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Bronstein gibt die süße Dame zurück

Verstorbener Schach-Zauberer aus Russland scheiterte nur bei WM-Ansturm

von FM Hartmut Metz, 24. Dezember 2006

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David Bronstein

David Bronstein  (1924-2006)

 

   Seine süßeste Tat hat David Bronstein vor genau 50 Jahren vollbracht: Beim Kandidatenturnier für die Schach-WM in Amsterdam hatte Tigran Petrosjan einen simplen Damenangriff des Russen mit einem Springer völlig übersehen. Bronstein schlug natürlich anschließend die Dame, und der Armenier gab sofort auf. Beim Abschlussbankett eilte Bronstein zu der dort kredenzten Torte, schnappte sich die Dame mit Zuckerguss und gab sie an Petrosjan zurück! Einer von vielen Belegen für die Originalität des Schach-Zauberers, der am 5. Dezember im Alter von 82 Jahren starb.

   Nach Berechnung einer historischen Weltrangliste wurde Bronstein 1951 als Nummer eins geführt. Für viele Anhänger des königlichen Spiels war er auch die ihres Herzens, denn der Großmeister spielte in der Zeit von 1945 bis Mitte der 50er Jahre das aufregendste Schach. Romantische Eröffnungen wie das Königsgambit scheute der Nonkonformist genauso wenig wie aggressive Systeme im Königsinder, die er um zahlreiche Ideen bereicherte.

   Nur eines blieb dem freundlichen Herrn, der 1994/95 noch mit 70 Jahren das Open-Turnier im englischen Seebad Hastings gewann, verwehrt: der Aufstieg zum höchsten Schach-Gipfel, der Weltmeisterschaft. Nachdem Bronstein seinen im Kandidatenturnier gleichauf liegenden Freund Isaak Boleslawski im Stichkampf bezwungen hatte, traf er auf Michail Botwinnik. Bis zur vorletzten Partie führte der Herausforderer. Der parteitreue Weltmeister glich jedoch den WM-Kampf in der 23. Partie aus und verteidigte mit einem 12:12 den Titel.

   Von der Zahl der meisten Teilnahmen an UdSSR-Meisterschaften liegt Bronstein mit 20 auf dem dritten Platz. Zweimal landete der charmante Plauderer in den Klassefeldern auf dem geteilten ersten Rang. Nachstehend seine sehenswerte Kurzpartie aus der 28. UdSSR-Meisterschaft in Moskau 1961 (Fortsetzung des Berichts über Bronstein in der nächsten Schachspalte).

 










(4829) Bronstein,David I - Geller,Jefim [E27]
28. UdSSR-Meisterschaft Moskau, 1961
[H. Metz]

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.a3 Lxc3+ 5.bxc3 0-0 6.f3 d5 7.cxd5 exd5 8.e3 Lf5 9.Se2 Sbd7 10.Sf4 c5 11.Ld3 Lxd3 12.Dxd3 Te8 13.0-0 Tc8 14.Tb1 Da5? [14...Sb6 oder; 14...Dc7 sollte geschehen.] 15.Txb7 Sb6 16.g4 h6 17.h4 cxd4 [17...c4 führt eher zum schwarzen Ziel, das in der Eroberung des eingeklemmten Turms auf b7 besteht. Bei 18.Db1 Da6 19.Txb6 axb6 20.g5 hxg5 21.hxg5 Sh7 22.Sxd5 Sxg5 23.e4 steht Weiß danach allerdings besser, weil die schwarzen Figuren nicht sonderlich koordiniert wirken. Zudem heimst Weiß nach 23...Se6 24.Dxb6 einen zweiten Bauern für die Qualität ein.] 18.g5 dxe3? [18...Txc3 muss geschehen. Das verliert zwar letztlich auch, aber ebnet dem Gegner nur einen schmalen Gewinnpfad, der nicht so leicht zu finden ist. 19.Dxd4 Tc4 20.Dd3 (20.g6 reicht nicht: 20...Txd4 21.gxf7+ Kh7 22.fxe8D Sxe8 23.exd4 Sd6 mit besseren schwarzen Chancen.; 20.Dd2?! Dc5! 21.Txa7 (21.gxf6? Txf4 22.fxg7 Txh4 und Schwarz hat angesichts der offenen weißen Königsstellung die weit größeren Chancen.) 21...Txf4 22.Ta5 Dc4 23.exf4 Te2 24.Dxe2 (24.Dd1 Se4! 25.fxe4 Dxe4 26.Dxe2 Dxe2 und Weiß steckt in Schwierigkeiten.) 24...Dxe2 25.gxf6 mit Ausgleich.) 20...hxg5 (20...Tc3 erlaubt jetzt nach der Beseitigung des d4-Bauern noch stärker 21.Ld2 Txd3 22.Lxa5 Tdxe3 23.gxf6 ) 21.hxg5 Sfd7 22.g6 f6 23.Df5 Txc1 (23...Se5? 24.Dh3 führt zu Unannehmlichkeiten für die schwarze Majestät.) 24.Txc1 Dxa3 25.Sd3 Te5! 26.Tc8+! Sf8 (26...Sxc8 27.Dxd7 Tg5+ 28.Kf2 Txg6 29.Dxc8+ Kh7 30.Dh3+ Th6 31.Df5+ Tg6 32.Sf4 Da2+ 33.Ke1 Da5+ (33...Da1+ 34.Tb1 Dc3+ 35.Kf2 Dd2+ 36.Kf1 ) 34.Kd1 Da4+ 35.Kd2 Da5+ 36.Kc2 Da2+ 37.Tb2 Dc4+ 38.Kd2 und der Nachziehende hat kein Schach mehr.) 27.Sxe5 Dxe3+ 28.Kf1 Sxc8 29.Tb8 Dc1+ 30.Ke2 Dc7 31.Sd7! Dxd7 (31...Sxd7 32.De6+ Kh8 33.De8+ Sf8 34.Dxf8# ) 32.Dxd7 Sxd7 33.Txc8+ Sf8 34.Kd3 a5 35.Kd4 a4 36.Kxd5 a3 37.Kd6 a2 38.Ke7 a1D 39.Txf8# ] 19.gxf6 Txc3?! Erlaubt ein spektakuläres Ende in der ohnehin verlorenen Partie. 20.Dg6!! Setzt in zwei Zügen matt. [20.Dg6 fxg6 21.Txg7+ Kf8 22.Sxg6# ] 1-0

 

Schachkalender 2007

   Die 24. Ausgabe ist wie jene zuvor: Der „Schachkalender 2007“ (Edition Marco/Verlag Arno Nickel, 320 Seiten, ISBN 3-924833-54-0, 13,80 Euro.) ist handlich im DIN-A6-Format, gespickt mit Anekdoten und Schach-Kombinationen sowie informativ mit zahlreichen Daten von Geburtstagen der Großmeister oder zur Bundesliga. Interessante Texte über Protagonisten wie Lajos Portisch und Randfiguren wie den „verkannten August Mongredien“ (ein Engländer aus dem 19. Jahrhundert) sowie Beiträge des verstorbenen Jan Hein Donner runden das Angebot ab. Etwas Neues außerhalb der 320 Seiten bietet der in gewohnter Qualität erstellte „Schachkalender 2007“ aber doch: einen festen Einband, was die 24. Auflage edler wirken lässt und robuster macht.


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