Taktik macht alle glücklich Christian Kongsted: Beating the Grandmasters Rezension von Veronika Kind, Mai 2005 Kommentare zur Rezension können im Schach-Forum präsentiert werden |
Gambit Verlag
ISBN 1-904600-27-1
176 Seiten; 19,80 Euro
Bewertung des Rezensenten:
Fast jeder Jugendtrainer lässt seine Schützlinge bei ihren ersten Schachschritten mit e4-Eröffnungen anfangen. Man sagt, dass schult das taktische Verständnis am besten. Auch ich fing so an, und noch heute bin ich dem Königsbauern treu. Endsprechend habe ich für Taktik ein gewisses Faible. Und just darin muss man sich ständig weiterbilden bzw. altes Wissen aufpolieren. Daher kommt mir ein Buch wie Christian Kongsteds "Beating the Grandmasters" gerade zupass. Gut dosiert für eine längere Trainingsstrecke bietet es 350 Aufgaben auf 5 Schwierigkeitsstufen. Genau meine Kragenweite: man kann die jeweils leichteren Level nutzen, um sich "warmzulösen", bis man dann zur den eigentlichen Herausforderungen kommt, nämlich den Aufgaben, die einen ins Grübeln bringen. Natürlich hat da jeder seine eigenen Maßstäbe, deshalb will ich als Orientierungshilfe, die Inhalte der 5 Kapitel skizzieren und aus meiner Sicht typische Beispiele zeigen.
Zuerst gibt es 51 Beispiele - wie erwähnt als Aufwärmtraining. Die Lösungen bei diesen Aufgaben sind ziemlich forciert; die Hälfte der Aufgaben hat einen Hinweis, die restlichen Beispiele nicht. Die Lösungen sind meist recht offensichtlich, wenn man die Schwachstelle erst mal identifiziert hat. Ein Beispiel für solches anspruchsvolles, eindimensionales Zuschlagen stellt aus meiner Warte folgende Stellung dar:
Diagramm 43, Weiß am Zug
Hat man den Lösungsweg entdeckt, bleibt ein prägnantes Aha-Ergebnis. So prägt sich das Motiv leicht ein.
Kapitel 2 ist ziemlich kurz. Kongstedt nennt es die "Meisterherausforderung", sozusagen eine Art Gesellenprüfung zwischendurch. Es gibt ein Dutzend Aufgaben ohne Hinweise. Verteilt werden jeweils 3 Punkte und die erreichte Punktzahl korrespondiert mit einer Elo-Skala von 1000 bis über 2600. Sicher ist dies angesichts der geringen Aufgabenanzahl vielleicht ein wenig zu grobkörnig, aber solche Tests machen einfach immer wieder Spaß. Das von mir ausgewählte Beispiel halte ich auf den ersten Blick für eine ganz schön heftige Aufgabe. Aber wer kennt nicht solche Endspielsituationen mit materiellen Ungleichgewichten? Oh Gott, wenn dann noch ein Mannschaftskampf auf der Kippe steht!
Diagramm 60, Weiß am Zug
Super, wenn man die Idee entdeckt hat, spielt es sich so einfach.
Ich will noch eine zweite Aufgabe aus diesem Abschnitt zeigen, denn mein Jugendtrainer legte immer großen Wert darauf, dass man Endspiele einschätzen kann. Auch hier sollte man sich vielleicht einfach eine kritische Situation bei einer Meisterschaft dazudenken. Schon heißt es "Sekt oder Selters". Was meinen Sie dazu? Was geht noch, wenn Sie als Weißspieler den vollen Punkt brauchen?
Diagramm 59, Weiß am Zug
Wer das schafft, der ist bestimmt für Kapitel 3 reif! Kongstedt ruft schon im einleitenden Satz zur "Konfrontation" mit den Großmeistern auf! Nun gibt es seitenlang Diagramme: 42 mit und 98 ohne Hinweise. Damit kann man schon eine längere Bahnfahrt oder ein paar Stunden am Strand verbringen. Manche Hinweise sind recht "enthüllend", wie dieses Beispiel zeigt:
Diagramm 66, Weiß am Zug spielte Lf4 - war das gut?
Ohne Hinweise ist es mehr an der Partiewirklichkeit, wie ich mit folgendem Diagramm veranschaulichen will:
Diagramm 149, Weiß am Zug
Insgesamt sind die Aufgaben in diesem Abschnitt noch nicht zu komplex.
Aber dann beginnt die Knochenarbeit. Analog zum Schema in Kapitel 2 kommen nun 9 Testreihen mit jeweils 12 Diagrammen. Jetzt macht das Punktesammeln einen Sinn, denn nach 108 Aufgaben lässt sich schon ziemlich genau feststellen, in welche Elo-Leistungsklasse man in Sachen Taktik gehört. Viele Lösungswege sind hier bereits etwas umfangreicher. Aber es gibt auch wirklich schöne Rettungstaten ohne Umschweife. Eine solche herzerfrischende Tat will ich anführen. Was machen wenn Sie mit den schwarzen Steinen in dieser Situation sind und noch 2 Minuten für 2 Züge vor der Zeitkontrolle haben? Schwitzen und Handeln nach dem Motto ...
Diagramm 275, Schwarz am Zug
Nach diesem Parcours sollte bei fast jedem das taktische Selbstvertrauen gewachsen sein. Nun kommt der Countdown. Kongstedt versteift sich sogar zu der Behauptung, dass die letzten 40 Aufgaben (davon 30 ohne Hinweise) selbst für Großmeister ein echter Prüfstand sind. Aber sehen Sie selbst. Zunächst ein leichtes, weil mit einfachen Kraftzügen ausgestattetes Beispiel:
Diagramm 329, Weiß am Zug
Nun eine Stellung, die taktisches Geschick und technische Feinarbeit zugleich erfordert:
Diagramm 345, Schwarz am Zug
Und zum Schluss noch ein Feuerwerk, bei dem richtig viel Grips zum Einsatz kommt:
Diagramm 341, Weiß am Zug
Unter dem Strich würde ich meinen, dass man als Ausgangsspielstärke mindestens eine DWZ von 1500 haben sollte, denn besonders die 3 letzten Kapitel erfüllen höhere Anforderungen. Man merkt, da alle Beispiele aus der gegenwärtigen Turnierpraxis stammen, wie vielfältig geschult man bei dem heute stetig steigenden Spielstärkeniveau sein muss. Gerade die Vielfalt an Taktikmotiven und unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade fallen mir bei diesem Buch positiv auf. Die Tests ohne Hinweise sind m. E. gut ausgewählt und praxisnah. Und unbestritten ist hier der Lehrwert größtmöglich und Testergebnisse steigern aus meiner Sicht immer die Motivation oder zeigen die Richtung für Schwachstellen, dann denen man kritisch feilen muss.
Mit Kongsteds Buch kann ich nun, wo ich als Studentin nicht mehr am Jugendtraining teilnehme, einiges im Alleingang lernen. Dennoch werde ich in den Semesterferien versuchen, mich wieder mit meiner "alten" Truppe von Glück auf Rüdersdorf zu treffen. Dann hoffe ich, auch meinen früheren Trainer Holger Borchers zu überzeugen, dass ich noch nicht ganz eingerostet bin. Daher mein abschließender Tipp nach der Lektüre des neuen Taktikbuchs: "Ackern Sie es ganz durch, dann klappt's auch mit dem Trainer!" Oder vielleicht brauchten Sie dann schon keinen mehr?
Hier die Lösungen, mit den Anmerkungen und Kommentaren von Christian Kongsted:
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Xie Jun - Galliamova
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Moldovan - Rainfray
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Veingold - Candela Perez
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Kortschnoi - Miles
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Kozul - Popovic
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Navarra - S. B. Hansen
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Turner - D. Howell
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Hjartarson - Ljubojevic
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Blehm - Tiviakov
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das Buch stellte Schach Niggemann (Industriestr. 10, 46359 Heiden) für die Rezension zur Verfügung