Stilvolles Selbstmatt41-jähriger Garri Kasparow tritt zurückvon FM Hartmut Metz, Foto Harald Fietz, März 2005 |
Garri Kasparow; Foto: Fietz
Der beste Schachspieler aller Zeiten hat aufgegeben. Der Rücktritt von Garri Kasparow kam überraschend, auch wenn der 41-Jährige zuletzt immer seltener ans Brett gegangen war und die Gegner nicht mehr nach Belieben auseinander nehmen konnte. Dass das "Ungeheuer von Baku" mit entsprechender Motivation noch alle in Schach hält, hat der gebürtige Aserbaidschaner mit dem neunten Sieg bei seinem Lieblingsturnier in Linares bewiesen.
Sein Charakter war Stärke und Schwäche zugleich. Kasparow hasste es zu verlieren und kniete sich in eine Partie hinein, wie es vor ihm nur US-Legende Bobby Fischer tat. "Pragmatisches", Kräfte schonendes Remisgeschiebe, das Kasparow seinen Erben vorwirft, war beiden Weltmeistern zuwider. Deshalb gelangen ihnen brillante Partien, die auch noch in hundert Jahren Schach-Liebhaber verzücken werden. Kasparow übertrifft dabei sogar Fischers Leistungen, weil er 15 Jahre lang auf dem WM-Thron saß und seine Regentschaft in der Weltrangliste gar zwei Jahrzehnte währte. Welcher Sportler kann für sich in Anspruch nehmen, so lange ununterbrochen an der Spitze gestanden zu haben? Das bleibt einmalig.
Ihr Selbstvertrauen, alle anderen auf logische Weise besiegen zu können, erwies sich aber ebenso als fatal - weil es in Selbstüberschätzung mündete. Kasparow und Fischer wussten auch abseits der 64 Felder alles besser und beharrten auf teilweise krude Theorien und ihren Weg. Deswegen ist das Eingeständnis des Weltranglistenersten, Fehler wie die Abspaltung des WM-Titels vom Schach-Weltverband FIDE anno 1993 begangen zu haben, umso bemerkenswerter.
Niederlagen machten Kasparow wütend. Danach tobte, fluchte und schimpfte er wie eine kleine, verzogene Göre - passend dazu assistierte auch in Linares wieder Garris Mami und verdrückte beim Abschied des Buben ein paar Tränchen. Legendär bleibt beispielsweise Kasparows Raserei nach einer Niederlage bei den Frankfurt Chess Classic 2000. Dadurch verprellte er viele Bewunderer und Organisatoren, die teures Geld sparten und den Moskauer ungeachtet seiner Ausnahmestellung nicht mehr einluden. Deshalb blieb Kasparow auch die heiß ersehnte Chance auf eine WM-Revanche verwehrt. Seine Großmeister-Kollegen strengten sich gegen die Nummer eins überdies besonders an und freuten sich diebisch, wenn sie Kasparow lamentierend von dannen ziehen sahen. Allzu oft gelang ihnen das aber nicht. Erst gegen Ende seiner Regentschaft machte sich die nachlassende Energie bei dem Energiebündel bemerkbar.
Dass Kasparow 1997 als erster Weltmeister einem Großrechner, "Deep Blue", unterlag, überbewertet der Russe selbst zu sehr als Schmach. Er denkt eben zu gerne in historischen Dimensionen. Mehr in Erinnerung werden seine Professionalisierung des Sports bleiben, speziell seine einzigartige Eröffnungsvorbereitung mit Millionen von Partien in Schach-Datenbanken, sowie seine Erfolge und Partien. Die Schach-Welt verliert ihr Zugpferd, das mehr Charisma besitzt als der Rest der Weltspitze zusammen. Kasparow tritt mit 41 Jahren auf dem Gipfel ab, weil er sich Chancen verbaut hat und drohende häufigere Niederlagen nicht verwinden würde. Mit seinem Rücktritt nach dem Triumph in Linares hat Kasparow viele Bewunderer zurückgewonnen. Es war ein stilvolles Selbstmatt.
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Leko,P (2749) - Kasparov,G (2804) [B90]
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Kasparov,G (2804) - Kasimdzhanov,R (2678) [C42]
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Vallejo Pons,F (2686) - Kasparov,G (2804) [D02]
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Kasparov,G (2804) - Adams,Mi (2741) [E37]
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Anand,V (2786) - Kasparov,G (2804) [B33]
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Kasparov,G (2804) - Topalov,V (2757) [C88]
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Kasparov,G (2804) - Leko,P (2749) [B30]
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Kasimdzhanov,R (2678) - Kasparov,G (2804) [D47]
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Kasparov,G (2804) - Vallejo Pons,F (2686) [D12]
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Adams,Mi (2741) - Kasparov,G (2804) [B90]
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Kasparov,G (2804) - Anand,V (2786) [C42]
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Topalov,V (2757) - Kasparov,G (2804) [B30]
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