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Klaus Trautmann, "Eine Reise über das Schachbrett"

Das umfangreiche Taktikbuch im Test

von Robert Miklos, Mai 2003

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Klaus Trautmann: "Eine Reise über das Schachbrett"

Schachverlag Kania
335 Seiten, etwa 20 €
ISBN: 3-931192-06-7
Sprache: Deutsch

Bewertung des Rezensenten: Bewertung 4,5 aus 5

   Es gibt mehrere Möglichkeiten, ein Taktik-Buch zu gestalten. Man kann eine Systematisierung herausarbeiten (Volkhard Igneys kürzlich erschienenes "Erfolgreich kombinieren"), sehr viele Beispiele in ein Buch packen (Laszlo Polgars Riesenmammutwerk "Chess Middlegames" mit 5556 Stellungen), oder es humorvoll halten (Kurt Richters zeitloser Klassiker "Kombinationen"). Klaus Trautmann (ein vom Schachvirus Befallener, das merkt man immer wieder zwischen den Zeilen) kombiniert in gewisser Weise diese drei Ansätze: Er präsentiert 18 Kapitel mit insgesamt 120 Unterkapiteln zu einem bestimmten Thema; es sind viele Kombinationen: 595 Übungsaufgaben, dazu noch 120 Lehrbeispiele und der Spaß kommt auch nicht zu kurz, etliche Karikaturen von Frank Stiefel und Anekdoten lockern die 335 Seiten auf.

   Äußerlich gibt es nichts zu bemängeln, ganz im Gegenteil: Das Werk reiht sich nahtlos ein in die Serie der hochwertigen Kania-Bücher von Bronznik oder Keilhack was Hardcover, Fadenbindung und die Karikatur als Titelbild betrifft - dieses Mal natürlich eine andere (ein Reisender, der auf einem Schwarz-Weiß karierten Weg läuft, vor dem Hintergrund eines Stadtplans mit Straßennamen wie "Schachstraße", "Königsweg", "Gambitpfad" oderr "Zum letzten Fehler").

   Das vorliegende Werk ist bereits die zweite Auflage. Die erste Ausgabe wurde sehr gelobt und gekauft. Die Neuauflage ist laut Vorwort des Verlegers Harald Keilhack mit "gut 100 neuen Aufgaben" ergänzt, sie hat ein überarbeitetes Layout und der Text wurde auf die neue Rechtschreibung umgestellt (auf Seite 10 gleich am Anfang des Buches fällt eine Kleinigkeit auf: "einen" statt "einem"). Die Aufgaben wurden einer Computerüberprüfung unterzogen.

   Die Systematik: Trautmann präsentiert die allseits bekannten Motive wie Gabel, Fesselung, Räumung aber auch besondere wie Wanderkönig, Opferserie, Gleichgewichtsprobleme. Die Aufgaben sind bunt gemischt, gegen Schluss (Seite 271) gibt es ein paar Fernschachstorys mit Aufgaben zu Eventualzügen ("auf Zug A kommt Zug B, auf jeden anderen Zug statt A spiele ich Zug C - wie nutzt man das aus?"), sogar Schachvarianten (Räuberschach) werden präsentiert, Problemschach und Schachstudien sowieso. Sehr toll auch, dass es besondere Unterkapitel über Frauenschach und Computerschach gibt - die zuletzt aufgeführten Aufgabentypen dienen natürlich eher der Unterhaltung. Der Autor zwängt die Kombinationsmotive aber in ein (zu) starres Korsett: Für jedes Motiv stehen zwei Seiten zur Verfügung, in diese werden Einführungstext, ein kommentiertes Beispiel und fünf Aufgaben reingequetscht; für manche Motive ist das eindeutig zu wenig.

   Das Buch wendet sich an fortgeschrittene Spieler, die auf dem Gebiet der Schachtaktik schon einiges beherrschen sollten. Eine Obergrenze ist schwer zu benennen, sogar Meisterspieler dürften ihren Spaß mit dem Buch haben. Der Autor, nicht unbedingt ein starker Schachspieler, ist mit einer DWZ von 1945 mittendrin in der Zielgruppe. Es ist auch nicht leicht, eine Untergrenze für den Wertungszahlbereich zu empfehlen; es kann gut sein, dass man mit 1700 nicht sehr viel Spaß am Buch hat. Es sind ja auch viele Partiebeispiele dabei, in denen Meisterspieler reingefallen sind, in einigen sahen gestandene Großmeister den Gewinn bzw. verhinderten das Unheil überhaupt nicht, z.B. hier - man beachte die Spielstärke des Schwarzen, der diese Stellung angestrebt hatte in der Hoffnung, mit Mehrturm die Damen zu tauschen:

 










Shankar,R (2338) - Akopian,V (2660)
Calcutta 2000

 

41.Tc8+ Tb8 42.Da5+! Weiß spielte nun 42.De4+ und verlor
42...Kb7 43.Tc5!!
mit Gewinn für Weiß

 

   Noch ein Beispiel: 2002 brillierte der junge englische Großmeister Luke McShane noch online beim Kuppenheimer 12-Stunden-Blitz, auf Seite 196 findet sich eine Schachpartie aus früheren Zeiten, in der er auf der falschen Seite spielt. Dieses Fragment dient als Lehrbeispiel für das Kapitel "Gerade die Geraden", Unterkapitel "Die gefährdete Grundreihe", es darf somit ruhig ein bisschen schwieriger sein als die Aufgaben zum Selberlösen:

 










McShane,L (2467) - Mirumian,V (2506)
Lippstadt, 1999

 

22.Td3? Lc4!! 23.Td1 Dxd6 24.Se4 Txe4! 0-1

 

   Mag sein, dass man auf dem 1700er Niveau nicht sehr viel Spaß am Buch hat - dafür lernt man aber was. Die Aufgabentexte geben ab und zu kleine Tipps - wenn man zwischen den Zeilen liest. Gut ist auch, dass manche Züge vorgesagt werden, in der entstandenen Stellung muss man dann den Lösungszug finden, das schult das Vorstellungsvermögen. Nur: dafür muss man den Text lesen und so erhält man vielleicht mal einen Tipp, den man im Lernsinne zuerst verschmäht haben sollte; es ist halt ein bisschen mehr Unterhaltungsbuch als trockenes Lehrbuch. Ob aber einige altbekannte Anekdoten lustig wirken? Ich fand einige alte Bekannte, zum Beispiel auf Seite 206 die Geschichte über Fischers Läuferopfer auf f7, das ein Jahr vorher bereits in Rußland gespielt wurde.

 










Fischer,R - Reshevsky,S
New York, 1958

 

10.Lxf7+ Kxf7 [ 10...Txf7 11.Se6 ] 11.Se6 dxe6 [ 11...Kxe6 12.Dd5+ Kf5 13.g4+ Kxg4 14.Tg1+ ] 12.Dxd8 1-0

 

   Der fortgeschrittene Schachspieler, der beispielsweise Colditz, Igney oder das Programm CT-Art von Convekta durch hat, kann das vorliegende Werk benutzen, um seine taktischen Fähigkeiten zu überprüfen, bei den Aufgaben gibt es wenige Überschneidungen. Schachlehrer werden die starre Systematik dankend übernehmen können. Schachspieler (mit mindestens 1600!), die noch nie ein Taktibuch angeschaut haben, dürften durch die lockere aber trotzdem kompetente Art viel Spaß mit der Schachtaktik haben, während und auch nach dem Durchlesen des Buches.

 

Eine zweite Meinung: Rezension von Harald Fietz.

 

 

das Buch stellte der Schachverlag Kania, Richard-Wagner-Str. 43, 71701 Schwieberdingen für die Rezension zur Verfügung


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