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Open Baden-Baden

REO - 10 Jahre Rochade


Rochade Express, Nr. 37, Seite 23ff, "Open Baden-Baden (A. Aschenberg)"

   Da meine kaufmännische Ausbildung erst am 1. September beginnen sollte, hatte ich genug Zeit, noch einmal meinem Hobby Schach zu frönen. Inzwischen wurde mir in meiner Ausbildung klar, dass ich in Zukunft meinen knapp bemessenen Urlaub nicht für Schach verschwenden werde, schließlich soll man sich im Urlaub regenerieren und neue Kräfte sammeln. Spass kann einem das Schach trotz allem machen, auch wenn sich in Kuppenheim viele Spieler durch allzu scharfe Kritik dem Erfolgszwang ausgesetzt sahen.

   Ohne Fleiß kein Preis - dieses Motto gilt in verstärktem Maße auch im Schach. Das fängt bereits mit dem Eröffnunsrepertoire an, wie ich bei der Badischen A-Jugendmeisterschaft bitter erfahren musste. Unterstützt von einem dicken Wälzer über die Aljechin-Verteidigung machte ich mich an die Vorbereitung des Turniers.

   Nach einer zähen Partie gegen den Ottenauer Stefan Fritsch, die ich nur mühsam gewinnen konnte, machte ich auch bald die Erfahrung, dass der pädagogische Wert von Niederlagen nicht hoch genug bewertet werden kann. Andererseits erfuhr ich auch, wie leicht und motivierend Schach sein kann. Bestes Beispiel ist meine Partie gegen Michael Urban (Bayern München, Ingo 120).











Aschenberg - Urban
Open Baden-Baden 1989

1.c4 f5 2.e4 fxe4 3.d3 exd3 4.Lxd3 Das Froms-Gambit im Anzug und dem zusätzlichen Mehrtempo c4. 4...Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Sf3 d6 7.Sd5 Lg4 8.Db3 Tb8 9.Sg5 e5 10.h3! Ld7? 11.Sxh7! Mit der Drohung Lg6 matt! 11...Sxd5? 12.Lg6+ Ke7 13.cxd5
1-0



   Ich hatte mein Spiel mit Erfolg auf eine schnelle Partie angelegt. In der Zweischneidigkeit liegen unverleumdbar Gefahren - Schach ist nichts für Feiglinge. Und wie hier gelingt es einem Spieler oftmals die Oberhand zu behalten, weil es ihm glückt (Apropos Glück: Dass Glück im Schach eine große Rolle spielen kann, demonstriert H. M. immer wieder auf's Neue (Anm. d. Red.: Wieso H. M.? Die Initialen von Wolfgang lauten doch W. G.!), seine Figuren sehr wirkungsvoll aufzustellen. Materieller Nachteil braucht dann keine Rolle mehr zu spielen. Matt geht vor.

   Baden-Baden hatte aber noch manches Abenteuer für mich parat: Kaum hatte sich der sichtlich indisponierte Keilhack mir gegenüber gesetzt, dachte ich mir: "Oh Gott, was ist das für ein Vogel? ". Es handelte sich bei jenem um jene Sorte Schachspieler, bei denen einem sofort klar wurde, warum er eine beachtenswerte ELO-Zahl von 2340 sein Eigen nennt. Es war genau die Art und Weise des Auftretens meines Gegners, die einen nur motivieren konnte. Interessanterweise gelang mir gerade gegen meinen nominell stärksten Kontrahenten mein einziger Schwarz-Erfolg in Baden-Baden. Die Partie:











Keilhack - Aschenberg
Open Baden-Baden 1989

1.Sf3 g6 Diese Erwiderung ist durch das empfehlenswerte Werk von Andrew Soltis, "Schwarz zieht und gewinnt mit l..g6" angeregt worden. Dieses Buch kann allen empfohlen werden, die keine Zeit zum Theoriepauken haben. 2.d4 Lg7 3.e4 Sf6 Der Zug e4 war mir sehr sympathisch, denn ich hätte durch das eventuell folgende 4.e5 in die Aljechin-Verteidigung übergehen können. Das dann entstandene Alburt-System kannte ich genau. Mittels 3..d6 hätte ich im Übrigen in die Königsindische Verteidigung eingelenkt. Das war mir jedoch nicht so recht und empfahl sich wohl auch nicht gegen eine ELO-Keule. 4.Sc3 d5 Dieser Zug strebt eine Klärung in der Zentrumsfrage an. 5.e5 [ Nach einem Befestigungszug wie 5.Ld3 hätte ich 5...dxe4 6.Sxe4 Sxe4 7.Lxe4 Sd7 erwidert, wonach 8...Sf6 mit nahezu gleichem Spiel folgt.] 5...Se4 Praktisch erzwungen, aber durchaus in meinem Sinne. 6.Sxe4 dxe4 Man könnte meinen, dass der schwarze Bauer auf e4 bald Weiß anheim fällt. Meine Stellung besitzt aber einige Ressourcen. 7.Sg5 f6 8.Sxe4 [ 8.exf6 exf6 9.Sxe4 f5 10.Lg5 Dxd4 und Schwarz erreicht bei genauem Spiel Ausgleich.] 8...fxe5 Irgendwo muss ich ja meinen Bauern zurückholen. 9.d5 Lf5 10.Sc5? Dd6! Mein Kontrahent überlegte immer angestrengter und ausgiebiger - und findet tatsächlich die zwangsläufige Verlustvariante. 11.Lb5+ In der Hoffnung auf taktische Möglichkeiten. Aber wo bitte? [ 11.Sxb7 scheitert an 11...Db4+ mit Figurenverlust.] 11...c6 12.dxc6 bxc6 13.Dxd6 exd6 14.Sa6 cxb5 15.Sc7+ Kd7 16.Sxa8 Sc6 17.Le3 Txa8 18.0-0-0 Sd4 19.Lxd4 exd4 20.Tde1 Tc8
0-1



   Gegen Dr. Weinwurm (Ingo 90) hatte ich die Möglichkeit, die Aljechin-Verteidigung zu erproben. Es stellte sich heraus, dass ich nur einen Bruchteil der Theorie im Griff hatte. Ich muss gestehen, dass ich nicht einmal die Jagdvariante beherrschte. Mein Gegenüber spielte dagegen die ersten Züge wie im Schlafe herunter, wohingegen ich schnell zu "theoretischen Neuerungen" greifen musste, auf die er nicht die besten Erwiderungen fand. Auch die angeblich starken Spieler kochen nur mit Wasser. Im weiteren Verlauf spielte ich jedoch zu passiv und phantasielos und schöpfte nicht alle Möglichkeiten der Stellung aus. So nervte ich meinen Gegner noch eine Weile, ehe ich aufgab. Nach dein Motto: "Der wahre Sieger bleibt auch in der Niederlage Sieger, denn er versteht sich in der Kunst, sein Spiel zu vervollkommnen", machte ich mich nach dem Turnier daran, mit den verschiedensten Spielern die Jagdvariante zu analysieren. So gelang es mir in ausgiebiger Teamarbeit, die Stellung nach Ressourcen für beide Seiten auszuloten.

   Am Ende des Turnieres stand ich wie im vergangenen Jahr mit 5,5/9 zu Buche. Allerdings war heuer meine Gegnerschaft wesentlich stärker, so dass ich eine H-Zahl von 95 erspielen konnte (Anm. d. Red.: Axel war mit diesem Ergebnis zusammen mit Bossert (Durmersheim) bester Mittelbadener). Während des Turniers war es für mich sehr schwierig, mich in Stimmung zu halten, da gerade die psychischen Anforderungen an Schachspieler nicht zu unterschätzen sind. Körper und Psyche des Menschen bedingen sich ja bekanntlich. Schach ist ein sehr harter Sport, gerecht ist er meistens. Da spielt man zum Beispiel fünf Stunden, steht noch nicht einmal schlecht und verliert dann doch wegen einer Winzigkeit, die man übersehen hatte. Schach erzieht eben zum disziplinierten Denken bis in die letzte Konsequenz. Wie in meiner Schulzeit in punkto Betriebswirtschaftslehre gilt auch im Schach das ökonomische Prinzip: Unter Einsatz möglichst weniger Mittel gilt es, eine größtmögliche Effizienz zu erreichen. Gerade die aufgeführte Vielschichtigkeit des Schachs gibt unserem königlichen Spiel die besondere Würze.


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