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Ein Turmschach macht glücklich

Kramnik einziger Schach-Weltmeister; Topalow kündigt nach Schlappe weitere Details zur "Toiletten-Affäre" an

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, Oktober 2006

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Wladimir Kramnik

 

Wesselin Topalow

Wladimir Kramnik

 

Wesselin Topalow

 

   Wladimir Kramnik warf die Fäuste nach oben und klatschte anschließend die Hände über dem Kopf zusammen. Solch einen Gefühlsausbruch des Stoikers vom Schwarzen Meer hatten die Schachfans nur 1994 erlebt, als der Russe seinen legendären Landsmann Garri Kasparow mit 20 Jahren erstmals schlagen konnte. Diesmal hielt Kramnik bei der WM-Titelvereinigung den Bulgaren Wesselin Topalow nieder und ist nach 13 Jahren wieder der einzige Schach-Weltmeister auf dem Globus.

   Die Verlängerung verlief bis zum 2,5:1,5-Endstand so dramatisch wie das Match über zwölf Turnierpartien im kalmückischen Elista. Dank eines kampflosen Sieges wegen der „Toiletten-Affäre“ hatte Topalow ein 6:6 erzielt. Im Schnellschach mit nur noch 25 Minuten Grundbedenkzeit gewann Kramnik nach dem Auftaktremis das zweite Duell mit den weißen Steinen. Der Champion des Schach-Weltverbandes FIDE glich jedoch postwendend aus. Danach baute Kramnik erneut mit Weiß eine aussichtsreiche Stellung auf und eroberte einen Bauern. Im 44. Zug patzte Topalow in schwieriger Lage. Kramnik realisierte dies sofort und berichtete gerne von dem Augenblick: „Der Moment, nachdem Wesselin den Turm nach c5 zog, war für mich sehr emotional – ich fühlte mich so glücklich. Die Freude wich, als ich mit dem Turmschach auf b7 antwortete.“ Sekunden danach erkannte Topalow, was er angerichtet hatte, und gab auf.

   So bleibt der FIDE wohl ein gerichtliches Nachspiel mit ungewissem Ausgang und eine Hängepartie mit weiter zwei Weltmeistern erspart. Kramnik wäre im Falle einer Niederlage vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne gezogen. Von den elf ausgespielten Turnierpartien gewann er drei und Topalow nur zwei. Ab der sechsten Runde spielte der Sohn eines Bildhauers und einer Pianistin aus Tuapse unter Protest weiter.

    Wenige Minuten nach dem letzten Zug befand der 31-Jährige, sein Erfolg sei „nur mit meinem Sieg über Garri Kasparow zu vergleichen“. Den inzwischen zurückgetretenen 44-Jährigen hatte Kramnik 2000 als Weltmeister im klassischen Schach entthront und den Titel 2004 gegen den Ungarn Peter Leko mit einem Sieg in der letzten Partie zum 7:7 verteidigt. Kasparow hatte sich 1993 von der FIDE losgesagt und die WM in Eigenregie ausgerichtet. Der Schach-Weltverband schloss daraufhin den Weltranglistenersten aus und richtete eigene Weltmeisterschaften aus. Vor Jahresfrist hatte sich dabei Topalow in Argentinien durchgesetzt.

   Kirsan Iljumschinow, Präsident Kalmückiens, der FIDE und Sponsor des geteilten Preisgeldes von einer Million Dollar, zeigte sich „beeindruckt vom Einsatzwillen beider Akteure. Ich habe in den elf Jahren meiner FIDE-Amtszeit noch nicht so ein spannendes und kompromissloses Match wie das zwischen Kramnik und Topalow gesehen“. Die 300 Millionen Besucher der WM-Webseite führte Iljumschinow auf das Bestreben beider Weltmeister zurück, „selbst in Remisstellungen um den Sieg zu kämpfen“.

   Dies verdankten die Fans vor allem „La Topadora Topalov“. „Der Bulldozer“, wie der 31-Jährige an seinem spanischen Wohnsitz genannt wird, akzeptierte auch bei der WM nur in ausgekämpften Stellungen Friedensschlüsse. Da der Bulgare zudem mutig attackiert, hätte er als Liebling der Massen gegen den Sicherheitsfanatiker Kramnik untergehen können. Doch mit den hanebüchenen Vorwürfen, der Russe würde auf der nicht videoüberwachten Toilette mit einem Computer betrügen, verscherzte sich Topalow alle Sympathien. Ein irischer Fan brachte es in einem Forum auf den Punkt: „Vorher waren 80 Prozent für ihn und 20 Prozent für Kramnik. Nach der Posse seines Managers Silvio Danailow lautet das Verhältnis 5:95. Topalows Name wird für immer mit Schmutz bedeckt sein.“

   Auch ansonsten muss der Ex-Champion als großer Verlierer in der kalmückischen Steppe gelten: Im Gegensatz zu Kramnik ist er nicht für die nächste WM im September in Mexiko City qualifiziert. Zudem wird der mit einer Million Dollar dotierte WM-Zweikampf im Frühjahr hinfällig, für den der Aserbaidschaner Teimur Radjabow das Geld aufgetrieben hatte. Gut möglich, dass nun Kramnik in den Genuss kommt. Uneinsichtig kündigte Topalow direkt nach der Landung in Bulgarien an, sein „Manager Danailow werde weitere Details zur Toiletten-Affäre veröffentlichen“.

   Kramnik kann jetzt darüber lachen. „So, wie sich das gegnerische Team verhalten hat, war mein Sieg eine Frage des Prinzips. Ich bin froh, trotz der kampflosen Niederlage und unter diesen Umständen gewonnen zu haben“, sagte der einzige Schach-Weltmeister.

 










Topalow,Wesselin (2813) - Kramnik,Wladimir (2743)) [D18]
WM-Titelvereinigung Elista (Russland) Playoffs (1), 13.10.2006

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 dxc4 5.a4 Lf5 6.e3 e6 7.Lxc4 Lb4 8.0-0 Sbd7 9.De2 0-0 10.e4 Lg6 11.Ld3 Lh5 12.e5 Sd5 13.Sxd5 cxd5 14.De3 Te8 15.Se1 Tc8 16.f4 Lxe1 17.Txe1 Lg6 18.Lf1 Tc2 19.b3 Da5 20.Lb5 Td8 21.Te2 Tcc8 22.Ld2 Db6 23.Tf2 a6 24.Lf1 Tc6 25.b4 Tc2 26.b5 a5 27.Lc3 Txf2 28.Dxf2 Da7 29.Dd2 Ta8 30.Tc1 Sb6 31.Lb2 Sxa4 32.La3 h6 33.h3 Le4 34.Kh2 Sb6 35.Lc5 a4 36.Ta1 Sc4 37.Lxc4 b6 38.De3 Tc8 39.Lf1 bxc5 40.dxc5 Dxc5 41.Dxc5 Txc5 42.b6 Tc6 43.b7 Tb6 44.La6 d4 45.Txa4 Lxb7 46.Lxb7 Txb7 47.Txd4 1/2-1/2

 

 










Kramnik, Wladimir (2743) - Topalow, Weselin (2813) [D45]
WM-Titelvereinigung Elista (Russland) Playoffs (2), 13.10.2006

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.e3 Sbd7 6.Dc2 Ld6 7.b3 0-0 8.Le2 b6 9.0-0 Lb7 10.Lb2 Te8 11.Tad1 De7 12.Tfe1 Tac8 13.Ld3 e5 14.e4 dxc4 15.Lxc4 b5 16.Lf1 g6 17.Dd2 Tcd8 18.Dg5 a6 19.h3 exd4 20.Sxd4 De5 21.Dxe5 Sxe5 22.Sc2 g5 23.Lc1 h6 24.Le3 c5 25.f3 Lf8 26.Lf2 Lc8 27.Se3 Le6 28.Sed5 Lxd5 29.exd5 Sed7 30.Txe8 Txe8 31.a4 b4 32.Se4 Sxe4 33.fxe4 Sf6 34.d6 Sxe4 35.d7 Td8 36.Lxa6 f5 37.a5 Lg7 38.Lc4+ Kf8 39.a6 Sxf2 40.Kxf2 Ld4+ 41.Txd4 cxd4 42.a7 Ke7 43.Ld5 Kxd7 44.a8D Txa8 45.Lxa8 1-0

 

 










Topalow,Wesselin (2813) - Kramnik,Wladimir (2743) [D12]
WM-Titelvereinigung Elista (Russland) Playoffs (3), 13.10.2006

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.e3 Lf5 5.Sc3 e6 6.Sh4 Lg6 7.Le2 Sbd7 8.0-0 Ld6 9.g3 dxc4 10.Lxc4 Sb6 11.Le2 0-0 12.Sxg6 hxg6 13.e4 e5 14.f4 exd4 15.Dxd4 De7 16.Kg2 Lc5 17.Dd3 Tad8 18.Dc2 Ld4 19.e5 Sfd5 20.Tf3 Sxc3 21.bxc3 Lc5 22.Ld2 Td7 23.Te1 Tfd8 24.Ld3 De6 25.Lc1 f5 26.De2 Kf8 27.Td1 De7 28.h4 Td5 29.Dc2 Sc4 30.Th1 Sa3 31.De2 Dd7 32.Td1 b5 33.g4 fxg4 34.Tg3 Ke7 35.f5 gxf5 36.Lg5+ Ke8 37.e6 Dd6 38.Lxf5 Txd1 39.Lg6+ Kf8 40.e7+ Dxe7 41.Lxe7+ Lxe7 42.Ld3 Ta1 43.Db2 Td1 44.De2 Ta1 45.Dxg4 Txa2+ 46.Kh3 Lf6 47.De6 Td2 48.Lg6 T2d7 49.Tf3 b4 50.h5 1-0

 

 










Kramnik, Wladimir (2743) - Topalow, Weselin (2813) [D47]
WM-Titelvereinigung Elista (Russland) Playoffs (4), 13.10.2006

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.e3 Sbd7 6.Ld3 dxc4 7.Lxc4 b5 8.Le2 Lb7 9.0-0 Le7 10.e4 b4 11.e5 bxc3 12.exf6 Lxf6 13.bxc3 c5 14.dxc5 Sxc5 15.Lb5+ Kf8 16.Dxd8+ Txd8 17.La3 Tc8 18.Sd4 Le7 19.Tfd1 a6 20.Lf1 Sa4 21.Tab1 Le4 22.Tb3 Lxa3 23.Txa3 Sc5 24.Sb3 Ke7 25.Td4 Lg6 26.c4 Tc6 27.Sxc5 Txc5 28.Txa6 Tb8 29.Td1 Tb2 30.Ta7+ Kf6 31.Ta1 Tf5 32.f3 Te5 33.Ta3 Tc2 34.Tb3 Ta5 35.a4 Ke7 36.Tb5 Ta7 37.a5 Kd6 38.a6 Kc7 39.c5 Tc3 40.Taa5 Tc1 41.Tb3 Kc6 42.Tb6+ Kc7 43.Kf2 Tc2+ 44.Ke3 Txc5 45.Tb7+ 1-0

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