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Streit um verdächtige Pinkelpausen

Schach-WM: Topalow unterstellt nach 1:3-Rückstand Beschiss auf Klo; Kramnik tritt zu fünfter Partie nicht an

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, Oktober 2006

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Wladimir Kramnik

 

Wesselin Topalow

Wladimir Kramnik

 

Wesselin Topalow

 

   Die versiegelten Toilettenräume werden wieder geöffnet, das steht inzwischen immerhin fest. Die Schach-Weltmeisterschaft bleibt aber dennoch wegen zu vieler Pinkelpausen eine längere Hängepartie: Die auf Samstag angesetzte sechste von zwölf Partien im kalmückischen Elista wurde verschoben, weil die WM-Titelvereinigung vor dem Abbruch stand. Wladimir Kramnik und Wesselin Topalow beharkten sich lieber verbal und schriftlich über die Zahl der Toilettengänge beider Weltmeister, anstatt Finten mit ihren jeweils 16 Figuren zu ersinnen.

   Topalows Manager Silvio Danailow fürchtete offensichtlich beim Stand von 1:3 die Niederlage des Champions des Schach-Weltverbandes FIDE und brach einen Psycho-Krieg vom Zaun. Kramnik habe während der dritten Partie rund 50 Mal die Toilette in seinem Ruheraum aufgesucht, behauptete Danailow. Dies sei „verdächtig“, weil nur der Waschraum nicht per Video überwacht wird. Dass laut seiner „Statistik“ Topalow lediglich vier- bis achtmal pro Partie zu Pinkelpausen verschwinde, sein russischer Widersacher aber ständig, wertete der Bulgare nicht etwa als Blasenschwäche. Dreist unterstellte der Manager Betrugsversuche mit Computern auf dem Klo und forderte die sofortige Sperrung der Waschräume. Der albernen Argumentation folgte das Berufungsgericht zum Teil und beschloss, den Großmeistern ab der fünften Partie nur noch eine gemeinsame Toilette zur Verfügung zu stellen.

   Daran änderte auch Kramniks Hinweis nichts, dass „die Räume sogar durch die Polizei kontrolliert wurden“. Und den Waschraum habe er nur so oft betreten, weil „der Ruheraum so klein ist und ich diesen mit als Auslauf“ benutze. Überdies müsse er wegen seiner rheumatischen Arthritis viel Wasser trinken. Russische Medien besorgten sich ebenso wie Danailow die Videoaufzeichnungen aus dem Ruhezimmer und stellten dabei fest, dass Kramnik kaum mehr als 20 Mal den Toilettenbereich angesteuert hatte.

   Für den 31-Jährigen war nach der Versiegelung seiner Toilette „das Maß voll“. Der Moskauer fühlte sich als unfreiwilliger Teilnehmer einer „Reality-Show“, weil die Videobilder vom Berufungsgericht weitergegeben wurden. „Georgios Makropoulos und Surab Asmajparaschwili sind sehr gute Freunde von Danailow. Die tun alles, um Topalow Vorteile zu verschaffen“, wetterte Kramnik auf der Pressekonferenz gegen die beiden Skandal-Figuren des FIDE-Berufungsgerichts, die einen miserablen Leumund besitzen und natürlich „ihren“ Weltmeister Topalow in allerlei Punkten bevorzugten. Der Russe verlangte die Öffnung der vertraglich fixierten Toilette. Ansonsten werde er keinen Zug mehr in Elista ausführen. Konsequent setzte sich der Weltmeister im klassischen Schach deswegen während der fünften Partie in seinen Ruheraum mit versiegeltem Klo, ohne sich ans nur wenige Schritte entfernte Brett zu begeben. Derweil saß Topalow, der im Ruch von Computer-Manipulationen bei früheren Turnieren steht, wie die Unschuld vom Lande hinter seiner schwarzen Figurenreihe. Nachdem Kramniks Schachuhr eine Stunde lang vor sich hingetickt hatte, stoppte sie Schiedsrichter Geurt Geijssen und sprach Topalow den Punkt zum 2:3 zu.

   Ob die WM fortgesetzt wird, hängt vom Spielstand ab: Kramnik und sein Dortmunder Manager Carsten Hensel pochen auf die 3:1-Führung und eine Neuansetzung der fünften Partie. Topalow beharrt natürlich auf seinen kampflosen Siegpunkt. Ansonsten folgte FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow nach zahllosen Verhandlungen bis in die Nacht fast nur den Forderungen des Konkurrenz-Weltmeisters Kramnik. Der angesichts der Skandale von einem Treffen mit Wladimir Putin aus Sotschi zurückgeeilte Präsident der autonomen russischen Republik Kalmückien brachte das mit 12.000 Dollar pro Kopf fürstlich entlohnte Berufungsgericht dazu, seinen Rücktritt einzureichen. Zudem akzeptierte Topalow die Entsiegelung der Toiletten, die aber nun jederzeit vom gegnerischen Team inspiziert werden können. Dass dabei keiner etwas finden wird, steht nicht nur für Iljumschinow außer Frage. Der FIDE-Präsident entkräftete Danailows hanebüchenen Beschissvorwürfe auf dem Klo mit dem Verlauf der zweiten Partie: In dieser war sowohl Topalow als auch Kramnik ein Mattangriff entgangen. „Wenn einer Computer benutzt, hätte er das niemals übersehen.“

 










Kramnik, Wladimir (2743) - Topalow, Weselin (2813)
WM-Titelvereinigung Elista (Russland) (1), 23.09.2006

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.g3 dxc4 5.Lg2 Lb4+ 6.Ld2 a5 7.Dc2 Lxd2+ 8.Dxd2 c6 9.a4 b5 10.axb5 cxb5 11.Dg5 0-0 12.Dxb5 La6 13.Da4 Db6 14.0-0 Dxb2 15.Sbd2 Lb5 16.Sxc4 Lxa4 17.Sxb2 Lb5 18.Se5 Ta7 19.Lf3 Sbd7 20.Sec4 Tb8 21.Tfb1 g5 22.e3 g4 23.Ld1 Lc6 24.Tc1 Le4 25.Sa4 Tb4 26.Sd6 Lf3 27.Lxf3 gxf3 28.Sc8 Ta8 29.Se7+ Kg7 30.Sc6 Tb3 31.Sc5 Tb5 32.h3 Sxc5 33.Txc5 Tb2 34.Tg5+ Kh6 35.Tgxa5 Txa5 36.Sxa5 Se4 37.Tf1 Sd2 38.Tc1 Se4 39.Tf1 f6 40.Sc6 Sd2 41.Td1 Se4 42.Tf1 Kg6 43.Sd8 Tb6 44.Tc1 h5 45.Ta1 h4 46.gxh4 Kh5 47.Ta2 Kxh4 48.Kh2 Kh5 49.Tc2 Kh6 50.Ta2 Kg6 51.Tc2 Kf5 52.Ta2 Tb5 53.Sc6 Tb7 54.Ta5+ Kg6 55.Ta2 Kh5 56.d5 e5 57.Ta4 f5 58.Sxe5 Tb2 59.Sd3 Tb7 60.Td4 Tb6 61.d6 Sxd6 62.Kg3 Se4+ 63.Kxf3 Kg5 64.h4+ Kf6 65.Td5 Sc3 66.Td8 Tb1 67.Tf8+ Ke6 68.Sf4+ Ke5 69.Te8+ Kf6 70.Sh5+ Kg6 71.Sg3 Tb2 72.h5+ Kf7 73.Te5 Sd1 74.Se2 Kf6 75.Td5 1-0

 

 










Topalow, Weselin (2813) - Kramnik, Wladimir (2743)
WM-Titelvereinigung Elista (Russland) (2), 24.09.2006

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sc3 Sf6 4.Sf3 dxc4 5.a4 Lf5 6.e3 e6 7.Lxc4 Lb4 8.0-0 Sbd7 9.De2 Lg6 10.e4 0-0 11.Ld3 Lh5 12.e5 Sd5 13.Sxd5 cxd5 14.De3 Lg6 15.Sg5 Te8 16.f4 Lxd3 17.Dxd3 f5 18.Le3 Sf8 19.Kh1 Tc8 20.g4 Dd7 21.Tg1 Le7 22.Sf3 Tc4 23.Tg2 fxg4 24.Txg4 Txa4 25.Tag1 g6 26.h4 Tb4 27.h5 Db5 28.Dc2 Txb2 29.hxg6 h5 30.g7 hxg4 31.gxf8D+ Lxf8 32.Dg6+ Lg7 33.f5 Te7 34.f6 De2 35.Dxg4 Tf7 36.Tc1 Tc2 37.Txc2 Dd1+ 38.Kg2 Dxc2+ 39.Kg3 De4 40.Lf4 Df5 41.Dxf5 exf5 42.Lg5 a5 43.Kf4 a4 44.Kxf5 a3 45.Lc1 Lf8 46.e6 Tc7 47.Lxa3 Lxa3 48.Ke5 Tc1 49.Sg5 Tf1 50.e7 Te1+ 51.Kxd5 Lxe7 52.fxe7 Txe7 53.Kd6 Te1 54.d5 Kf8 55.Se6+ Ke8 56.Sc7+ Kd8 57.Se6+ Kc8 58.Ke7 Th1 59.Sg5 b5 60.d6 Td1 61.Se6 b4 62.Sc5 Te1+ 63.Kf6 Te3 0-1

 

 










Kramnik, Wladimir (2743) - Topalow, Weselin (2813)
WM-Titelvereinigung Elista (Russland) (3), 26.09.2006

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.g3 dxc4 5.Lg2 Sc6 6.Da4 Ld7 7.Dxc4 Sa5 8.Dd3 c5 9.0-0 Lc6 10.Sc3 cxd4 11.Sxd4 Lc5 12.Td1 Lxg2 13.Db5+ Sd7 14.Kxg2 a6 15.Dd3 Tc8 16.Lg5 Le7 17.Lxe7 Dxe7 18.Tac1 Sc4 19.Sa4 b5 20.b3 0-0 21.bxc4 bxa4 22.Sc6 Txc6 23.Dxd7 Dc5 24.Tc3 g6 25.Tb1 h5 26.Tb7 e5 27.e4 Tf6 28.Tc2 Da3 29.Dd1 Td6 30.Td2 Tfd8 31.Td5 Txd5 32.cxd5 Dxa2 33.Df3 Tf8 34.Dd3 a3 35.Tb3 f5 36.Dxa6 Dxb3 37.Dxg6+ Kh8 38.Dh6+ Kg8 1/2-1/2

 

 










Topalow, Weselin (2813) - Kramnik, Wladimir (2743)
WM-Titelvereinigung Elista (Russland) (4), 27.09.2006

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sc3 Sf6 4.e3 e6 5.Sf3 Sbd7 6.Ld3 dxc4 7.Lxc4 b5 8.Ld3 Lb7 9.a3 b4 10.Se4 Sxe4 11.Lxe4 bxa3 12.0-0 Ld6 13.b3 Sf6 14.Sd2 Dc7 15.Lf3 Lxh2+ 16.Kh1 Ld6 17.Sc4 Le7 18.Lxa3 0-0 19.Lxe7 Dxe7 20.Ta5 Tfd8 21.Kg1 c5 22.Txc5 Se4 23.Lxe4 Lxe4 24.Dg4 Ld3 25.Ta1 Tac8 26.Taa5 Tb8 27.Dd1 Le4 28.Da1 Tb7 29.Sd2 Lg6 30.Dc3 h6 31.Ta6 Kh7 32.Sc4 Le4 33.f3 Ld5 34.Sd2 Tdb8 35.Dd3+ f5 36.Tc3 Dh4 37.Ta1 Dg3 38.Dc2 Tf7 39.Tf1 Dg6 40.Dd3 Dg3 41.Tfc1 Tfb7 42.Dc2 Dg5 43.Ta1 Df6 44.Dd3 Td7 45.Ta4 Tbd8 46.Tc5 Kg8 47.Sc4 Lxc4 48.Taxc4 f4 49.Tc6 fxe3 50.Dxe3 Txd4 51.Txe6 Dh4 52.Txd4 Dxd4 53.Te8+ Kh7 54.Dxd4 1/2-1/2

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