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Die große Mauer des Schweigens

Rivalität zwischen den drei gebürtigen Chinesinnen im DTTB-Kader

von Hartmut Metz


   „Drei Chinesen mit dem Kontrabass saßen auf der Straße und erzählten sich was." Drei Chinesinnen mit dem Tischtennisschläger stehen an der Platte und erzählen sich nichts. Zumindest der dritten Chinesin nicht, die den Deutschen Tischtennisbund (DTTB) bei der Europameisterschaft in Bremen vertritt. Das Kinderlied setzen nur Qianhong Gotsch und Jie Schöpp fröhlich und kichernd miteinander um. Zu Jing Tian-Zörner pflegen sie eher kühle Distanz.

   Nicht, dass man sich völlig aus dem Weg geht. Ginge auch kaum bei den gemeinsamen Lehrgängen. Aber über die Konkurrentinnen im deutschen Lager sprechen die drei Weltklassespielerinnen nur sehr vorsichtig. "Ich will nicht so viel reden", räumt Jing Tian-Zörner ein. Nur eines: "Ich bin die Nummer eins in der deutschen Rangliste und war schon auf Position vier in der Welt. Warum ich nicht in der Mannschaft spiele, muss der Trainer erklären." Ein Seitenhieb auf Damen-Bundestrainer Martin Adomeit, der auf die 37-Jährige wegen fehlender "internationaler Perspektiven" seit jeher verzichtet. Daran änderten auch mehrere internationale Turniersiege der Bad Driburger Bundesligaspielerin seit ihrem Comeback 1997 nichts.

   „Es gibt keinen sportlichen Grund, warum sie in der Mannschaft spielen sollte", erklärt Adomeit trotzig mit Blick auf die Europaranglisten-Zweite. In einem ohnehin überalterten Damen-Nationalteam "passen weder Alter noch Spielsystem". Letzteres mag man am ehesten gelten lassen. Die in Europa führende Betzingerin Qianhong Gotsch wie auch Jie Schöpp (Nr. 7) spielen Abwehr. Drei Defensivstrateginnen begrenzten die taktischen Möglichkeiten Adomeits, der stattdessen mit den Europameistern im Doppel, Nicole Struse und Elke Schall, sowie Olga Nemes über allerlei Variationen verfügt.

   Das Team ist auch ohne Tian-Zörner auf dem alten Kontinent eine Klasse für sich. Souverän spazierte der Europameister in Bremen durch die schwere Vorrunden-Gruppe und das Halbfinale gegen Kroatien. "Qianhong Gotsch kann noch einige Jahre spielen", ergänzt Adomeit, warum die 31-Jährige Weltranglisten-Fünfte den Vorzug genießt. Jie Schöpp (32) ist zwar als 18. auf dem Globus derzeit acht Plätze schlechter notiert als Tian-Zörner, doch "sie hat noch nie bei einer Europameisterschaft verloren". Schöpp, die in der Hansestadt ihr 100. Länderspiel feierte, schraubte ihre EM-Mannschaftsbilanz auf phänomenale 31:0 Siege.

   Entlockt man Gotsch lediglich, dass Tian-Zörner für sie eine "ganz normale Gegnerin" sei, bekennt ihre Freundin und Doppelpartnerin Schöpp als Einzige des Trios Farbe: "Wir reden wenig mit ihr." Offensichtlich der Hauptgrund für die nicht ausgeräumte Rivalität. "Sie denkt, dass sie besser ist als ich und spiele wegen mir nicht im Nationalteam. Das nimmt sie mir übel", versucht Schöpp die Gedankengänge Tian-Zörners zu erahnen. Zu ihrem Naturell würde es nicht passen, Ähnliches für ihre Landsmännin zu empfinden. "In China war sie sogar ein bisschen ein Vorbild von mir. Im Grunde genommen respektiere ich sie. So zielstrebig könnte ich in ihrem Alter nicht mehr sein", erklärt die erfolgreichste deutsche Mannschaftsspielerin und verweist auf ihre weniger ehrgeizige Philosophie, "ich bin ein leicht zufrieden zu stellender Mensch. Für einen Sportler mag das vielleicht schlecht sein, ich lebe aber glücklich."

   Die große Mauer des Schweigens schadet der DTTB-Auswahl im Individual-Wettbewerb nicht. Alle drei Abwehrspielerinnen besitzen gute Aussichten auf ihren ersten Einzeltitel. Tian-Zörner vielleicht sogar mehr als Gotsch und Schöpp. Vor allem Letztere hatte sich bereits bei den vorherigen Europameisterschaften stets vorher in der Mannschaft verausgabt. Einigkeit herrscht bei den drei Chinesinnen im deutschen Nationaltrikot nur bezüglich der Konkurrenz, die ihnen die Medaillen streitig machen könnten: die Kroatin Tamara Boros und Mihaela Steff. "Das ist eine sehr starke Gegnerin", befindet Tian-Zörner. Mit der Rumänin spielt sie in Bad Driburg - in einer Mannschaft.


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