (Remis gegen Bischoff) waren ebenso wie der Gegnerdurchschnitt von 2181 zu wenig. Immerhin gab es noch den zweiten Ratingpreis in der Kategorie U-20 bzw. Elo über 2400. Finanziell leer ging dagegen die ukrainische Ex-Europameisterin des Jahres 2000 aus. Sie spielte zwar gegen wesentlich stärkere Gegner (Elo-Schnitt 2334), aber in ihrer Ratinggruppe kam die männliche Großmeister-Riege mit Aron Gershon, Roman Slobodjan und Viorel Iordachescu um einen bzw. einen halben Buchholz-Punkt besser ein. In der achten Runde sah sich die 24-Jährige, die erstmals in ihrer Geburtsstadt Dresden ein Turnier bestritt, einem heißen Anwärter auf den Gesamtsieg gegenüber. Wie andere Spitzenspieler aus der ehemaligen Sowjetunion (z.B. Boris Gulko in Erfurt, Slobodjan in Beelitz bei Potsdam) waren ihre Eltern zum Zeitpunkt der Geburt als Angehörige der Roten Armee in der früheren DDR stationiert. Analysen wurden nach dem unbefriedigenden Ausgang verweigert. Aber die Laune besserte sich, als zum Abschluss ein feiner Kombinationssieg gegen den Niederländer Michiel Abeln (Elo 2272) gelang, der tags zuvor Pähtz ein Remis abgetrotzt hatte. Insgesamt zeigten die 33 Frauen viel Power: Von den 99 Ratingpreisen heimsten sie zehnmal das Geld ein!

 

Show-Down ohne Kompromisse

   Doch in Sachen Kampfgeist herrschte auch sonst kein Mangel. Insbesondere die Schlussrunde wurde zu einen faszinierenden Wettstreit. Keiner der Spitzenspieler war von überraschenden Punkteeinbussen verschont geblieben. Acht Spieler mit 6,5 Punkten saßen sich in direkten Duellen gegenüber, vierzehn Spieler mit 6 Punkten trafen aufeinander. Einzig an Brett elf scheute der Krefelder IM Lorenz Drabke gegen Alexander Markgraf (Spitzenbrett vom Oberligisten Tempo Göttingen) das Risiko. Ansonsten galt: Die Reihen dicht geschlossen, auf zum letzten Gefecht.

    Beim Griff nach den besten Preisen (für die Plätze 1-4 waren 4000 - 2500 - 1500 - 1000 Euro ausgelobt) kam es zu brisanten Konstellationen. Am Spitzenbrett sah sich der Titelverteidiger dem Sieger des Jahres 2001 gegenüber! Ein zähes Ringen entspannte sich. In typischer Manier beschäftigte Graf zwischen Zug 18 und 24 den Hamburger Gustafsson mit komplexen Figurenmanövern, die auf dessen Uhr viel Bedenkzeit kosteten. Als der stärkste deutsche IM sein 25.Sf3 nach zehn Minuten spielte, hatte er nur noch 13 Minuten bis zur Zeitkontrolle im 40. Zug, während dem gebürtigen Usbeken satte 53 Minuten übrig blieben. Diesen Zeitnachteil wurde die Nummer neun der deutschen Wertungsrangliste nicht mehr los. Bei Zug 60 zeigte die Digitalanzeige nur 10 Minuten für den Rest der Partie und fast 40 Minuten für die schwarze Seite, die im Turmendspiel mit 4:3-Bauern am Königsflügel eine optimale Aufstellung gefunden hat. Es folgte ein schnelles Ende. Als Graf 61. ... h4 auf das Brett schraubte, zeigte sein Gesichtsausdruck eine feste Entschlossenheit, die sonst hinter seine stoischen Mimik kaum offenkundig wird.

   Derweil graste am Brett zwei der gebürtige Dresdner Jens-Uwe Maiwald bei Ftacnik längst alle Bauern am Damen- und Königsflügel ab und hoffte darauf, dass sich die Konkurrenten gegenseitig die Punkte abnehmen. Aber es kam anders. Delchev generierte in einem Zeitnotgefecht mit Robert Zelcic aus Zagreb einen Freibauern, der zum Sieggarant wurde. Subtile Technik war auch in der zweiten deutschen Top-Ansetzung gefragt. Luther, der erstmals in Dresden an den Start ging, folgte 16 Züge einer Vorgängerpartie seines Großmeisterkollegen Stefan Kindermann, gewann einen Bauern und setzte dann die langfeldrige Dominanz des Läuferpaars in Szene.

   Im Feld der Sechs-Punkte-Leute ging es keinen Deut friedfertiger zu. Allen voran wollte Nisipeanu, der als alleiniger Sieger des Andorra-Open mit frischem Elan angereist war, noch in die vorderen Preisränge vorstoßen. Der rumänische Bundesligaspieler des SC Kreuzberg verwirklichte dieses Vorhaben mit einer Demonstration unter dem Motto "guter Läufer gegen schlechter Springer" und modellhafter Verwertung des Bauernendspiels.

   Eine Überraschung gelang dem FM Uwe Kersten vom SK Baunatal, der sich nach verhaltenem Start mit vier Siegen en suite in die Top Ten hievte. Dabei hatte es gegen Mladen Palac lange nicht nach einem Coup ausgesehen. Der kroatische GM kontrollierte die c-Linie und die gesamte linke Bretthälfte, aber plötzlich spielten seine Türme nicht mehr zusammen. Das Geschehen verlagerte sich vom Damen- auf den Königsflügel und da massierten sich die weißen Figuren zum Schlag auf der offenen h-Linie.

   Auch sonst wurde es der Tag der Deutschen: Bischoff bügelte sein vermeidbares Vorschlussrunden-Missgeschick gegen Gawehns mit einem Sieg gegen den Schweizer FM Olivier Moor aus. Der 18-jährige Jörg Wegerle, C-Kader Spieler vom badischen Zweitbundesligisten Viernheim, hebelte im Endspiel den georgischen IM Davit Lobzhanidze taktisch aus. In den deutschen Paarungen setzten sich die Großmeister durch: Gawehns geriet in Robert Rabiegas Zugzwangmühle und das Dresdner Urgestein Wolfgang Uhlmann brachte im Seniorenduell mit dem Berliner FM Peter Rahls sein Expertenwissen in der französischen Eröffnung fünf Stunden und 45 Minuten lang zur Anwendung. Zehn Entscheidungen an zehn Spitzenbrettern haben wirklich Seltenheitswert. Und überall wurde ausdauernd bis ans Limit gekämpft. Die letzte Partie zwischen Marco Miersch (Elo 2106 von Rotation Berlin) und Dietmar Klemm (Elo 2215 von SC Leipzig-Gohlis), die darum rangen, wer auf sechs Punkte kommt, endete Punkt 15.00 Uhr nach sechs Stunden mit einem Sieg des Berliners. Ein Indiz, dass die vielen Ratingpreise anspornten.

 

Sieger, Sieger, Sieger

   Der Zieleinlauf brachte den üblichen Verdächtigen gute Platzierungen - auch wenn man acht Deutsche unter den ersten Zehn nicht zu häufig sieht. In die Phalanx der arrivierten Titelträger konnten erfreulicherweise mit Wegerle und Kersten zwei Spieler aus dem Mittelbau mit Spielstärke um 2350 einbrechen.

Spitzenstand ZMD-Open Dresden 2003
 

1.

Alexander Graf

GER

7,5

56,0

2.

Thomas Luther

GER

7,5 54,5

3.

Jens-Uwe Maiwald

GER

7,5 54,5

4.

Alexander Delchev

BUL

7,5 44,5

5.

Liviu-Dieter Nisipeanu

ROM

7,0 57,0

6.

Klaus Bischoff

GER

7,0 55,5

7.

Robert Rabiega

GER

7,0 53,5

8.

Wolfgang Uhlmann

GER

7,0 53,0

9.

Jörg Wegerle

GER

7,0 51,5

10.

Uwe Kersten

GER

7,0 45,5

11.

Robert Zelcic

CRO

6,5 57,5

12.

Jan Gustafsson

GER

6,5 55,5

(insgesamt 334 Teilnehmer)

 

   Beachtenswert war die gleichgewichtige Aufteilung des Preisfonds. 12630 Euro für die zwölf ersten Plätze und 13200 Euro für 99 Ratingpreise (jeweils 200 - 125 - 75 Euro) verteilten sich basisdemokratisch in 33 Kategorien (über 2400 Elo und zehn weiteren Gruppen abwärts in 100-Elo-Schritten bzw. Altersstufen unter 20 Jahre, 20-40 Jahre und über 40 Jahre). Nicht mehr Jugend, Geschlecht oder andere Kriterien werden für die Preisvergabe herangezogen, sondern einzig die Leistung - entweder in der Spitze oder auf dem Niveau der eigenen Spielstärke (gestaffelt bis unter DWZ 1500). Diese Differenzierung nach Alter und Erfahrung erhöht den sportlichen Anreiz für alle. Fast jeder dritte Spieler nahm einen Preis in Empfang. Kein Wunder also, dass sich in einer Befragung während des Turniers - entgegen dem Trend bei anderen Open-Veranstaltungen - 69% für die Beibehaltung des Spiels in einer großen Gruppe aussprachen. Die Bedenkzeitregelung (zwei Stunden für 40 Züge plus eine Stunde Rest) befürworteten 59%.

 

Mehr als ein Geheimtipp

   Was machte daneben das ZMD-Schachfestival für zwölf Tage zum quirligen Mikrokosmos der 64 Felder? Zum einen ist das Konzept "Alles unter einem Dach" beliebt. Seit das Open letztes Jahr aus Kapazitätsgründen von Schloss Albertsberg in das Vier-Sterne-Treff-Hotel mit seinen 262 Zimmern zog, werden die kurzen Wege geschätzt. Schach rund um die Uhr kann der nimmersatte Schachfans genießen oder spielen. Rahmenveranstaltungen ermöglichen es, noch dem Schnell- oder Blitzschach zu frönen. Die deutsche Familienmeisterschaft errangen überlegen die Schweizer Gebrüder Moor, IM Roger und FM Olivier. Das Urlauber- und Touristenturnier holten sich mit 6 aus 7 Michael Schulz (aus Berlin von Zitadelle Spandau) und der einheimische Fred Kliemank (von der SG Grün-Weiß Dresden). Daneben fand ein siebenrundiges Hauptturnier (Sieger mit sechs Punkten Günter Walke aus Hamburg und Klaus Künitz aus Mainz) und die sächische Senioren-Einzelmeisterschaft statt, die Manfred Schwier von BSW Dresden mit 8 aus 9 gewann.

   Karl-Heinz Stegemann vom ZMD-Vorstand hatte bei der Siegerehrung zwei gute Nachrichten: Sein Unternehmen garantiert den Schachfestival- Veranstaltern einerseits die finanzielle Unterstützung für die nächsten fünf Jahre und als Mitbegründer des Blitzmarathon kündigte er andererseits zu dessen Jubiläum im Jahr 2004 an, dass man sich um ein besonders attraktives Teilnehmerfeld bemühen werde. Gerne erinnere er sich, dass 1985 und 1986 die spätere Frauen-Weltmeisterin Zsuzsa Polgar den Wettbewerb gewann. Heuer machte bei der 19. Auflage des Blitzmarathons unter den 138 Cracks erneut einer "der schnellsten Finger Schachdeutschlands" das Rennen: Robert Rabiega gewann den 24-Stunden-Marathon zum vierten Mal in Folge. Vielleicht sollten die Organisatoren angesichts dieser Leistung a la Lance Armstrong überlegen, dem 32-jährigen Berliner im nächsten Jahr ein gelbes Trikot überzustreifen. Über die halb so lange Distanz siegte Drabke.

   Auch wenn das ZMD-Schachfestival mit den zeitgleich stattfindenden Open in Pardubice, Kopenhagen und Biel namhafte Konkurrenz hat, entwickelt es sich allmählich zu mehr als einem Geheimtipp. Prominente Großmeister wie Ftacnik, Luther, Mainka waren erstmals da. Hamburger Spieler sind aufgrund der gewachsenen Bande der Partnerstädte schon immer zahlreich gekommen und die Berliner rücken - seit ihr Berliner-Sommer-Open Vergangenheit ist - verstärkt an. Unter den ausländischen Gästen waren die Niederländer diesmal mit 16 Teilnehmern die größte Gruppe. Hier besteht im zusammenwachsenden Europa noch Potential, mehr internationale Schachfreunde anzulocken (z.B. mittels größerer Webpräsenz durch Ankündigungen und Rundenberichte in englischer Sprache). Schreiten die Organisatoren um Turnierdirektor Dr. Dirk Jordan und seinem Stellvertreter Falk Sempert aber weiter konsequent auf ihrem visionären Weg der Ausrichtung attraktiver Spitzenevents voran, dann wird das königliche Spiel in der Elbmetropole als neuem Schachmekka noch viele schwarz-weiße Märchen aus 1001 Nacht erleben.

die Partien online nachspielen

ein paar Fotos vom ZMD-Open 2003


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