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Schach-Legende Karpow fordert ihren Namen zurück

Bizarres "Funktionärsgerangel" im Baden-Badener Karpow-Schachzentrum

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, Juli 2006

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   Das Karpow-Schachzentrum (KSZ) ist umgezogen. Der deutsche Meister OSC Baden-Baden schlägt sein Domizil im Markgraf-Ludwig-Gymnasium auf, weil der Internationale Club für rund zwölf Millionen Euro umgebaut wird. Wolfgang Grenke, Sponsor des OSC, hatte das altehrwürdige Gebäude, das Jahrzehnte lang die Betreiber der Pferderennbahn in Iffezheim beherbergte, aufgekauft. Wenn die Schachspieler in zwei Jahren an die gewohnte Stätte in der mondänen Lichtentaler Allee zurückkehren, könnte diese nicht mehr Karpow-Schachzentrum heißen.

   Hinter den Kulissen hatten in den vergangenen Wochen Scharmützel getobt. Mit von der Partie waren mächtige Figuren wie der russische Schachkönig Anatoli Karpow und Grenke, der durch das Sponsoring der Grenke Leasing AG seinen Club OSC Baden-Baden an die nationale Spitze führte. Unicef-Botschafter Karpow hatte die Aufgabe seines Namens gefordert. Ein peinliches Novum für eine Karpow-Schachakademie, die über den gesamten Globus verstreut sind. Der Namenspatron fühlt sich seit Jahren in Baden-Baden links liegen gelassen. So wurde heuer kurzfristig eine Veranstaltung abgesagt, mit der am 13. und 14. Mai der zehnjährige Geburtstag der Einrichtung gefeiert werden sollte. Dabei lagen die Kosten für den Festakt bei lediglich 1500 Euro. „Es fehlt an Respekt“, konstatierte die Schach-Legende Karpow danach und verfasste in der ersten Enttäuschung einen Brief an Grenke.

   Der Gönner des OSC Baden-Baden hält sich weitgehend beim KSZ zurück, ist aber als kurstädtischer Geldgeber in Sachen Schach die graue Eminenz im Hintergrund, ohne die nichts geht. So fungiert sein Angestellter Christian Bossert als KSZ-Geschäftsführer. Dem werfen einige Beteiligte nun „Untätigkeit, Misswirtschaft bei einem Turnier, das ein fünfstelliges Minus erbrachte, und falsche Informationsweitergabe an Grenke“ vor. Pikiert sind der ehemalige KSZ-Chef und badische Vorsitzende Eberhard Beikert, der sich beschwert, dass sein Name als Ehrenvorsitzender von der KSZ-Webseite einfach getilgt worden sei. Dieter Auer, der seinen Freund Karpow nach Baden-Baden gebracht hatte, empfindet das Gebaren als „Provokation“. Gleichzeitig bedauert der Hockenheimer: „Die Entwicklung ist schade, denn aus dem KSZ ging so viel Gutes für das königliche Spiel hervor.“

 

Vor dem Simultan mit Jugendlichen im Karpow-Schachzentrum 2005 schien noch alles in Butter: Anatoli Karpow (links) in bester Laune. Verdeckt von ihm dahinter sein rühriger Freund Dieter Auer.

 

   Letzteres sieht Grenke durchaus ähnlich. „Die Gründung war damals eine tolle Sache. Doch heute muss man sich fragen, welchen Gegenwert wir dafür bekommen“, äußert Grenke angesichts der zahllosen Stars wie den Inder Viswanathan Anand oder Magnus Carlsen in seinem Bundesliga-Team. Das norwegische Wunderkind soll – nebenbei bemerkt - die Dominanz der in der vergangenen Saison ungeschlagenen Kurstädter noch erhöhen. Mit drei spektakulären Neuzugängen wird der OSC endgültig zum FC Bayern München der Schach-Bundesliga: Mit dem deutschstämmigen Europameister Liviu-Dieter Nisipeanu (Rumänien) und Pentala Harikrishna (Indien) heuern die Nummer 21 und 25 der Weltrangliste in Baden-Baden an. Sie sollen vor allem auch dann ein schlagkräftiges Team garantieren, wenn Anand, Swidler, Schirow&Co. bei Topturnieren engagiert sind, während ein Bundesliga-Wochenende ansteht. „Nicht, dass es uns wieder wie im Vorjahr gegen Werder Bremen geht, als die Hälfte der Stars fehlte und wir in Nöte gerieten“, erläutert Grenke seine Gedankengänge bei der Kaderzusammenstellung. Seltener steht sicher auch der „nur“ auf Position 31 notierte Carlsen zur Verfügung. Bisher war der 15-Jährige bei den Schachfreunden Berlin 1903 gemeldet, kam dort aber nur sporadisch in der Bundesliga zum Einsatz. Europameister Nisipeanu saß bisher auch in Berlin am Brett, bei Erstligist Kreuzberg. Auf Empfehlung seines Spitzenspielers, des Weltranglistenzweiten Anand, holte der OSC Harikrishna. Der 20-jährige Inder feierte 2004 mit dem Gewinn der U20-Weltmeisterschaft seinen größten Erfolg. Aus dem 14 Großmeister umfassenden Baden-Badener Bundesliga-Kader wird Robert Hübner ausscheiden. Die deutsche Legende wird ebenso wie der Bühlertäler Andreas Schenk für das Zweitligateam gemeldet. Rainer Buhmann verlässt den OSC und kehrt zu seinem Heimatklub Hockenheim (Verbandsliga) zurück.

   Dies allein trägt nicht zur innerbadischen Rivalität bei. „Im Prinzip tragen wir Karpows Reisekosten, wenn er in die Karpow-Akademie nach Hockenheim kommt“, konstatiert Grenke. Diese Rechnung macht Auer, der mit Beikert und dem ehemaligen KSZ-Geschäftsführer Markus Keller die Karpow-Akademie vor wenigen Monaten gründete, anders auf. „Das sind fadenscheinige Gründe. In den vergangenen fünf Jahren floss doch kein Euro mehr“, sagt Auer und verweist darauf, dass er seinem millionenschweren Freund manche Ausgabe für sein Wirken in Deutschland aus der privaten Schatulle ersetzte. Auer hatte gehofft, dass sich die Karpow-Akademie in Hockenheim und das KSZ gegenseitig befruchteten und Kosten bei PR-Maßnahmen mit dem Namenspatron künftig teilten. „Einmal hätte Baden-Baden gezahlt, einmal Hockenheim“, stellte sich Auer vor. Jetzt wird er sich mit Beikert und Keller wohl ganz auf die neue Schachschule im Formel-1-Mekka konzentrieren. Der Deutsche Schachbund (DSB) erwägt sogar eine enge Kooperation mit der neuen Einrichtung (ein Treffen war nach Redaktionsschluss mit dem DSB geplant). Die Hockenheimer hatten sich vor der Olympiade mit einem Nationalmannschafts-Lehrgang und einem Großmeister-Turnier profiliert. Süffisant bemerkt der engagierte Auer: „Wenige Monate nach der Gründung hat die Karpow-Schachakademie schon einen doppelt so hohen Etat für 2006 wie das Karpow-Schachzentrum.“ Dieser dümpelt nur noch im vierstelligen Bereich. Dank des unermüdlichen Einsatzes von Pensionär Mostafa Muschtaki organisiert das KSZ wenigstens noch kleine regionale Hobbyturniere.

   Grenke kann sich vorstellen, das Schachzentrum künftig ohne den Zusatz „Karpow“ zu führen. Es in Anlehnung an den eigenen Spitzenspieler in Anand-Schachzentrum umzubenennen, sei kurz diskutiert worden. Der Sponsor räumt jedoch ein, dass dies ein Rückschritt sei angesichts des weltweit noch renommierteren und bekannteren Namens von Karpow. Deshalb tendiert Grenke zur Bezeichnung „Baden-Badener Schachzentrum“.

   Das zerschlagene Porzellan versucht Joachim Heiermann zu kitten, nachdem er zunächst die Rückgabe seiner KSZ-Ehrenmitgliedschaft erwogen hatte. Als ehemaliger Motor bei der Bäder- und Kurverwaltung sowie Festival GmbH hatte der Gernsbacher in den 90ern das Profil Baden-Badens als Schachmetropole geschärft. Asse wie Karpow und dessen Gegenspieler Garri Kasparow beim Simultan gegen die deutsche Nationalmannschaft (Endstand: 3:1) brachten die Kurstadt weltweit in die Schlagzeilen. Heiermann will die „Missverständnisse“ ausräumen. Sie seien lediglich durch „Funktionärsgerangel“ ausgelöst worden. Grenke wie Karpow seien falsch informiert worden, weshalb die Situation eskaliert sei. Heiermann wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass er Geschäftsführer Bossert angeboten habe, die 1500 Euro für den Karpow-Festakt zu übernehmen – doch erhielt er nie eine Antwort auf die großzügige Offerte. Die ersatzlose Streichung von „Karpow“ vor dem Namen Schachzentrum solle verhindert werden. Ob Heiermann dies gelingt, wird sich in der bald anstehenden Mitgliederversammlung des KSZ zeigen – diese wird, egal wie an dem Tag die Temperaturen sind, äußerst hitzig verlaufen.


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