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Stellwag zieht noch manchem den Zahn

Ehemaliger Reutlinger Ausnahmespieler genießt bei Oberliga-Meister TTC Frickenhausen II weiter den Spaß am Tischtennis

von Hartmut Metz, April 2002


   Timo Boll hat bei der Europameisterschaft in Zagreb eine neue Ära im deutschen Tischtennis eingeleitet. Vor dem neuen zweifachen Titelträger bestimmte Jörg Roßkopf das nationale Geschehen - und vor diesem galt Peter Stellwag als "Mr. Tischtennis". Am Samstag (18 Uhr) spielt der 45-Jährige mit Oberliga-Meister TTC Frickenhausen II bei der SV Ottenau.

   Mit nur einer Saisonniederlage beweist der 121-fache Nationalspieler noch heute sein Können an der Platte. In seiner Glanzzeit wurde er 1978 mit Jochen Leiß Vize-Europameister. "Hätte es damals schon das Reglement zugelassen, dass ich mit dem Schweden Mikael Appelgren spiele, hätten wir wohl zusammen gewonnen", meint der Senioren-Doppel-Weltmeister von 1998. So musste sich Stellwag damit "bescheiden", mit Appelgren und Serienmeister SSV Reutlingen zweimal den Europapokal ins Schwäbische zu holen. Heute betreibt der vierfache deutsche Einzelmeister mit Gattin Judith Ott-Stellwag eine Zahnarztpraxis in Echterdingen. Im Sommer tauscht der Frickenhausener regelmäßig den kleinen gegen den großen Schläger aus und spielt für den TC Waldau in der Tennis-Regionalliga, der höchsten Klasse für über 40-Jährige. BT-Redakteur Hartmut Metz unterhielt sich mit Peter Stellwag.

 

Metz: Herr Stellwag, sind Sie am Wochenende vor dem Fernseher gehockt und haben Timo Boll die Daumen gedrückt?

 

Peter Stellwag: Ich habe mir das Finale angeschaut. Das war beeindruckend. Timo Boll ist ein Gewinnertyp. Er verfügt über besondere Eigenschaften und ist ein hervorragender, filigraner Techniker. Er riecht förmlich, wohin der Ball kommt. Trotz der asiatischen Übermacht durch die Chinesen und Südkoreaner kann Timo auch einmal bei einer Weltmeisterschaft eine Medaille holen.

 

Metz: Glauben Sie, dass der Sport mit dem kleinen Zelluloid jetzt etwas profitiert, also auch Teams wie Ihr Bundesliga-Verein Frickenhausen?

 

Stellwag: Ich sprach mit einem Insider darüber. Man ist sich noch unschlüssig, ob das eine Signalwirkung hat und die Mitgliederzahl wieder über 700 000 klettert. Das Potenzial an Hobbyspielern im Garten und im Keller liegt bestimmt bei zwei, drei Millionen. Eigentlich sollten diese nicht alltäglichen Erfolge einen Schub bringen.

 

Metz: Früher sah man noch öfter als heute Tischtennis im Fernsehen.

 

Stellwag: Stimmt. Ich hatte das Gefühl, dass wir das breite Publikum ansprachen. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten verfügten damals noch über andere Zuschauerzahlen. In ZDF und ARD kam sehr, sehr viel als ich im Europa-Top-12-Turnier oder im EM-Finale spielte. Das vermisse ich heute, bei den öffentlich-rechtlichen ist leider Gottes Tischtennis zurückgedrängt worden. Vielleicht entwickelt es sich dafür nun bei Eurosport und DSF, die zuletzt etwas übertrugen. Die Anhänger müssten sich formieren und dafür sorgen, dass die Zuschauerzahlen steigen und nicht nur bei einer - zugegebenermaßen ungünstigen Zeit - wie am Samstagmorgen 100 000 betragen.

 

Metz: Wie hat sich ansonsten aus Ihrer Warte das Tischtennis seit Ihrer Glanzzeit vor 25 Jahren verändert?

 

Stellwag: Es wird heute zweimal am Tag trainiert. Bei uns war das vielleicht einmal am Tag der Fall. Das Niveau wurde höher. Man benötigt dickere Beläge, die frisch geklebt werden, damit mehr Geschwindigkeit und mehr Katapulteffekt entsteht. Das Spiel wurde athletischer und schneller. Die Physis muss besser sein - allerdings liegt der Verschleiß auch höher. Das sieht man auch am Fall von Jörg Roßkopf, der sich seit einiger Zeit mit Verletzungen herumplagt und dessen Karriereende absehbar ist.

 

Metz: Ihnen blieb ein größerer Verschleiß erspart und der Spaß am Tischtennis erhalten?

 

Stellwag: Mir macht es immer noch sehr viel Spaß. Ich merke, dass Tischtennis für mich ein gutes Ventil ist für die Anspannung, die ich im Beruf habe. Deshalb bin ich noch gerne aktiv und halte mich fit.

 

Metz: Auch Ihr Nachwuchs spielt schon recht erfolgreich. Ist der Sohnemann so talentiert wie der Vater?

 

Stellwag: Ann-Katrin (11) und Christopher (9) spielen in Böblingen. Der Sohn ist ein bisschen mehr dabei als die Tochter. Mal sehen, wohin das führt. Christopher ist sehr bewegungsaktiv und für sein Alter ganz gut. Auch Ann-Kathrin machte zuletzt Fortschritte. Wichtig ist für Jugendliche vor allem aber das soziale Umfeld und die sportliche Betätigung.

 

Metz: Frickenhausen II steht als Meister in der Oberliga fest. Sie spielen mit Ihren Gegnern an der Platte Katz und Maus. Trauen Sie sich auch noch höhere Ligen zu? Den Vergleich mit Nationalspieler Torben Wosik& Co. haben Sie ja im Verein.

 

Stellwag: Grundsätzlich wird sich durch den Aufstieg nicht viel in meiner Trainingsintensität und meiner Wochenplanung ändern. Was mit meinem bescheidenen Aufwand, den ich betreibe, geht, mache ich mit. Wir besitzen eine nette, homogene Truppe. Für den Verein ist es von Vorteil, dass die zweite Mannschaft in der Regionalliga spielt. Dann ist eher einer unserer Spitzenspieler in der Lage, einmal als Ersatz in die Bundesliga aufzurücken. In der Oberliga wird man aber auch gefordert. Das Duell in Seckenheim war ein echtes Spitzenspiel vor 200 Zuschauern, das sich auf hohem Regionalliga-Niveau befand. Vielleicht profitieren die noch von einem Rückzug wegen der Ausländerregelung und steigen als Vizemeister auf.

 

Metz: Spielen Sie im Training ab und an mit Erstliga-Cracks?

 

Stellwag: Ab und zu geht's noch um ein Bier - bei entsprechenden Konditionen natürlich.

 

Metz: Das heißt konkret?

 

Stellwag: Mit der neuen Zählweise bis elf reicht schon ein Satzgewinn, um ein Bier zu holen. Und der andere muss 3:0 gewinnen, damit er ein Bier von mir bekommt, so dass immer Spannung herrscht. Ein Satz ist drin, wenn es gut läuft. Aber insgesamt sind das inzwischen andere Dimensionen. Danach weiß man, wo einem die Grenzen auferlegt sind.

 

Metz: Am Samstag dürften Sie auch einige Zuschauer nach Ottenau locken. Ihr Tipp für den Saisonabschluss?

 

Stellwag: Grundsätzlich halte ich Ottenau für eine starke Mannschaft, die mit den jungen Spielern nächste Saison durchaus Titelchancen hat, sollte Seckenheim auch in die Regionalliga aufsteigen. Einen konkreten Tipp möchte ich nicht wagen. Ottenaus Chinese, Guo Ping Kong, kann jeden schlagen, wer weiß, wie die Doppel enden. Wir wollen aber natürlich auch das letzte Spiel ungeschlagen überstehen.


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