Habichtauge im bequemen SesselInternet-Weltmeister Roland Schmaltz hat beim Online-Schach mehr Spaß; Baden-Ooser Bundesliga-Auftakt gegen Eppingenvon FM Hartmut Metz, November 2004 |
Roland Schmaltz will mit dem SC Baden-Oos endlich deutscher Meister werden.
Der SC Baden-Oos will endlich auch bei den Herren deutscher Schachmeister werden. Das Star-Team um den derzeit besten Großmeister der Welt, den Inder Viswanathan Anand, und die Top-Ten-Spieler Peter Swidler (Russland) und Alexej Schirow (Spanien) trifft am Freitag (16 Uhr) im Internationalen Club in Baden-Baden (Lichtentaler Allee) auf Aufsteiger Eppingen. Am Samstag (14 Uhr) ist Wattenscheid der Gegner, am Sonntag (9 Uhr) folgt Solingen - drei Pflichtaufgaben für den deutschen Vizemeister. Im Internet ist das stets wachsame "Hawkeye" (Habichtauge) als mehrfacher Weltmeister einer der großen Stars - bei Baden-Oos steht der Mannheimer Roland Schmaltz aber nur auf Position 12 im 14er-Kader. Gibt es derlei große Unterschiede zwischen Schach im Internet und am realen Holzbrett, an dem Schmaltz am Wochenende den Infoscore-Cup in Baden-Baden gewann? Hartmut Metz unterhielt sich mit dem Großmeister, der am Montag 30 Jahre alt wird.
Frage: Der SC Baden-Oos verpasste in der vergangenen Saison erst nach einem Stichkampf den Titel. Der Vizemeister rüstete nun mit dem Tschechen Sergej Mowsesjan und dem Georgier Baadur Jobawa weiter auf. Reicht es endlich in der dritten Bundesliga-Saison zur Meisterschaft?
Schmaltz: Mit diesem Team sollte es eigentlich dieses Jahr endlich mal klappen, wenn nichts völlig Unerwartetes passiert. Die Konkurrenten sind dieselben wie jedes Jahr: Porz, Tegernsee und Bremen.
Frage: Titelverteidiger SG Porz hat sich mit Vizeweltmeister Michael Adams am Spitzenbrett verstärkt. Sind die Kölner damit weiter ausgeglichener besetzt als die vorne exzellent bestückten Kurstädter und damit Favorit?
Schmaltz: Dass Adams nun an Position eins spielt, macht die Sache natürlich nicht gerade angenehmer für uns. Vor allem weil in der vergangenen Saison der nominell schwächste Spieler von Porz ganz vorne spielte. Dieser Vorteil fehlt uns nun leider. Es wird auf alle Fälle eine knappe Sache, wenn beide Teams voll antreten.
Frage: Mit dem Bühlertäler Andreas Schenk musste der erste badische Topspieler aus dem 14er-Kader weichen. Kommen die im Badischen lebenden Großmeister wie Sie, Fabian Döttling, Philipp Schlosser und Ludger Keitlinghaus nur noch gegen schwächere Teams zum Einsatz - in den wichtigen Duellen laufen aber dann die Stars auf?
Schmaltz: Ich kann mir schon vorstellen, dass wir aus der Mannschaft fliegen - vor allem dann, wenn wir es trotz allem erneut nicht schaffen sollten, deutscher Meister zu werden. Man wird dann wohl um eine weitere "Aufrüstung" nicht herumkommen, was natürlich den Einsatz der badischen Spieler in der ersten Mannschaft fast völlig ausschließt.
Frage: Im Internet sind Sie eine Berühmtheit und mehrfacher Weltmeister. Was ist dort anders als im normalen Schach am Brett?
Schmaltz: Da gibt es einige Faktoren zu nennen: Angefangen damit, das man die Figuren mit der Maus zieht und keine Uhr drücken muss bis hin zu schlechten Verbindungen mancher Spieler, die die Partien verzögern. Schach wird hier, sofern man dies möchte, völlig anonym gespielt. Manchmal ein Vorteil, manchmal auch ein Nachteil abhängig davon, ob man gewinnt oder verliert.
Frage: Macht das mehr Spaß?
Schmaltz: Mir persönlich bedeutend mehr. Vor allem findet man fast immer sofort einen adäquaten Gegner. Schach spielen im Internet ist auch bedeutend bequemer, weil man daheim gemütlich in seinem Sessel sitzt, mit einem guten Bier in der Hand und eine Partie nach der anderen blitzt. Aber das muss jeder für sich selbst herausfinden, ob es online oder offline am meisten Spaß macht.
Frage: Bei Ihrer Domäne Bullet hat man nur eine Minute Bedenkzeit für eine ganze Partie. Hat das noch was mit Schach zu tun oder muss man nur die Maus schnell bewegen?
Schmaltz: Natürlich ist das noch Schach, eben nur sehr schnelles Schach. Hier kommt es viel weniger darauf an, lange Varianten zu berechnen. Vielmehr geht es darum, vorhandenes Schach-Wissen auf die aktuelle Stellung zu übertragen und dies dann mit ein wenig Technik, auch mit der Maus, zum schnellen Gewinn zu führen. Hier spielt der Faktor Zeit eine bedeutend größere Rolle als im normalen Schach. Aber trotzdem ist dieser Faktor immer noch nicht so groß, dass man völlig darauf verzichten könnte, gutes Schach zu spielen. Insbesondere Geschicklichkeit mit der Maus ist auch gefragt, da man sonst bei der Geschwindigkeit oft mit den Figuren auf einem falschen Feld landet. Sehr zum eigenen Ärger, aber noch mehr zur Freude des Gegners. Aber selbst nach jahrelangem Training lassen sich so genannte "Mouse-Slips" nicht verhindern und gehören zum Spiel, was manchmal zu unliebsamen Resultaten führt.
Frage: Auf welchen Servern spielen Sie und wie oft? Kann Sie dort auch der Otto Normalschachspieler herausfordern?
Schmaltz: Die meiste Zeit treibe ich mich auf dem größten Schachserver im Internet herum, dem amerikanischen Internet Chess Club ICC. Dort gibt es einfach die stärkste Gegnerschaft und auch den besten Service. Danach kommt bei mir der deutsche Schachserver der Firma ChessBase Schach.de. Ich spiele inzwischen eigentlich nur selten und wenn, dann meist gegen starke und bekannte Kontrahenten. Eine Ablehnung einer Herausforderung meine ich nicht persönlich: Das Problem besteht jedoch darin, dass ich zu gar nichts mehr käme, wenn ich gegen jeden spielen würde, der mich darum bittet. Deshalb trete ich eigentlich nur gegen Spieler meiner "Preisklasse" an. Ausnahmen mache ich sehr selten, weil ich mir dann dauernd anhören muss, "mit dem hast du doch auch gespielt". Deshalb muss man einfach irgendwo eine Grenze ziehen.
Frage: An Gegnern herrscht also nie Mangel, selbst zu nachtschlafender Zeit nicht. Wie viele Schachspieler tummeln sich täglich auf den Servern?
Schmaltz: Auf dem ICC am frühen amerikanischen Abend bis zu 3000 Schachspieler. Bei besonderen Anlässen wie Weltmeisterschaften oder starken Turnieren sind es auch mal bis zu 7000 Spieler gleichzeitig. Es gibt aber so viele Server, dass es unmöglich ist zu sagen, wie viele denn nun insgesamt online Schach spielen. Aber es sind sicher eine ganze Menge!
Frage: Wird das Online-Spiel den Kampf Mann gegen Mann an einem stinknormalen Holzbrett irgendwann ablösen oder hat das herkömmliche Schach noch eine Zukunft?
Schmaltz: Ablösen wohl kaum. Das wäre auch schade, da man viele interessante Leute bei Schachturnieren trifft. Vielmehr wird Internet Schach das herkömmliche Schach ergänzen und bereichern. Inwieweit, das wird uns die Zukunft zeigen. Aber bereits jetzt sehe ich, wie sich das Schach durch die globale Vernetzung weiterentwickelt - zum Glück in eine sehr positive Richtung. Ich hoffe, dass auch in Zukunft noch mehr Menschen den Weg zu diesem Spiel finden, sei es online oder offline. Schließlich garantiert es einen hohen Spaßfaktor!
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Schmaltz,R (2529) - Enders,P (2524) [B70]
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Schmaltz,R (2523) - Kekelidze,M (2511) [C17]
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Schmaltz,R (2506) - Doettling,F (2475) [B19]
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Schmaltz,R (2529) - Muse,D (2442) [B70]
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Thiede,L (2440) - Schmaltz,R (2519) [A16]
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