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"Ich fürchte Topalow nicht"

Interview mit Schach-Weltmeister Wladimir Kramnik zur Titelvereinigung in Kalmückien

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, September 2006

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

   Nach 13 Jahren werden im Schach die Verhältnisse wie im Boxen beseitigt: In der autonomen russischen Republik Kalmückien kommt es ab Samstag zur mit einer Million Dollar dotierten Titelvereinigung. Weltmeister Wladimir Kramnik (Russland) prallt auf den Bulgaren Wesselin Topalow, der Champion des Schach-Weltverbandes FIDE ist. Die beiden 31-Jährigen sitzen sich in Elista bis zum 13. Oktober in zwölf Partien gegenüber. Hartmut Metz unterhielt sich mit dem Weltranglistenvierten Kramnik über das Match.

 

Schach-Weltmeister Wladimir Kramnik

Schach-Weltmeister Wladimir Kramnik am Brett ...

 

Frage: Viele Fans halten Ihren trockenen Spielstil für genau den richtigen, um bei der WM-Titelvereinigung den aggressiven Angreifer Topalow auszubremsen.

Kramnik: Wir haben schon unzählige Sträuße miteinander ausgefochten, den ersten vor 17 Jahren bei der U14-WM. Momentan spricht die Bilanz mit vier Siegen mehr eindeutig für mich. Erstaunlicherweise schlug ich ihn dabei meist in seiner Domäne, nach einem taktischen Schlagabtausch. Ich wüsste also nicht, warum ich Topalows Stil fürchten sollte.

 

Frage: Bereitet Ihnen Ihre rheumatische Arthritis noch Sorgen?

Kramnik: Ich muss deutlich weniger Medikamente schlucken als vorher und fühle mich nicht mehr krank. Ich schwimme viel. Jeden Tag ein, zwei Kilometer. Außerdem mache ich Dehn- und eine Mischung aus Yoga- und Fitnessübungen, die mir gegen die Arthritis helfen. Leider kann ich wegen der Krankheit nicht mehr alle Sportarten ausüben. Immerhin haben wir die Arthritis im Griff, sie beeinträchtigt mich kaum noch.

 

Frage: Nachdem das Rätselraten über Ihre Krankheit beendet war und die Behandlung anschlug, trumpften Sie wieder auf. Haben Sie bei der Schach-Olympiade in Turin und mit dem siebten Sieg beim Topturnier in Dortmund zu alter Form gefunden?

Kramnik: Ich bin natürlich heilfroh und glücklich, dass ich wieder gute Resultate erziele. Der Sieg in Dortmund verleiht mir positive Gefühle und schenkt mir zusätzliches Selbstvertrauen. Ich werte ihn auch als gutes Omen. Vor sechs Jahren entthronte ich Garri Kasparow, nachdem ich ebenfalls in Dortmund Platz eins belegt hatte.

 

... und abseits des Bretts: Wladimir Kramnik im Gespräch mit Finanzminister Peer Steinbrück

 

Frage: Kasparow hatte 1993 den WM-Titel von der FIDE abgespalten. Sind Sie wieder nah an Ihrem Zenit von 2000 angelangt, als Sie den zwei Jahrzehnte dominierenden Weltranglistenersten ohne Niederlage deklassierten?

Kramnik: Nein, das kann man nicht vergleichen. In bestimmten Bereichen bin ich inzwischen sicher stärker. Dafür bin ich jetzt keine 25 mehr. Sechs Jahre mehr machen sich bemerkbar. Letztlich ist das eine eher akademische Frage, ob ich 2000 oder eher heute besser spiele – für mich zählt allein, ob ich stark genug bin, um Topalow zu bezwingen. Da ich aber auch noch keine 70 bin, traue ich mir das zu (lacht).

 

Frage: In den letzten Turnieren trumpfte der Bulgare auf und setzte sich in der Weltrangliste von allen ab.

Kramnik: Es ist ein großer Unterschied, ein Turnier oder einen Zweikampf zu spielen. Kasparow hat damals auch alle Turniere gewonnen und zog doch den Kürzeren gegen mich. Ich will nicht zu viele Details verraten, aber viele Partien in einem Turnier gegen unterschiedliche Leute zu gewinnen, bedeutet nicht, dass man sich gegen einen einzelnen Gegner ebenso durchsetzt. Natürlich ist Topalow ein ernst zu nehmender Kontrahent – ich fürchte mich indes nicht vor ihm. Kasparow hätte mir auch mehr Angst einjagen müssen und tat es nicht …

 

Wesselin Topalow

Wesselin Topalow, Weltmeister des Schach-Weltverbandes FIDE

 

Frage: Egal, wer danach der einzige Weltmeister ist: Glauben Sie, dass die Schachwelt von der Titelvereinigung profitiert? Sei es bei den Sponsoren, sei es in den Medien?

Kramnik: Danach eröffnet sich die Chance, Fortschritte zu erzielen. Die FIDE muss diese dann nutzen. Ich hoffe, sie ergreifen die sich bietende Gelegenheit und wissen die Welle der Begeisterung in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich trage auch gerne mein Scherflein bei, vorrangig muss aber der Weltverband die Initiative ergreifen.


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