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Radjabows sehnlichster Wunsch geht in Erfüllung

Nachwuchsstar fordert Mainzer Dauersieger Anand / Elisabeth Pähtz plant im Chess960 Revanche gegen Kosteniuk

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, Juni 2006

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

Teimour Radjabow

Teimour Radjabow

 

   Die Chess Classic Mainz (CCM) zählen alljährlich zu den Topturnieren der Welt. Vom 15. bis 20. August sind die Schach-Wettbewerbe aber noch besser besetzt als in den Jahren zuvor. Drei der vier führenden Großmeister in der Weltrangliste gastieren in der Rheingoldhalle: Viswanathan Anand (Indien), Levon Aronjan (Armenien) und Peter Swidler (Russland). „Damit nicht genug“, betont Organisator Hans-Walter Schmitt, „zudem sind die derzeit beiden stärksten Nachwuchs-Cracks der U20-Weltrangliste vertreten: Teimour Radjabow und Pentala Harikrishna.“ Außerdem hat der Bad Sodener die russische Weltranglistendritte Alexandra Kosteniuk und einmal mehr die nationale Spitze mit Arkadij Naiditsch (Bindlach) und der Erfurterin Elisabeth Pähtz verpflichtet.

 

Viswanathan Anand

Viswanathan Anand

 

   Aus diesem illustren Kreis rekrutieren sich die Spieler für die wichtigsten Zweikämpfe in Mainz. Im Mittelpunkt steht einmal mehr die GrenkeLeasing-Schnellschach-WM mit Anand. Dem „Tiger von Madras“ gehen allmählich die Gegner aus. Achtmal setzte sich der 36-Jährige bei den Chess Classic durch, die letzten sechs Auflagen gingen ausnahmslos an den „schnellen Brüter“ aus Indien. Wer sollte also den Schnellschach-Weltmeister herausfordern? Selbst Wesselin Topalow, der Anand bei der Turnierschach-WM auf Platz zwei verwies, scheint in der Domäne des Bundesligaspielers vom deutschen Meister OSC Baden-Badener chancenlos.

   „Es ist jedes Jahr schwierig, für Vishy einen adäquaten Kontrahenten zu finden, der ihn fordert“, betont Schmitt und hat sich heuer Radjabow ausgeguckt. „Der Junge ist heiß auf das Match“, berichtet der CCM-Macher und erinnert sich an das Ordix Open 2005. „Nach seinem überzeugenden Sieg kam er gleich auf mich zu und beschwor mich, ihn im nächsten Jahr gegen Anand spielen zu lassen – gerne auch ohne Antrittsgage!“ Für ’nen Appel und ’n Ei muss der 19-Jährige in der Gutenberg-Stadt gewiss nicht vom 17. bis 20. August (täglich 18.30 und 20 Uhr) auf die Bühne. Die Courage und das Herz des auf Position 13 in der Welt vorgeschossenen Nachwuchsstars beeindruckte Schmitt so sehr, dass er Radjabows sehnlichsten Wunsch erfüllt. „Mit dem Ordix-Open-Sieger 2004, Alexander Grischuk, machten wir gute Erfahrungen. Sein Zweikampf gegen Anand brachte viele interessante Partien“, meint Schmitt. Um Platz eins im weltweit stärksten Schnellschach-Open weiter aufzuwerten, soll künftig der Gewinner erster Anwärter als Herausforderer für Anand sein. Ausnahmen bedingt sich der 54-jährige Organisator aber aus und nennt Beispiele: „Wenn Vishy doch einmal unterliegen sollte, erhält er die Gelegenheit zur Revanche.“ Die zweite Option klingt so spektakulär wie nichts anderes auf den 64 Feldern: „Falls Garri Kasparow sein Comeback feiern will, kann er auch jederzeit den Platz besetzen!“ Einstweilen widmet sich das „Ungeheuer von Baku“ der russischen Politik – und sein legitimer Nachfolger in seiner Geburtsstadt, Radjabow, versucht sein Glück gegen den Abonnement-Champion der Chess Classic. Unterschätzen wird Anand den U20-Weltranglistenersten aber bestimmt nicht. „Das kleine Ungeheuer von Baku“ hat schließlich das große auch schon vor seinem Rücktritt geschlagen!

   Mit ersten Turnieren in Mainz wurde Chess960 populär. Bei dieser Schach-Variante werden vor jeder Partie die Grundstellungen unter 960 Positionen ausgelost. Somit gewinnt nicht der Spieler mit der größeren Eröffnungskenntnis, sondern der virtuosere Stratege. Das innovative Konzept Schmitts hat zwei Firmen begeistert: FiNet sponserte schon im Vorjahr das Chess960 Open, das am 17. und 18. August stattfindet. Falko König, Manager des auf den deutschen Markt drängenden britischen Versicherers Clerical Medical, ist von Chess960 ebenso angetan wie die wachsende Fangemeinde, die inzwischen an zahlreichen Turnieren teilnimmt. In der Rheingoldhalle gibt Clerical Medical gleich vier Weltmeisterschaften seinen Namen! Das hochkarätigste neue Schach garantiert hierbei sicher die Titelverteidigung von Swidler gegen Aronjan. Letzterer hatte vor zwei Jahren knapp den Kürzeren gezogen. Diesmal geht jedoch der FiNet-Open-Gewinner 2005 als leichter Favorit in die acht WM-Partien mit jeweils 25 Minuten Bedenkzeit plus zehn Sekunden Zugabe je Zug (dieselbe Kadenz wie bei Anand – Radjabow). Aronjan katapultierte sich mit dem Weltcup-Sieg und dem prestigeträchtigen Erfolg im spanischen Linares auf Platz drei der Weltrangliste hinter den deutlich in Front liegenden Topalow und Anand. Damit verdrängte er im normalen Schach ausgerechnet Swidler auf Rang vier. Der St. Petersburger will sicher gegen den in Berlin lebenden Aronjan beweisen, dass er zumindest im Chess960 besser ist.

   Um Chess960-Weltmeisterschaften geht es auch erstmals in drei weiteren Kategorien, die wie im FiNet Open mit 20 Minuten Bedenkzeit (plus fünf Sekunden pro Zug) ausgetragen werden: Damen, Senioren und U20. Wie bei Swidler – Aronjan steht beim holden Geschlecht eine Revanche auf dem Programm. Im weltweit für Aufsehen sorgenden „Duell der Grazien“ hatte die Russin Alexandra Kosteniuk anno 2002 die Erfurterin Elisabeth Pähtz niedergehalten. Dass die beiden Großmeisterinnen zu den vielversprechendsten Talenten zählten, bewiesen sie anschließend. Die deutsche Nummer eins wurde U18- und U20-Weltmeisterin. Und Kosteniuk sorgt nicht nur als Glamour-Girl für Furore, wie zuletzt etwa im amerikanischen „Penthouse“. Die „Anna Kurnikowa des Schachs“ ist auch sportlich erfolgreich und verbesserte sich in der Damen-Weltrangliste auf Platz drei mit 2540 Elo-Punkten. Außenseiterin Pähtz liegt mit 2438 Elo auf Position 26.

   Knapper scheint die U20-WM im Chess960 auszugehen: Der Dortmunder Naiditsch ist in der Lage, fast jeden Großmeister zu schlagen. Der stärkste Deutsche liegt mit 2664 Elo als 41. nicht allzu weit hinter dem Weltranglisten-25. Harikrishna (2680). Das Kontrastprogramm zu den jungen Wilden bieten Vlastimil Hort (Oberhausen) und Lajos Portisch (Ungarn). Die einstigen Top-Großmeister ermitteln auch in acht Begegnungen am 15. und 16. August (ab 15 Uhr) den ersten Chess960-Senioren-Weltmeister. Im FiNet Open hat somit jeder Amateur die theoretische Chance, sich für eine Chess960-WM zu qualifizieren. Außerdem geht es am 17. und 18. August in dem elfrundigen Wettbewerb sowie im Ordix Open (19. und 20. August) um insgesamt 40.000 Euro. Im Kampf um diesen erklecklichen Preisfonds dürften wieder mehr als hundert internationale Titelträger nach Mainz pilgern. Im Vorjahr sorgten 546 Teilnehmer für einen neuen Rekord.

   Für Amateure wie Zuschauer bieten die Chess Classic aber wie gewohnt noch mehr Rahmenprogramm: Vor der Livingston-Computer-WM im Chess960 (17. und 18. August) prallen einen Tag zuvor Weltmeister Swidler und das Programm „Spike“ aufeinander. Die Amateur-Programmierer Volker Böhm und Ralf Schäfer aus Mainz und Wiesbaden hatten im Vorjahr sensationell die erste Computer-WM im Chess960 vor renommierter Gegnerschaft gewonnen. Spannung verheißt auch das zeitgleiche Match zwischen Radjabow und dem Rekord-Computer-Weltmeister Shredder, den der Düsseldorfer Stefan Meyer-Kahlen programmiert. Mit A&A können sich Simultan-Freunde messen: Am 15. August (15.30 Uhr) ist wieder einmal Anand an der Reihe, den traditionsreichen Rundlauf an 40 Brettern zu übernehmen. Das Duell mit dem sympathischen Inder können seine Fans entweder auf Anfrage bei den Chesstigers (www.chesstigers.de/vorstand.php) erwerben oder einen der 15 Plätze bei Ebay ersteigern. Sieben Plätze werden per Online-Versteigerung für eine Chess960-Partie gegen Aronjan vergeben. Die 13 weiteren Bretter vergeben die Chesstigers auch auf Anfrage.

   Detaillierte Informationen (etwa zu den vergünstigten Angeboten im Hotel Hilton) und neue Nachrichten zu den Chess Classic Mainz finden sich ebenfalls regelmäßig auf www.chesstigers.de.

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