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Den Trainer hätte ich nicht geheiratet"

Rudi Stumper betreut beim Tischtennis-Bundesligisten TV Busenbach neuerdings neben seiner talentierten Tochter Laura auch noch die Ehefrau

von Hartmut Metz


   Dass ehrgeizige Eltern ihren Nachwuchs triezen, um ihn zu sportlichen Erfolgen zu treiben, die sie selbst nie erreichten, ist gang und gäbe. Die bekanntesten Beispiele liefert der Tennis-Zirkus, speziell der weibliche. Siehe Graf, Seles, Hingis oder die Williams-Schwestern. Beim "kleinen" Tennis, das seit rund 100 Jahren auf einem Tisch gespielt wird, lautet das Parade-"Doppel" Rudi und Laura Stumper.

   Wobei das Modell aus dem Rahmen fällt. Nicht nur, dass Rudi Stumper früher selbst ein exzellenter Tischtennisspieler war, der beim SSV Reutlingen mit Peter Stellwag und dem schwedischen Einzel-Europameister Mikael Appelgren zahlreiche Titel gewann. Den 42-Jährigen unterscheidet überdies, dass er beim Bundesliga-Aufsteiger TV Busenbach seine Ehefrau Bao Di betreut.

   Kein leichtes Unterfangen, räumt doch die Chinesin ein: "Wäre Rudi privat so wie im Training, hätte ich ihn nicht geheiratet! Dass er nett ist, merkte ich erst später. Er war vorher schon sehr streng zu mir - wir haben uns aber dennoch verliebt." Der frisch gebackene Ehemann schmunzelt. "Die Saison ist noch jung", bemerkt er spitzbübisch, während er mit dem Ehering spielt, "wir müssen abwarten, ob's gelingt, die Hallentür abzuschließen und alles vorherige zu vergessen."

   Gemeinsame Hobbys wie Fernreisen schätzen die beiden nicht erst, seit sie die noch ausstehenden Flitterwochen planen. Die Rollenverteilung der 27-Jährigen ("In der Halle ist er der Chef, zu Hause ich!") akzeptiert Rudi Stumper klaglos. Selbst wenn Chinesisch auf dem Speiseplan steht. "Anfangs war ich gegen die chinesische Küche. Aber sie kocht sehr gut, und der Mensch ist ein Gewohnheitstier", berichtet der Busenbacher Trainer mit einem Augenzwinkern und erträgt auch eheliche Unbilden wie "Shoppen gehen". Letzteres genießt auch Bao Dis zehn Jahre jüngere Stieftochter. Aber nicht nur deswegen sei das Verhältnis ein gutes, "wie zwischen Freundinnen", hebt die mit 6:3-Einzelsiegen erfolgreichste Busenbacherin hervor. "Für mich hat sich nicht so viel verändert", erklärt Laura Stumper, die aus Stuttgarter Zeiten die Situation kennt, mit ihrer Mutter Judith in einer Mannschaft zu spielen.

   Schon mit elf war sie reif für die zweite Bundesliga. In den Schüler- und Jugendklassen räumte Laura Stumper wie keine Zweite alle Titel ab. "Ich habe sie zur erfolgreichsten Jugendspielerin Europas gemacht", sieht der Papa seinen Nachwuchs auf den Spuren der deutschen Rekordnationalspielerin Olga Nemes, deren Vormundschaft er 1985 nach ihrer Flucht aus der gemeinsamen Heimat Rumänien übernommen hatte.

   Während seiner Ausführungen beobachtet immer ein Auge das Aufschlagtraining des 1,58 Meter großen Töchterchens. Neun Jahre lang übte es nur mit dem Ex-Reutlinger und gelegentlich den Auswahltrainern. "Da achtet man automatisch aufeinander. Für uns bedeutete es eine Umstellung, hier in Busenbach in einer Gruppe zu trainieren", berichtet Rudi Stumper und eilt hinfort: "Ich komme gleich wieder. Ich muss da Schwung reinbringen." Kurz danach kehrt der ehemalige Ochsenhausener Bundesliga-Spielertrainer stöhnend zurück. "Frauen zu trainieren, ist zehnmal schwieriger ... Die sind launischer als Männer", entfährt es ihm, bevor er angesichts von zwei Tischtennisspielerinnen in der Familie lachend ergänzt, "aber man darf die Hoffnung nie aufgeben."

   Für Laura Stumper ist der Vater der Bezugspunkt. Selbst während der Pausen zwischen den Ballwechseln sucht sie in den Bundesligaspielen häufig Blickkontakt. Rudi Stumper lässt sie an der Platte auch nie allein. Eindringlich raunt er der Tochter zwischen den Sätzen Tipps zu. Kotrainer Marco Hess muss sich stets um die andere laufende Partie kümmern. "Die jungen Spielerinnen benötigen mehr Aufmerksamkeit", akzeptiert die Weltranglisten-19. Krisztina Toth des Trainers Augenmerk auf Laura sowie deren Doppel-Partnerin, Nationalspielerin Tanja Hain-Hofmann (21). "Wir wissen, was wir zu tun haben", sieht auch Ehefrau Bao Di keinen Anlass zur Eifersucht.

   Dass sie es "bei der Nationalmannschaft lockerer hat" als beim eigenen Vater "akzeptiert" Laura Stumper klaglos. Er sei von Kindesbeinen an ihr bester und wichtigster Coach gewesen, "denn die Bundestrainer wechseln ständig". Die vom Familienoberhaupt ausgegebenen Ziele hat sie Wort für Wort verinnerlicht: "In den nächsten zehn Jahren die gleichen Erfolge zu erzielen wie in der Jugend", zitiert die Jugend-Europameisterin und Top-12-Siegerin. Der Ehrgeiz treibt die 17-Jährige, die vor kurzem ihre eigene Bude bezogen hat, aber auch alleine an. Jeder verschlagene Ball im Training ärgert sie. Genauso wie die häufig geäußerte Vermutung, ihr sei die Kindheit und das Lachen abhanden gekommen. "Ich drehe durch, wenn jemand sagt, ich schaue missmutig während eines Spiels drein", überschlägt sich die Stimme der Jung-Nationalspielerin, "das regt mich auf! Ich konzentriere mich. Soll ich beim Tischtennis etwa lachen? Die Leute kennen mich nicht abseits der Platte."

   Die viel gereiste Ungarin Toth bricht eine Lanze für die Stumpers. "Der Unterschied zu Steffi Grafs Vater besteht darin, dass Rudi den Sport selbst kennt. Geschundene Kinder müssen, um etwas zu erreichen, sehr viel Druck aushalten. Diesen Druck sehe ich bei ihm nicht. Als ehemaliger Bundesligaspieler weiß er, dass tausend andere auch sehr viel trainieren."


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