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Prinz Fritz und andere Wunderkinder

Amüsantes Lehrbuch "Wie geht Schach?" fußt auf preisgekröntem PC-Spiel

von FM Hartmut Metz, 29. Oktober 2005

mehr Schachtexte von Hartmut Metz

 

   Wunderkinder – beim königlichen Spiel wird der Begriff fast schon inflationär gebraucht. Das liegt aber weniger an übertriebenen Darstellungen, sondern an der zunehmenden Zahl an Kindern, die schon mit 14, 15 Jahren Großmeister-Niveau besitzen. Das zweifellos vielversprechendste Talent ist Sergej Karjakin. Der 15-jährige Ukrainer wurde bereits mit elf Großmeister und zählt mittlerweile zur erweiterten Weltspitze. In einem Beitrag für die Zeitschrift „Schach“ beleuchtete der Israeli Alon Greenfeld zudem das Können vier weiterer jungen Hochkaräter, die den Marschallstab im Tornister tragen: Hikaru Nakamura (USA/17), Wang Hao (16), der denselben Namen wie der chinesische Weltranglistenvierte im Tischtennis trägt, Juri Kussubow (Ukraine/15) und Magnus Carlsen.

   Der 14-jährige Norweger trumpfte vor kurzem im Gausdal Masters mit 8:1 Punkten auf und distanzierte gestandene Profis nach neun Runden um einen vollen Zähler. Seine in Gausdal erspielte Leistungszahl von 2 792 Elo entspricht ungefähr der des Weltranglistenersten Viswanathan Anand. Weniger gut lief es für Carlsen beim Samba-Cup in Dänemark. Mit 4:5 Punkten blieb er im Zehnerfeld als Achter aber immerhin vor Europameister Liviu-Dieter Nisipeanu. Außerdem bezwang der 14-Jährige in der fünften Runde den georgischen Turniersieger Baadur Jobawa (5,5:3,5). Der Junge aus Lommedalen spielte dabei nicht wie viele seiner Altersgenossen wild auf Angriff, sondern bewies in der nachstehenden Partie erstaunliche positionelle Reife.

 










Jobawa,Ba (2601) - Carlsen,M (2570) [E12]
Samba Cup Skanderborg DEN (5), 18.10.2005

1.c4 Sf6 2.d4 e6 3.Sf3 b6 4.Lg5 h6 5.Lh4 Le7 6.Sc3 c5 7.e4 cxd4 8.Sxd4 d6 9.Sdb5 a6! 10.e5 [Die Stellung kam in der Meisterpraxis bisher nur einmal vor. Jobawa unterlag dabei beim Capablanca Memorial in Havanna mit Weiß gegen Wassili Iwantschuk: 10.Lxf6 Lxf6! Für den geopferten Bauern erhält Schwarz dank des starken schwarzfeldrigen Läufers Gegenspiel. 11.Sxd6+ Ke7 12.Sxc8+ Dxc8 13.Sa4 Td8 14.Db3 Sd7 15.Da3+ Sc5!! 16.Le2 (16.Sxb6 Dc6 17.Sxa8?? verliert wegen 17...Lxb2! 18.Dxb2 Dxe4+ 19.De2 Sd3+ 20.Kd2 Sf4+ 21.Ke1 Sxe2 ) 16...Dc6 17.Sxc5 Dxc5 mit passabler schwarzer Stellung.] 10...dxe5 11.Lxf6 Lxf6! 12.Df3 axb5 13.Dxa8 b4 14.Se4 [Besser scheint 14.Dxb8!? bxc3 15.bxc3 e4 16.Tc1 0-0 und Weiß hat zwar eine Qualität mehr, steht aber noch nicht ganz auf Gewinn.] 14...Ld7 15.Sxf6+ [15.Td1 Le7 16.Sd6+? Lxd6 17.Txd6 Dc7 kostet bei 18.Td2?? Lc6 die Dame. Daher muss Weiß auf d7 die Qualität zurückgeben.] 15...gxf6 16.c5?! Verschwendet unnötig Zeit. [16.0-0-0 Dc7 17.Df3 Ke7 18.Kb1 Sc6 19.Ld3 Sd4 20.De3 Ta8 und dank des stark postierten Springers besitzt Carlsen Kompensation für die geopferte Qualität.] 16...bxc5 17.Da7 Sc6 18.Dxc5 Sd4 19.0-0-0 De7! Ungeachtet des leichten Materialnachteils scheut Carlsen nicht den Damentausch. 20.Dxe7+ Kxe7 21.Kb1 Lc6 22.f3 Tg8 Schwarz verhindert geschickt die Entfaltung der weißen Kräfte. 23.Tc1 [23.Td2? erwiese sich bereits als fataler Fehler: 23...Sxf3! 24.gxf3 Lxf3 25.Lg2 Lxg2 26.Tg1?? Le4+ ] 23...f5 24.Tc4 Tb8 25.b3 f4 26.Kb2 f5 Schwarz mobilisiert zielsicher seine Zentrumsbauern, die den Kontrahenten einschnüren. Mittlerweile kämpft Weiß ums Überleben. 27.h4 Kd6 28.h5 Ld5 29.Tc1 e4 30.fxe4 fxe4 31.Th4 Endlich kommt auch der Königsturm ins Spiel - doch es ist fast schon zu spät für seinen Einsatz. 31...Ke5 32.Tg4 e3 33.Tg6 [33.Ld3 widerlegt der Nachziehende mit 33...e2 34.Tg6 (34.Te1 Tc8 35.Lxe2 Tc2+ ) 34...Tc8 35.Te1 Le4-+ ] 33...Le4! 34.Txh6 Tg8 [Genauso reicht 34...e2 35.Lxe2 Sxe2 ] 35.Tc5+ Kd6 36.Tc4 Kd5 37.Kc1 [37.Txb4 e2 38.Lxe2 Txg2 bereitet ebenso wenig Freude.] 37...e2 38.Txd4+ Kxd4 39.Lxe2 Txg2 40.Ld1 Txa2 [40...Txa2 Weiß gab angesichts von 41.Th8 (41.Txe6 Kc3! ) 41...f3 42.Tf8 f2 43.h6 f1D! 44.Txf1 Kc3! nebst baldigem Matt auf.] 0-1

 

Schachlektüre

Selbst wenn man selbst nicht das Zeug dazu haben sollte, ein Wunderkind am Schachbrett zu sein – das Lesen von "Wie geht Schach?" lohnt immer. Die Väter des preisgekrönten PC-Lernprogramms "Fritz&Fertig", Björn Lengwenus und Jörg Hilbert, brachten nun ihr "Trainingslager" zu Papier. Ein wunderbares Buch, um ab acht Jahren die ersten Schritte auf dem Schachbrett zu unternehmen und gleichzeitig eine amüsante Geschichte zu lesen. Die Abenteuer von Prinz Fritz, der die Urlaubsvertretung für seinen Vater König Weiß übernimmt, sind schön illustriert. Die Zeichnungen stammen von Hilbert, der vielen Kindern von "Ritter Rost" bekannt ist. Dank Fred Fertig, in Personalunion Kanalratte und erfahrener Schachtrainer, lernt Prinz Fritz genug, um beim Duell König Schwarz in die Schranken zu weisen. Um das Gripstraining gleich anzugehen, enthält das Werk auch ein kleines Brett mit Figuren.

Jörg Hilbert/Björn Lengwenus, "Fritz&Fertig – Wie geht Schach?", Terzio Verlag, 189 Seiten, ISBN 3-89835-738-4, 19,95 Euro.


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