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Gewinnen auch mit Schwarz

John Emms: Play the Najdorf Scheveningen Style

Rezension von Joachim Kick, Juli 2004

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John Emms: Play the Najdorf Scheveningen Style

Everyman Verlag 2004
ISBN 1-85744-323-3
193 Seiten; ca. 23,50 Euro
Sprache: Intermediate English

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 4 aus 5

 

   John Emms präsentiert uns hier ein Buch, welches die Najdorf-Zugfolge 1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cd: 4. Sd4 Sf6 5. Sc3 a6 empfiehlt, um dann nach fast jedem beliebigen weißen Zug mit 6...e6 in das Scheveninger System und nicht in das typische Najdorf mit e5 überzugehen. Warum soll man diesen Umweg machen? Weshalb nicht gleich 1.e4 c5 2. Sf3 e6 3. d4 cd: 4. Sd4 Sf6 5. Sc3 d6 und dann im nächsten Zug fast immer a6? Dies hat natürlich einen guten Grund. Bei der Scheveninger Zugfolge kann im 6. Zug g4 erfolgen, der brandgefährliche Keres-Angriff, der schon so manchem Schwarzspieler, u.a. Gary Kasparov, diese Zugfolge ausgetrieben hat. Natürlich hat die Najdorf-Zugfolge andere Nachteile, diese sind jedoch nicht so gravierend. Die Übergänge sind fließend und somit wird in diesem Buch erstmals die Trennung zwischen zwei verwandten Eröffnungssystemen aufgehoben. Insbesondere Kasparov verwendet in letzter Zeit ständig die Najdorf-Zugfolge, um dann immer sehr häufig in die Stellungstypen des Scheveninger Systems überzugehen.

   Um eines vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist ein Schwarzrepertoire-Buch. John Emms präsentiert spielbare schwarze Antworten auf 6. Lc4, Le2, Le3, Lg5, f4, g3 sowie auf weniger bekannte Züge, wie 6.h3, Tg1, a4 und f3. Er legt keinen Wert darauf, in diesem Buch alle schwarzen Varianten aufzuzeigen, sondern er wählt sehr subjektiv die Varianten aus. Allerdings ist es ihm sehr wichtig, dass die Varianten miteinander kompatibel sind, es gibt oft Übergänge. Dies zeugt von großer Sorgfalt bei der Auswahl der einzelnen Varianten. Oft passiert es, dass zwei Varianten empfohlen werden. Sollte es doch mal dazu kommen, dass eine Variante begraben werden muss, so hat man gleich eine Alternative parat.

   Ein sehr positiver Aspekt dieses Buches ist, dass John Emms keine noch ungeklärte brandaktuelle Varianten präsentiert, die heute noch spielbar und morgen schon verloren ist. Vielmehr empfiehlt er durchweg für Hobbyspieler geeignete Abspiele mit überschaubarem Umfang. So zum Beispiel wird gegen 6. Lg5 e6 7.f4 die Variante Dc7 empfohlen. Also keine Poisoned Pawn Variante mit Db6 oder Polugajewski mit 7...b5. Da die Hauptvariante 6. Lg5 e6 7. f4 Le7 8. Df3 Dc7 9. 0-0-0 Sbd7 10. g4 b5 11.Lf6: Sf6: 12. g5 Sd7 13. f5 gerade eine kleine Krise durchmacht, ist die Wahl der Dc7-Variante sicher eine geeignete Wahl, auch wenn sie genaues Variantenwissen voraussetzt - Verständnis für den Stellungstyp reicht hier nicht aus! Die Suche nach überschaubaren Varianten hat auch die Wahl des Systems gegen den englischen Angriff beeinflusst. Hier empfiehlt Emms nach 6. Le3 e6 7. f3 b5 8. Dd2 Sbd7 9. g4 nicht die der Praxis der Weltspitze vieldiskutierte Hauptvariante 9... h6, sondern Sb6.

   Die Stellung nach 6. Lc4 erhält durch dieses Buch ebenfalls eine neue Bewertung. War hier früher die Zugfolge mit 6. Lc4 e6 7. Lb3 Sbd7 im Trend, bewegt sich in letzter Zeit die Weltspitze wieder auf 7... b5 zu. Hier erhält der Leser einen ausführlichen Überblick über die aktuellen Varianten. Am ausführlichsten wird natürlich die Variante 6. Le2 behandelt. Hier leistet Johm Emms echte Fleißarbeit. Insbesondere die Variante 12. a5 (siehe folgende nachspielbare Partie) wird zum ersten Mal in einem Buch veröffentlicht. Allerdings empfieht John Emms auch hier nicht den theoretischen Hauptzug 17...b5 sondern 17... Sc6.

 










1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le2 e6 7.f4 Le7 8.0-0 0-0 9.Le3 Dc7 10.a4 Sc6 11.Kh1 Te8 12.a5 Sxa5 13.e5 dxe5 14.fxe5 Dxe5 15.Lf4 Dc5 16.Sa4 Da7 17.Lc7 Sc6 [ 17...b5 ist hier der Hauptzug, mit den Folgen 18.Sb6 Tb8 19.Lxb8 Dxb6 20.Le5 Sc4 21.Lxc4 bxc4 22.Df3 ( 22.De2 Lb7 23.Dxc4 Sg4 24.De2 ( 24.Dc7 Dc5 25.Dxc5 Lxc5 26.Sb3 Sf2+ 1/2-1/2 Alexikov,A- Vorobiov,E/St Petersburg 2002/CBM 86 ext (26)) 24...Sxe5 25.Dxe5 Lf6 26.Txf6 gxf6 27.Dxf6 Td8 ( 27...Dd8 28.De5 f6 29.De3 Kh8 30.Sf3 e5 31.Sh4 Tg8 32.h3 Dd5 33.Tg1 Tg5 34.Db6 Dc6 35.Dxc6 Lxc6 36.Td1 Th5 37.Td6 Le4 38.Sf3 Tf5 39.Txa6 Lxc2 40.Kg1 Tf4 41.Tc6 Ld3 42.Sd2 Kg7 43.Tc3 Lb5 44.Tb3 Lc6 45.Tc3 Ld5 46.Ta3 Le6 47.Tf3 Kf7 48.Td3 h5 49.b3 h4 50.Te3 Ld5 51.Td3 Le6 52.Te3 Tb4 53.Kf2 Tf4+ 54.Sf3 1/2-1/2 Smeets,J- Cheparinov,I/ Oropesa del Mar 2001/EXT 2002 (54)) 28.Sf5 Lxg2+ 29.Kxg2 Dc6+ 30.Kg3 Dc7+ 31.Kh3 exf5 32.Tg1+ Kf8 33.Te1 1-0 Volokitin,A- Savchenko,S/ Bad Wiessee 2000/EXT 2003 (33); 22.Ta4 Dc5 23.De2 Sd7 24.Sf3 Lb7 ( 24...Db5 25.Ta2 Lb7 26.Lc3 Lf6 27.Ta5 Db6 28.Dxc4 Tc8 29.Da4 Lc6 30.Da3 Lb5 31.Ta1 Lxc3 32.bxc3 Sf6 33.Sd4 Se4 34.Db4 h6 35.Txa6 Dxa6 36.Txa6 Lxa6 37.h3 Sg3+ 38.Kh2 Sf5 39.Sb3 g6 40.Sa5 Le2 41.c4 Sd4 42.c3 Sf5 43.c5 Se7 44.c6 Kf8 45.Dd4 La6 46.c4 Te8 47.Db6 Lc8 48.Sb7 Kg7 49.Sd6 Th8 50.Dc7 Kf6 51.g4 1-0 Volokitin,A- Truskavetsky,A/ Alushta 2002/EXT 2003 (51)) 25.Lc3 Db5 26.Ta5 Dc6 27.Sd4 Dc8 28.Th5 Sf8 29.Dg4 f6 30.Te1 1/2-1/2 Volokitin,A- Brodsky,M/ Ordzhonikidze 2001/CBM 86 (30)) 22...Lb7 23.Df2 ( 23.Dg3 Sh5 24.Dg4 g6 25.Sf3 Ld5 26.Ld4 Db7 27.Se5 f5 28.De2 Lg5 29.Sf3 Lf6 30.Le5 Tc8 31.Ta3 Le7 32.Taa1 Sf6 33.Tae1 Sd7 34.Lc3 Lf6 35.Dd2 Lxc3 36.Dxc3 Sc5 37.De5 Se4 38.Te2 a5 39.Ta1 Tc5 40.Dd4 Tb5 41.Tee1 h6 42.De3 g5 43.Sd4 Txb2 44.Txa5 Db6 45.Txd5 exd5 46.Sxf5 Tb1 47.Dxb6 Txe1+ 48.Dg1 Sf2# 0-1 Leenhouts,K- Savchenko,S/ Dieren 2002/CBM 89 ext (48)) 23...Dc5 24.Tae1 Tf8 25.Dg3 Sh5 26.Dg4 g6 27.Te3 Dd5 28.Td1 Td8 29.Tee1 Lh4 30.Tg1 Dxe5 31.Dxh4 Td5 32.Sf3 Df4 33.Df2 Txd1 34.Txd1 Ld5 35.Ta1 Sf6 36.Dd4 Df5 37.Tf1 Sg4 38.h3 Sf6 39.Sh2 Dxc2 40.Tf2 Db1+ 41.Tf1 Dc2 42.Tf2 Db1+ 43.Tf1 Dc2 1/2-1/2 Berndt,S- David,A/ Germany 2000/CBM 76 (43). 0-1 Klovans,J- Palac,M/ Biel 1997/CBM 60 ext (31)]

18.Sb6 Sxd4 19.Dxd4 Ld7 20.Df4 [ 20.Tad1 Lc6 21.Sxa8 Dxd4 22.Txd4 Txa8 23.Lf3 ( 23.Ld6 Lxd6 24.Txd6 Kf8=/+ ) 23...Lxf3 24.gxf3= 1/2-1/2 Vorobiov,E- Vitiugov,N/St Petersburg 2001/EXT 2002 (24); 20.Dd3 Lc6 21.Sxa8 Txa8 22.Lf3 Dc5 23.b4 Dxb4 24.Lxc6 bxc6 25.Tfb1 Dc5 26.Txa6 Txa6 27.Tb8+ Lf8 28.Dxa6 Sd5 29.Lg3 g5 30.De2 Da3 31.De5 h6 32.h4 Se3 33.Dd6 Da1+ 34.Kh2 Sf1+ 35.Kh3 Dg7 36.hxg5 hxg5 37.Kg4 Se3+ 38.Kf3 Sf5 39.De5 Sxg3 40.Dxg3 Dc3+ 41.Kf2 Dxc2+ 42.Kg1 Dd1+ 43.Kh2 Dd5 44.Tc8 Dc5 45.Dc7 Kg7 46.Dxc6 De5+ 47.Kh1 De1+ 48.Kh2 Dh4+ 49.Kg1 Dd4+ 50.Kf1 Dd3+ 51.Kf2 Dd2+ 52.Kf1 Lb4 53.De4 Lc3 54.Tc4 e5 55.Tc7 Dd1+ 56.Kf2 Ld4+ 57.Kg3 Dh5 58.Td7 Lc3 59.Kf2 Dh6 60.Df5 Ld4+ 61.Kf3 Dh5+ 62.g4 Dh3+ 63.Ke2 Dg2+ 64.Kd3 Dh3+ 65.Ke2 De3+ 66.Kf1 Dc1+ 67.Ke2 Dc4+ 68.Kd1 Db3+ 69.Ke2 1/2-1/2 Schaefer,M- Maksimenko,A/ Senden 2001/CBM 84 ext (69); 20.Txf6? Lxf6 21.Dxd7 Te7 22.Dd6 Txc7 23.Dxc7 Ld8-+ ]

20...Lc6 21.Sxa8 Txa8! 22.Lf3 Dc5 23.c4 Lxf3 24.Txf3=

 

   Die Variantenauswahl gefällt mir an diesem Buch sehr gut. Ebenso ist die Gliederung sehr überschaubar, trotz des großen Umfangs an Material. John Emms beschränkt sich nicht nur auf die Präsentation der Varianten, er gibt dem Leser immer Hinweise, weshalb er jetzt diese oder jene Variante gegenüber einer anderen Variante bevorzugt. Ebenso erläutert der Autor typische Strategien in den Stellungen. Dieses Buch kann ich somit allen empfehlen, die in Zukunft das Scheveninger System gegen 1. e4 spielen möchten. Sie erhalten hier eine wasserdichte Abhandlung über ein wunderbares und sehr traditionelles System gegen den offenen Sizilianer inkl. der großmeisterlichen Empfehlung von geeigneten Varianten. Die Zielgruppe sind eher Schachspieler, die das ganze lernen möchten, aber auch welche, die Najdorf schon spielen und bisher andere Varianten gespielt haben.

  Das Buch erhält von mir 4 Sterne: Insbesondere in der 6. Lg5 Variante werden in der Folge einige Züge für Schwarz angegeben, die mehr oder weniger forciert für Schwarz verlieren. Der Autor gibt zwar vorher schon mögliche Abweichungen an, hält aber trotzdem die Verlustvariante zu Unrecht als spielbar. Dies war mit Hilfe von Fritz8 oder Shredder8 leicht zu sehen. Ein Beispiel möchte ich zeigen:

 










1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Dc7 8.Df3 b5 9.Lxf6 gxf6 10.e5 d5 [ 10...Lb7 diese Variante wird als Alternative angegeben. Die Hauptvariante soll zu einem forcierten Remis führen. 11.Dh5 b4 12.Sxe6 Dc8 13.Sxf8 bxc3 14.Sxh7 fxe5 und hier werden die weißen Züge Sf6+ sowie b3 angegeben. Völlig außen vor bleibt der Zug Dh4!!, der Weiß Vorteil gibt: 15.Dh4 ( 15.Sf6+ ; 15.b3 ) 15...cxb2 16.Sf6+ Kd8 17.Dxh8+ Ke7 18.Sg8+ Dxg8 19.Dh4+ f6 20.Td1 mit leichtem Vorteil für Weiß.

11.exf6 Sd7 12.0-0-0 Sxf6 13.f5 e5 14.Sxd5 Sxd5 15.Dxd5 Lb7 16.Lxb5+ axb5 17.Dxb5+ Ke7 18.f6+ Kxf6 19.Thf1+ Kg6 Dies ist die kritische Stellung. 20.Kb1 Ist vermutlich der beste weiße Zug 20...Lh6 vermutlich ist hier Ta5 okay für Schwarz (Shredder 8), wird aber im Buch nicht erwähnt 21.Dd3+ e4 22.Dh3 Ta5 23.Sf5 Lg5 24.Td6+ [ 24.Sh4+ Lxh4 25.Dxh4 f5 26.g4 Tf8 27.gxf5+ Kg7 "was a bit better for Black"] 24...f6 25.Td7 [ 25.Sh4+ Lxh4 26.Dg4+ Kf7 ( 26...Lg5 27.Tdxf6+ ) 27.Td7+ ] 25...Dxd7 26.Sh4+ Lxh4 27.Dxd7 Lc8 28.Dd4 Te5 "when all three results are possible." Dies ist natürlich ein Witz, da Weiß ganz einfach vorher mit 25. Sh4+ gewinnt. Also ist die Stellung nach 23. Sf5 Lg5 für Schwarz verloren.

 

   Das kann natürlich passieren, schließlich ist man vor Fehlern nicht gefeit. Es gibt wohl kaum ein Schachbuch, in dem so etwas nicht vorkommt. Allerdings ist Najdorf eine hochtaktische Eröffnung, die davon lebt, dass solche Stellungen eben nicht verloren sind.

 

Eine zweite Meinung: Rezension von Harald Fietz.

 

 

Das Rezensionsexemplar stellte die Firma Niggemann (Industriestraße 10, 46359 Heiden) zur Verfügung.


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