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Roßkopf gönnt sich neuen Elan

Interview aus dem Badischen Tagblatt mit dem deutschen Tischtennis-Star

von Hartmut Metz


   Jörg Roßkopf ist der erfolgreichste deutsche Tischtennisspieler aller Zeiten: Der 30-jährige Linkshänder war im Einzel Europameister und World-Cup-Sieger 1998. Im Doppel gewann er 1989 in Dortmund mit Steffen Fetzner die Weltmeisterschaft und Silber 1992 bei den Olympischen Spielen. Im Vorjahr heimste er zudem mit seinem Düsseldorfer Vereinskameraden Wladimir Samsonow den EM-Titel ein. Vor der Mannschafts-WM in Kuala Lumpur sorgte Roßkopf durch seinen Wechsel zum TTV Gönnern für Aufsehen. Hartmut Metz unterhielt sich mit dem 232fachen Rekordnationalspieler über die anstehende WM in Malaysia sowie die Beweggründe, warum er Borussia Düsseldorf nach 14 äußerst erfolgreichen Jahren verlässt.

 

TTC: Herr Roßkopf, wird das die letzte WM Ihrer Karriere sein?

Jörg Roßkopf: Nein, mit Sicherheit nicht.

TTC: Der Wechsel zum TTV Gönnern gibt Ihnen neuen Kick?

Roßkopf: Nicht allein der Wechsel. Aus einer siebenmonatigen Verletzungspause kann man auch Motivation schöpfen. In einer solch langen Pause macht man sich Gedanken - und das war ganz wichtig für mich. Die Lust auf Tischtennis kehrte zurück.

TTC: Im Gegensatz zur Europaliga, in der Deutschland die vergangenen Jahre stets hervorragend abschnitt, wird das Doppel bei der WM durch ein weiteres Einzel eines dritten Akteurs ersetzt. Bei den übermächtigen Chinesen ist das egal. Aber Frankreich profitiert beispielsweise mit den Einzelkönnern Gatien, Legout, Eloi und Chila davon. Ist der neue Modus somit ein Nachteil für die DTTB-Auswahl?

Roßkopf: Das hängt davon ab, wie gut wir spielen. Wir besitzen vier, fünf, sechs gute Spieler, so dass wir auch gegen starke Mannschaften punkten können. Wir haben mit Sicherheit gegenüber anderen Nationen im Doppel leichte Vorteile, aber ich denke, das WM-System ist trotzdem in Ordnung.

TTC: Ihr vieljähriger Doppelpartner Steffen Fetzner bleibt zugunsten von Zoltan Fejer-Konnerth zu Hause. Allein weil das Doppel wegfällt?

Roßkopf: Da er vermutlich wenig Einsätze bekäme, macht es wenig Sinn für ihn, zwei Wochen lang auf der Bank zu sitzen. Einem jungen Spieler bringt es mehr, die Atmosphäre zu schnuppern und interessante Erfahrungen zu sammeln. "Speedy" kennt das schon alles von zig großen Turnieren. "Speedy" soll sich einfach auf seine letzten Europameisterschaften im April in Bremen konzentriert vorbereiten, damit wir dort einen gelungenen internationalen Abschied von ihm feiern können.

TTC: Fürchten Sie nicht auch eines Tages solch eine Ausmusterung?

Roßkopf: Ja, das kann passieren. Ich würde aber mit Sicherheit dann davor aufhören. So lange ich noch spiele, möchte ich auch dazugehören.

TTC: Welche Platzierungen trauen Sie den deutschen Damen wie Herren bei der WM zu?

Roßkopf: Ich gehe davon aus, dass die Damen eine Medaille holen. Für uns wäre das Viertelfinale okay. Es kann aber auch weniger oder mehr werden. Alles ist so eng beisammen. Vor zwei Jahren hatten wir mit der Auslosung Glück und kamen ins Halbfinale.

TTC: Erachten Sie es als Vorteil für ältere Spieler wie Sie, dass die WM wegen der politischen Lage in Belgrad abgesagt und in Einzel- und nun Mannschafts-WM aufgesplittet wurde? Das erfordert weniger Kraft als zwei Wochen lang ein Wettbewerb nach dem anderen.

Roßkopf: Ich fand´s nicht so berauschend. Man musste sich dadurch auf zwei Weltmeisterschaften vorbereiten. Die Turniere selbst sind natürlich leichter zu bewältigen, weil eine WM mit Einzel und Mannschaft einen Gewaltakt darstellt. Dabei befindet man sich zehn Tage unter Hochspannung, jetzt besitzt man hinten raus mehr Luft. In der Situation war es wegen der Geschichte in Belgrad nicht anders möglich, aber normalerweise sollten alle Wettkämpfe zusammen bei einer WM stattfinden.

TTC: Sollte Nationaltrainer Dirk Schimmelpfennig nächste Saison nach Gönnern umziehen? Mit Ihnen und Timo Boll werden dort seine beiden besten Spieler sein, außerdem gehört Zoltan Fejer-Konnerth zu seinem Kader.

Roßkopf: Er hat einen guten Wohnsitz in Köln ...

TTC: Womit er nicht weit von Düsseldorf entfernt war ...

Roßkopf: Ja, aber in Gönnern spielen nur drei von vielleicht zehn Auswahl-Kandidaten. Peter Franz oder Torben Wosik spielen für andere Vereine. Ich finde es nicht so dramatisch, wie es vielfach dargestellt wird, dass Gönnern nun die komplette Nationalmannschaft stellt. In Düsseldorf hatten wir früher mit Wosik, Fetzner und mir auch drei Nationalspieler.

TTC: Im Interview mit dem Fachorgan "Deutscher Tischtennissport" klang bei Ihnen ein gewisser Überdruss heraus über die vielen Ausländer in der Bundesliga. In Gönnern sammeln sich die wenigen Deutschen.

Roßkopf: Ja, sicher ist es angenehm, dass mal wieder Deutsch gesprochen wird und junge Spieler da sind. Leider kann man heutzutage die Entwicklung in der Bundesliga nicht mehr aufhalten. Die Vereine oder Manager sollten sich aber schon Gedanken darüber machen, wie der Trend zu stoppen ist oder ihm entgegenwirkt. Die Zuschauerzahlen gehen zurück, keine neuen Sponsoren kommen. Die Sponsoren überlegen sich verständlicherweise auch, ob sich ein Engagement in der jetzigen Situation lohnt. In Gönnern geht man einen anderen, vernünftigen Weg mit deutschen Spielern. Sie haben viele Zuschauer und neue Sponsoren. Das ist folglich ein Weg, den man einschlagen kann.

TTC: Selbst Tischtennis-Fans fällt es schwer, sich die Namen der vielen chinesischen Topspieler einzuprägen. Mit Europäern wie Jan-Ove Waldner oder deutschen Stars identifizieren sie sich gewiss leichter.

Roßkopf: Mit Sicherheit. Es gilt einiges zu ändern. Zum Beispiel auch den Modus in der Bundesliga, denn wir spielen viel zu viel. Wenn Samsonow von Düsseldorf nach Belgien wechselt, dann geschieht dies nur, damit er sich besser auf seine internationalen Aufgaben vorbereiten kann.

TTC: Das klingt nach der Forderung einer kleineren Bundesliga.

Roßkopf: Verkleinerung nicht unbedingt. Zehn Mannschaften sind in Ordnung, aber acht wären besser. Wir bräuchten gedrängtere Wochenenden mit zwei Spielen oder mehr Partien an Dienstagen, das hat sich auch bewährt. Man sollte sich den Terminplan mal anschauen.

TTC: Sie sind seit 14 Jahren in Düsseldorf. Nervt dann der Alltagstrott, so dass man sich einen Tapetenwechsel herbeisehnt?

Roßkopf: Natürlich ist alles nach 14 Jahren eingefahren. Ich wollte einfach gegensteuern, noch einmal etwas Neues probieren und mit der Motivation in den verbleibenden zwei, drei Jahren nochmals angreifen.

TTC: Was trauen Sie dem TTV Gönnern in der nächsten Saison zu?

Roßkopf: Ich denke, dass wir um alle Titel mitspielen können. Wir haben eine gute Mannschaft, aber eine Garantie auf Erfolge stellt das trotzdem nicht dar.

TTC: Timo Boll besitzt in der Bundesliga eine exzellente Bilanz im ersten Paarkreuz. Wird er Ihr legitimer Nachfolger? Und was trauen Sie ihm in Zukunft zu?

Roßkopf: Nachfolger, er wird bestimmt kein Nachfolger, wenn er nur in der Bundesliga eine gute Bilanz spielt. Er besitzt sehr großes Potenzial, aber um ein guter Spieler oder Nachfolger zu werden, muss man auch mal Europa- oder Weltmeister werden. Das sollten seine Hauptziele sein. Ich versuche, ihm dabei ein bisschen zu helfen. Er kann das schaffen mit seinem Potenzial.

TTC: Sehen Sie Parallelen zum jungen, hungrigen Jörg Roßkopf, der 1989 im Doppel an die Weltspitze stieß?

Roßkopf: Er besitzt mit Sicherheit mehr Talent als ich. Ich denke schon, dass er auch ein besserer Spieler sein kann. Es gehört jedoch sehr viel Glück, Ehrgeiz und Fleiß dazu. Es ist nicht allein mit Talent getan.

TTC: Noch ein kurzer Blick auf ihren Stammverein: Verschwindet Rekordmeister Borussia Düsseldorf nach dem möglichen Champions-League-Sieg mit Ihnen und Samsonow in der Versenkung?

Roßkopf: Nein. Sie haben nächste Saison eine sehr gute Mannschaft und werden im Kampf um den Titel unser Konkurrent sein. Bleibt natürlich die Frage, wie die Zuschauer die komplett neue Mannschaft mit dem Taiwanesen Lung Chiang und dem Niederländer Trinko Keen aufnehmen. Von der spielerischen Qualität her zählt Düsseldorf gewiss zu den Topteams.

TTC: Also eher Tiefstapelei, wenn Trainer und Manager Andreas Preuß nur vom Klassenerhalt spricht?

Roßkopf: Dafür müssten die anderen Mannschaften noch ziemlich gute Spieler einkaufen ... Düsseldorf besitzt nicht das Team, das an Grenzau heranreichen wird. Aber für die Plätze dahinter kommt Düsseldorf mit Sicherheit in Betracht. Grenzau hat nächste Saison mit Ma Wenge, Chen Zhibin, Korbel und Blaszczyk eine Übermannschaft mit vier Ausländern.

TTC: Ihnen gefällt das weniger?

Roßkopf: Die Identifikation der Fans ist das Problem in Grenzau: Der Verein möchte eine Deutsche Meisterschaft mit vier Ausländern erkaufen. Mein Gott, sie werden am Ende vielleicht Deutscher Meister werden - aber mit dem teuer erkauften Titel werden sie am Ende bestimmt nicht glücklich werden. Mit vier Ausländern Deutscher Meister zu werden, ist schon ein starkes Stück. Was mich am meisten stört: Zu viele Spieler kommen in die Bundesliga und denken nur daran, wie viel Geld sie am Ende des Monats erhalten - und nicht, was sie dafür auch opfern wollen. Ich meine, in Gönnern auf Spieler zu treffen, die wirklich heiß sind, in der Bundesliga zu spielen. Das war für mich immer das Entscheidende: Zu wissen und zu sehen, dass die Mannschaft heiß ist.

TTC: Sie sollen in Gönnern gleich viel wie in Düsseldorf verdienen. Nur das Arrangement mit Düsseldorfs Hauptsponsor Opel befinde sich noch in der Schwebe, heißt es.

Roßkopf: Im Endeffekt ist es mir egal. Ich warte nicht jeden Tag auf einen Anruf des Sponsors. Es wäre schön, wenn´s mit Opel weitergeht, aber ich machte den Wechsel nicht davon abhängig. Ich wollte neben der neuen sportlichen Herausforderung auch wegen meiner Familie zurück in die hessische Heimat. Egal, welche finanziellen Einbußen es mich gekostet hätte.

TTC: Probleme mit Ausrüster Joola wurden ebenfalls kolportiert.

Roßkopf: Das stand falsch in der "Süddeutschen Zeitung". Ich besitze mit Joola einen Vertrag bis 2004, der außer Frage steht.

TTC: Wollen Sie also bis 2004 spielen? Oder gibt es schon Pläne für ein Engagement bei Gönnern oder dem Verband?

Roßkopf: Nein, der DTTB ist im Hessischen zwar in der Nähe, aber die Überlegungen sind nicht aktuell. Ich möchte noch drei, vier Jahre spielen und schauen, was ich mit der neuen Motivation erreichen kann.


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