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Hochöfen lassen Frauenherzen kalt

Wijk aan Zee ist nur auf 64 Feldern spannend

von FM Hartmut Metz, 17. Januar 2004

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Antoaneta Stefanowa

Antoaneta Stefanowa

 

   Den Damen von Welt ist es dort schlicht zu kalt, zu regnerisch und vor allem - zu langweilig. "Was soll man da fast drei Wochen lang machen?" Die schöne Bulgarin Antoaneta Stefanowa grauste es schon zwei Monate vorher im sonnigen Curaçao vor der Reise an die niederländische Küste. Die Vorjahreszweite Judit Polgar dementierte bereits im Oktober, dass sie 2004 nur deshalb nicht nach Wijk aan Zee pilgere, weil sich die Budapesterin nach dem Jahreswechsel eine unterhaltsamere Betätigung vorstellen könne. Was also tun im Januar entlang der Dünen im niederen Norden, wo ein rauer Wind über die Dünen fegt? Schach spielen! Tausende von Holländern pilgern derzeit wieder nach Wijk aan Zee, um die Figuren in zahlreichen Leistungsgruppen selbst in die Hand zu nehmen oder den Stars auf die Finger zu schauen.

   Dass die Amateure nur wenige Schritte entfernt von den Profis sitzen, macht den besonderen Charme der Großveranstaltung aus. Der daraus resultierende Lärm - besser ein durch Gemurmel geprägter Geräuschpegel - stört zwar die empfindlichen Ohren der Asse, dennoch sind sie heilfroh, dass es dieses außergewöhnliche Turnier gibt - und das garantiert bis 2010. Corus hat jetzt bekannt gegeben, dass das Unternehmen auch die nächsten Jahre Hauptsponsor bleibt. Dem seit 66 Jahren bestehenden Klassiker ist Corus auch schon verbunden gewesen, als man noch keine Liaison mit einem britischem Stahlkocher eingegangen war und noch "Hochofen" hieß beziehungsweise das Schachturnier Hoogovens Schaaktoernooi.

   Dass somit neben den Turnieren im spanischen Linares und in Dortmund das dritte alljährliche Highlight bestehen bleibt, ist angesichts der wenigen Geldgeber für das Denkspiel eine erfreuliche Nachricht für die nicht gerade finanziell auf Rosen gebetteten Schachprofis. Vor allem auch für die niederländischen Großmeister, die sich so regelmäßig mit der Weltspitze messen dürfen - oder sich zumindest im stark besetzten B-Turnier beziehungsweise im C-Turnier als Aufsteiger für höhere Aufgaben im darauf folgenden Jahr empfehlen können.

   Und ganz so langweilig wie in dem Ort selbst, wo auch die Schlote von Corus die Optik bestimmen, geht es an den Brettern nie zu! Gleich zum Auftakt sorgte Wladimir Akopjan für einen Paukenschlag. Das ist einer dieser Spieler, die der Weltranglistenerste Garri Kasparow 1999 als WM-Touristen verspottete. Akopjan scherte sich wenig darum und wurd Vizeweltmeister. Eine Unaufmerksamkeit des amtierenden Weltmeisters nutzte der Armenier, um Wladimir Kramnik mit einem brillanten Turmopfer eine seiner raren Niederlagen beizubringen.

 










W: Akopjan S: Kramnik

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le3 Sg4 7.Lg5 h6 8.Lh4 g5 9.Lg3 Lg7 10.h3 Se5 11.f3 Sbc6 12.Lf2 Le6 13.Dd2 Sxd4 14.Lxd4 Da5 15.a3 0-0 16.h4 Sg6 17.hxg5 hxg5 18.b4!? Schwächt zwar die Bauernstruktur am Damenflügel, vertreibt dafür jedoch die Dame aus ihrer bedrohlichen Position. Letzteres gilt vor allem, sollte Weiß lang rochieren und Schwarz zu b5 und b4 kommen. 18...Dc7 19.Se2!? Eine Neuerung. [ 19.Lxg7 Kxg7 20.0-0-0 Th8 führte bei den Chess Classic Mainz 2002 zwischen Viswanathan Anand und Ruslan Ponomarjow zu einer unklaren Stellung. 21.Txh8 Txh8 22.Kb2 f6 23.g3 Se5 24.f4 gxf4 25.gxf4 Sc4+ 26.Lxc4 Dxc4 27.e5 dxe5 28.fxe5 f5 29.Dg2+ Kf7 30.Td3 Df4 31.Dxb7 Th2 32.Df3 Dxe5 33.Te3 Dd4 34.Te2 Th8 35.Te4 Df6 36.Te3 Dd4 37.De2 Dc4 38.Dg2 Dd4 39.De2 Dc4 40.Dg2 Dd4 1/2.] 19...f6?! Sieht unnatürlich aus, dass Schwarz seinen Läufer freiwillig verstellt. 20.Lb2 Lf7 21.Sd4 d5 22.exd5 De5+ 23.Le2 Dxd5 24.0-0-0 Tfc8 25.Ld3 Se5! Aktiviert den Springer und fürchtet sich nicht vor dem nächsten Zug. 26.Le4 Da2 27.Sf5! [ Computer-Programme greifen gierig nach dem Bauern und der Qualität: 27.Lxb7 Sc4 28.Dc3 f5 29.Lxa8 Txa8 Es zeigt sich jedoch, dass Weiß keine gute Fortsetzung hat und die eigenen Figuren passiv stehen. 30.Td3 Le5 31.g3 Td8 32.Thd1 f4 33.g4 Lf6 34.Db3 Sxb2 35.Dxb2 Dxb2+ 36.Kxb2 e5 37.Sc6 Txd3 38.cxd3 ( 38.Txd3?? e4+ 39.Tc3 exf3 40.Se7+ Kf8 41.Sf5 f2 ) 38...Ld5 39.Sb8 Lxf3 40.Kc2 Lxg4! 41.Tc1 mit einem unklaren Endspiel.] 27...Sc4 28.Dc3 Tc7? [ 28...Dxb2+ muss geschehen. 29.Dxb2 Sxb2 30.Kxb2 Tc7 und Akopjan steht etwas besser.; 28...Se5?? scheitert an 29.Sxe7+ ] 29.Th7! Dieser unerwartete und leicht zu übersehende Turmzug war Kramnik entgangen. Der Nachziehende kann sofort aufgeben. 29...Dxb2+ [ 29...Kxh7 30.Sxe7+! Kh6 ( 30...Kh8 31.Th1+ Lh5 32.Txh5+ Lh6 33.Dxf6# ) 31.Th1+ Lh5 32.g4 und Schwarz wird in wenigen Zügen matt gesetzt.] 30.Dxb2 Sxb2 31.Txg7+ Kf8 32.Th1 Schwarz verliert mindestens einen Turm und Figur oder geht matt. 1-0

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