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Der Schachkalender ist doch noch da

Rezension von Harald Fietz, Februar 2004

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Schachkalender 2004

Edition Marco/Verlag Arno Nickel
(Lasker's, Wilhelmshavener Str. 31, 10551 Berlin, Tel. 030 / 390 37 607),
Preis: kartoniert ISBN 3-924833-47-8: 9,90 Euro; mit Schutzhülle ISBN 3-924833-48-6: 10,90 Euro

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 4,5 aus 5

 

   Mit Kalendern ist es wie mit den Zügen bei der Deutschen Bahn - beides möchte man eigentlich pünktlich bekommen. Der vom Berliner Arno Nickel herausgegebene Schachkalender ist vielen Schachliebhabern nun schon im 21. Jahr ans Herz gewachsen, aber selten wurden sie so lange auf die Folter gespannt. Mitte Januar lieferte die Druckerei das diesmal türkisfarbene, handliche Jackentaschenformat aus. Zwei Dimensionen machen den Schachkalender unverwechselbar: Einerseits der Informationsteil, andererseits die kleinen Lesevergnügen zu aktuellen Trends und erinnerungswürdigen Schachepisoden.

   Für den sich in der Schachszene tummelnden Schachfreund sind Spielpläne und Aufstellungen der ersten und zweiten deutschen Ligen und der ersten österreichischen Liga wegen des schnellen Überblicks von Wert, Funktionärs- und sonstige Adressen braucht man bisweilen, ein internationaler Turnierkalender bringt vielleicht Anregung, mal wo auswärts anzutreten, die Tabelle für die eigene Wettkampfchronik kann während des Turnierjahres Einsichten bringen. Hier gibt es also die bewährte Grundversorgung mit Schachfakten und zudem Platz für Anschriften und Notizen.

   Doch der Paradeteil besteht aus den über die 320 Seiten verteilten Geschichten rund um die 8x8-Felder. Neben biographischen Skizzen (über "Zaubermeister" David Bronstein, die internationale Premiere von Viktor Kortschnoi [Vorabdruck der für Frühjahr angekündigten Biographie], Leok van Welys Schachweisheit a la "Der letzte Fehler verliert" und zu Francisco Vallejos Umfeld am Ort der Schacholympiade 2004 in Menorca) ragen unter den anderen Beiträgen besonders zwei Reflektionen heraus. Bernd Gräfrath, Philosophie-Professor an der Uni Essen, beschreibt seinen melancholischen Abschied vom Fernschach 1998 bis 2002. Das Bekenntnis, nicht mit dem elektronischen Freund im Strom des außengesteuerten Erkenntnisgewinns schwimmen zu wollen, wird sicher vielen Korrespondenzspielern aus der Seele sprechen. Bedenklich verschrobene Ansichten grub Nickel in einem nahezu vergessenen Buch von Milan Vidmar aus. Seine "Goldenen Schachzeiten", geschrieben im hohen Lebensalter 1960 mit 75 Jahren, kennen viele, aber seine über 400 Seiten starke Publikation "Das Ende des Goldzeitalters - Die Menschheit im Umbruch" (2. Auflage 1941) wird nur Fachleuten etwas sagen. Neben Anekdoten über die Schachzeiten vor dem zweiten Weltkrieg resümiert das Werk, wie kritisch kommentiert wird, vor allem durch "schwammiges Vokabular" gesellschaftliche und machtpolitische Entwicklungen mit fragwürdiger Gesinnung in einer frappierenden Grauzone zu nationalsozialistischem Gedankengut. Ein zwiespältiges Zeugnis einer Schachgröße auf der Suche nach neuer Werteorientierung unter Einbeziehung einer menschenverachtenden Ideologie. Trotz dieser dunkeln Seiten eine wahre Entdeckung für Schachhistoriker!

   Dem Schachkalender gelingt auch diesmal der Spagat zwischen Heiterem und Nachdenklichem. Schachspieler lieben für gewöhnlich beide Gefühlslagen in ihren Extremen und Ende 2004 in der nächsten Lieferung vielleicht sogar zur Abwechslung mal termingerecht!

 

 

Schach an der Wand

 

Schachkalender Philatelie 2004

Verlag & Verlagsservice Fa. Schneidewind
(Germarstraße 6, 06112 Halle (S.), Tel. 0345 / 517 09 56)
www.verlag-schneidewind.de
Preis: 5,90 Euro

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 4,0 aus 5

   Wer es zudem für einen pünktlich erschienen Wandkalender mit Thema Schach nicht zu spät hält, kann für 2004 jeden Monat ein Kalenderblatt zur Schachphilatelie anschauen. Vorne gibt es entweder eine Briefmarke mit einer Schachberühmtheit oder einen Ersttagsbrief eines historischen Turniers; auf der Rückseite am Monatsende markante Wendepunkte einer aufsehenerregenden Partie, die der A-Trainer Holger Borchers, das Schachmagazin 64 berichtete über seinen aktuellen Erfolg mit den Mädchen von "Glück auf" Rüdersdorf, didaktisch aufbereitete.

 

 

die Rezension erschien zuerst in Schachmagazin 64, Nr. 2 / 2004, S. 46


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