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Schlachtfest in Argentinien

Schach-WM: Topalow deklassiert alle Gegner

Text FM Hartmut Metz, Fotos FIDE und Metz, Oktober 2005

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

Wesselin Topalow

Der neue Schach-Weltmeister Wesselin Topalow? Foto: Metz

 

   Es ist ein wahres "Schlachtfest", das Wesselin Topalow bei der Schach-WM in Argentinien veranstaltet. Den Kommentatoren vor Ort wie dem einstigen Vizeweltmeister Nigel Short und den begeisterten Fans während der Live-Übertragungen im Internet fällt höchstens noch eine zweite Bezeichnung zur Weltmeisterschaft ein: "Blutbad". In der siebten Runde gewannen alle vier Großmeister mit Weiß ihre Partien. Kein einziges langweiliges Remis wurde geschoben. Für die Höhepunkte bei dem Wettbewerb um eine Million Dollar Preisgeld ist aber vor allem Topalow zuständig: Der kampfstarke 30-Jährige ließ sich auch nicht von Titelverteidiger Rustam Kasimdschanow stoppen und zwang den Usbeken in 74 Zügen in die Knie. Seine atemberaubende Bilanz zur Halbzeit baute der Bulgare damit auf 6,5:0,5 Punkte aus.

   "Dank der zwei Zähler Vorsprung auf den Russen Peter Swidler, der Judit Polgar (Ungarn) bezwang, besteht kein Zweifel am neuen Weltmeister des Schach-Weltverbandes FIDE. Aus der Rückrunde benötigt Topalow kaum mehr als 3:4 Punkte, um erstmals den höchsten Thron auf den 64 Feldern zu besteigen. Dass die der Weltranglistenzweite holt, steht außer Frage - die spannendere Frage ist, wer dem Großmeister weitere Punkte abknöpfen soll. Bis dato gelang dies lediglich Viswanathan Anand. Der Weltranglistenerste aus Indien konnte dabei nur äußerst glücklich ins Remis entwischen. Ansonsten hätte Topalow sogar ein perfektes Resultat vorzuweisen. Aber auch so bleibt die Bilanz des bulgarischen Nationalhelden mit einer Rating-Performance von mehr als 3.200 Elo-Weltranglistenpunkten gigantisch. Diese Leistung ist vergleichbar mit einem 100-Meter-Sprinter, dem die Schnellsten der Welt eine Sekunde wegnehmen.

   Im Schlepptau des zweitplatzierten Swidler (4,5:2,5) folgen mit unglaublichen drei Punkten Rückstand auf Topalow die beiden anderen ehemaligen Topfavoriten auf den Titel, Anand und Peter Leko (beide 3,5:3,5). Letzterer bewies nach seinem Fehlstart ansteigende Form und schlug Schlusslicht Michael Adams (England), der wie Polgar 2:5 Zähler aufweist. Anand, der ebenso furios wie Topalow mit 2,5:0,5 Punkten gestartet war, muss nach seinem Einbruch und der Niederlage gegen Alexander Morosewitsch - der Russe liegt damit gleichauf mit Kasimdschanow (beide 3:4) - alle Hoffnungen begraben. Der Baden-Badener Bundesliga-Spitzenspieler wird in Argentinien nicht das zweite Mal FIDE-Weltmeister werden.

   Der Grund, warum die Schach-Fans Topalow lieben, ist derselbe wie sein Erfolgsgeheimnis: sein kompromissloses Spiel. Schnöde, schnelle und langweilige Remis hat der ehemalige Jugend-Weltmeister schon immer abgelehnt. Als 17-Jähriger gewann der drahtige Bulgare 1992 in Spanien zehn offene Turniere - das schafft man nur, wenn man zu viele Unentschieden vermeidet. Den Stil hat sich Topalow bewahrt und wird nun nach sieben weiteren Runden mit dem Titel belohnt. Damit ist "Topi" am Ziel seiner Träume, das er vor dem Turnier in San Luis auch verbal kompromisslos formuliert hatte: "Ich denke nur daran, die WM zu gewinnen."

 

Schach-WM 2005: Topalow gegen Anand

 Der einzige Moment, in dem Wesselin Topalow (links) einem Remis zustimmte: Viswanathan Anand entwischte dem Bulgaren glücklich. Foto: FIDE


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